Verwandlung- Die Geschichte einer Dämonin   210

Kurzgeschichten · Fantastisches · Winter/Weihnachten/Silvester

Von:    Tis-Anariel      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 28. März 2010
Bei Webstories eingestellt: 28. März 2010
Anzahl gesehen: 2741
Seiten: 5

Ich stehe draußen.

Um mich herum gibt es nichts außer Finsternis und den Mond, der Funken aus dem gefrorenen Schnee schlägt.

Es ist kalt.

Winter, eisiger, kalter, weißer Winter!

Ich mag ihn nicht mehr, den Winter, den ach so kalten Winter. Obwohl seine Tage im Sonnenlicht so einen wunderschönen, reinen Zauber über die Welt legen. Aber es sind auch nicht die Tage, die mir so zu schaffen machen. Es sind diese unendlich langen Nächte. Diese so langen, kalten, schrecklich stillen Nächte.

Ja diese eisigen Winternächte.

Dann kommen die Erinnerungen zurück.



Es war eine dieser langen, kalten Nächte in der du mich verlassen hast.

Nein, nicht freiwillig. Gezwungen hat man dich, Dir einfach so dein Leben entrissen! Ja sie haben dich getötet, dich umgebracht, dein Lebensblut vergossen. Als ich dich endlich gefunden habe, war es schon zu spät. Du hast noch gelebt, aber der Krankenwagen brauchte viel zu lange. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit für mich an.

Eine ganze Ewigkeit, in der Dunkelheit, in der eisigen Kälte.

Du bist für immer gegangen, in meinen Armen verblutet. Einen Teil von mir hast du mit dir genommen. Ein Teil von mir ist mit dir gestorben. Ich fühlte irgendwann die Kälte nicht mehr und die Dunkelheit hat einen Weg in mich hinein gefunden.

Nein, ich habe sie hineingelassen, mich hingegeben, denn hassen war einfacher.



Ja, es war einfacher sich zu rächen und was ich tun wollte, das würde mich auf ewig verändert. Es würde einen Teil von mir für immer verdunkelt. Das wusste ich, aber dieses Wissen konnte mich nicht aufhalten. Ich hatte mich doch schon verändert, unumkehrbar. Ich hatte meine große Liebe verloren. Er würde nie mehr wieder zu mir zurückkommen.

Ich hatte nicht vor am Ende meiner Rache noch lange zu leben, denn dann, danach würde der Schmerz kommen, die Trauer. Und ich wusste , das sie mich zerstören würde.

Ja ich wusste es. Ich würde daran zerbrechen. Also gab ich mich der roten Wut hin und ließ sie wirken. Wartete, denn die rote Wut ist blind und ich wollte mit vollen Bewusstsein mein Werk tun. Die rote, heiße Wut ist blind, sie blendet. Sie ist hat keine Strategie, keinen Plan, sie reagiert nur. Aber wenn diese Wut erst einmal abkühlte und tiefer in mich sank, ja dann würde aus der roten, heißen Wut die kalte, schwarze werden.
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Die kalte, schwarze Wut hat Geduld, sie plant und ist auf ihre Weise noch viel grausamer. Es ist nicht schwierig, man muss nur seine Wut festhalten, sie tief in sich hinein sinken lassen und warten, ja warten bis sie kalt und schwarz wird. Es braucht nur Zeit und genügend Wut. So lernt man hassen.



Ja, hatte ich zuerst lieben gelernt, so lernte ich nun hassen. Ich ließ mir ein ganzes Jahr Zeit und der Hass in mir wuchs und fraß einen weiteren Teil von mir auf.

Dieser Teil von mir erstarrte schlicht, erfror in dem Eis, das ich um mein Herz gelegt hatte.

Und dann kam der Tag und ich kam wie ein schwarzer Racheengel über sie, die mir meine Liebe nahmen. Ihr Leid ergötzte mein erfrorenes Herz und ihre Schmerzen waren mir Wonne. Ich ließ sie langsam, ganz langsam sterben.

Als es endlich vorüber war, fühlte ich mich leer. Als hätte mich die Rache vollends ausgebrannt. Jetzt hatte ich noch nicht einmal mehr meinen Hass. Ich wartete auf den Schmerz, doch als er kam, war ich erstaunt. Denn er war nur halb so heftig, als ich dachte.

Da erst erkannte ich, das ich ein ganzes Jahr schon an diesem Schmerz gelitten hatte und ihn dazu benutzte meinen Hass zu nähren. Da erst begriff ich, das die kalte, schwarze Wut nicht nur Zeit und Geduld brauchte, sondern auch Schmerz.

Schlimmer war jedoch die Trauer, die ich jetzt erst zuließ und die sich wie ein schweres Tuch auf meine Schultern legte. Mich niederdrückte, als wiege sie Tonnen. Aber ich nahm sie an, sie würde mir helfen.

Ich hatte meine Rache und nun war es Zeit, es zu einem Ende zu führen.



Ich wusste von dem Tag an dem ich die Dunkelheit in mich ließ, das ich nie mehr wieder so leben würde wie zuvor. Ich war kaum mehr menschlich und ich wollte diesem Rest an Menschlichkeit nun ein würdiges Ende bereiten.

Mein einziger Wunsch war nun, es nur noch zu beenden. Ein Leben beenden, das so nicht mehr lebenswert war für mich, ohne dich und einem Herz so hart wie Stein.

Ich wählte ein Messer und setzte beinahe emotionslos die Schnitte. Ich war leer, alles was mich einst ausgemacht hatte, war verbrannt in der roten Wut und erfroren in der Schwarzen. Es war nichts mehr da. Der Rest meiner Selbst verglühte in der ekstatischen Rache. Dem letzten Feuer, das in mir aufloderte. Danach gab es nur kalte, graue Leere. Meine Seelenlandschaft hatte sich in eine steinige, eisbedeckte Einöde verwandelt.
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Es gab nichts mehr, wofür sich das Leben lohnen würde. Also schnitt ich die Adern meiner Arme in langen Schnitten auf und vergoss mein eigenes Lebensblut. Sah dem roten Strom zu, wie er in den reinen, weißen Schnee floss. Dann gab es nur noch tiefe Dunkelheit und zum ersten mal, seit über einem Jahr fühlte ich mich wieder geborgen.

Ich starb und starb doch nicht.



Zuviel meiner Menschlichkeit hatte ich hergegeben und nun war zu wenig noch übrig um wirklich sterben zu können. Als ich wieder erwachte, meine Augen verwundert öffnete, erblickte ich eine neue Welt. Warum war ich nicht tot?

Und weshalb sah ich plötzlich so gut in der Dunkelheit der Nacht?

Was war geschehen?

Ich fühlte mich so unendlich leer. Verstört und verwirrt ging ich den einsamen Weg entlang und gelangte so schließlich zurück in die Stadt. Es war späte Nacht. Die Straßen waren leer, dunkel und erfüllt von düsteren Schatten, die mein Blick mühelos durchdrang.

Das Spiegelbild im ersten Schaufenster, an dem ich vorbeikam zeigte mir endlich, was aus mir geworden war.

Meine Haut war fast so weiß wie der Schnee und mein langes Haar hatte seine Farbe von dunkelblond in Pechschwarz geändert. Meine Augen waren dunkel geworden und es gab kein Licht mehr darin. Meine Fingernägel, nun rot lackiert waren lang und hart. Sie ähnelten eher Krallen. Aber am meisten erschreckte mich die nunmehr kalte, hartgeschliffene Schönheit meines Gesichts. Ich war schon zuvor eine schöne Frau gewesen. Doch nun war alles, das in meinen Gesicht jemals weiche Züge aufwies verschwunden. Es war die kalte Schönheit einer zur Eis erstarrten Maske!

Noch immer war diese seltsame Leere in mir, die jegliche Gefühlsregung sofort verschlingen zu schien. So hielt sich mein Schreck auch nicht lange.

Noch immer hatte ich das seltsame Gefühl, nicht mehr Substanz aufzuweisen als ein Gespenst oder eine Erscheinung. Aber ich war real, hatte noch immer einen Körper, wie mein Spiegelbild mir deutlich vor Augen führte.

Ein Geräusch riss mich aus meiner Betrachtung. Langsam wandte ich mich von meinem Spiegelbild ab und ließ den Blick schweifen. Als das Geräusch wiederkehrte identifizierte ich es als den Schrei einer Frau. Zum ersten mal regte sich etwas in mir und drängte mich sachte dem nachzugehen.
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Ich gab diesem Drang nach und folgte den mittlerweile verzweifelt klingenden Schreien.

Sie führten mich zu einer Nebengasse und ich sah nun auch den Grund für die Schreie. Vier junge Männer hatten eine dunkelhaarige Frau dort hineingezerrt und versuchten sie nun zu vergewaltigen. Einer der vier bemerkte mich, blaffte mich an und kam dann schließlich gemein grinsend auf mich zu. Ich wusste, das er dachte, dass ich eine noch viel verlockendere Beute war, als die Frau, die sie schon hatten. Überraschender Weise empfand ich keine Angst. Ich fragte mich warum.

Heute weiß ich warum, aber damals faszinierte mich dieses Rätsel.

Ich fühlte überhaupt nichts. Da war keine Wut, obwohl ich doch auf diese miesen Kerle hätte wütend sein müssen. Ich empfand keine Angst, obwohl der Mann noch immer auf mich zukam und sein Gesicht Bände sprach. Da war überhaupt nichts.



Als der junge Mann direkt vor mir stand, ganz nahe, stieß ich meine rechte Hand nach vorne. Die ausgestreckten Finger durchdrangen Kleidung, Haut, Fleisch und Knochen, als wären sie nichts weiter als weicher Schnee. Ich zog sie zurück und der Junge starrte mit einem überaus überraschten Gesichtsausdruck sein Herz an, das ich in der Hand hielt. Es schlug genau noch zwei Mal, dann war es still. Der Möchtegernvergewaltiger brach zusammen und blieb dann reglos liegen, immer noch diesen überraschten Ausdruck im Gesicht.

Nun endlich kehrte so etwas wie Gefühle in mich zurück, aber keines davon war mehr menschlich. Gleichzeitig entfaltete sich Wissen in mir und Macht. Tiefe, dunkle, kalte Macht.

Ein eisiges, böses Lächeln breitete sich auf meinen Gesicht aus, als ich langsam in die kleine Sackgasse trat, wo die drei Freunde meines ersten Opfers mir voller Angst entgegenstarrten.

Als ich die Gasse wieder verließ, blieben eine Leiche mit herausgerissenem Herzen, drei zerfetzte Körper und eine schockierte junge Frau, die gar nicht wusste wie viel Glück sie gehabt hatte, zurück.

Als ich mir die Hände in einem fast zugefrorenen Brunnen wusch und dabei die Kälte kaum wahrnahm, berührte mich es schon nicht mehr.

Als ich dem Mann das Herz nahm hatte ich begriffen, das ich mich verwandelt hatte. Von nun an war ich der Inbegriff der Rache, ein Rachedämon!



Seither streife ich Ziel- und Zeitlos durch diese Welt. Es gibt andere wie mich, manchmal treffe ich eine Schwester.
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Es berührt mich genauso wenig, wie meine Opfer es können. Ich fühle nicht mehr wie ein Mensch, es gibt keine Liebe, keinen Hass, keine Freude und keine Angst mehr in meinem kalten Herzen. Ich kenne kein Leid mehr und Mitleid oder Mitgefühl sind nur noch leere Worte. Nur die Trauer ist geblieben und der Hunger nach Rache!



Ich stehe draußen, es ist kalt.

Doch ich spüre diese Kälte nicht.

Um mich herum ist das Silberlicht eines kalten, alten Mondes und die Finsternis einer eisigen Winternacht.

Es ist jetzt acht Jahre her und ich habe keinen Augenblick davon vergessen.



Ob ich sterben kann?

Ich weiß es nicht, aber ich nehme einmal an, das auch für mich irgendwann die Zeit kommen wird und ich meinem Schöpfer gegenüberstehen werde. Wer das ist, das wisst ihr ja.





©Anariel 09.02.2008



____________________________________________



So wer jetzt noch irgendwelche Verschreiber findet, der kann sie behalten.
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Punktestand der Geschichte:   210
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Kommentare zur Story:

  ...lacht...Lieber Jochen,

ich glaube nciht,dass du so ein schlimmer Jung bist, dass du eine Rachedämonin fürchten müsstest, oder?;)

Freut mich, dass es dir wohl gefällt.

Es ist übrigens Absicht, dass die kleine Schauergeschichte erst später an Fahrt gewinnt.
Freut mich, dass mir dies gelungen ist.

Liebe Grüße
an dich  
   Tis-Anariel  -  02.04.10 05:59

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  Die ist ja richtig brutal, deine Heldin. Da muss ich ja nachts aufpassen, dass sie sich nicht im Dunkeln irgendwo versteckt hält.
Ich muss Daniel Recht geben, die Story kommt erst später so richtig in Fahrt, dann aber mit Macht. Ansonsten ist dir dieser kleine Romantikhorror klasse gelungen.  
   Jochen  -  01.04.10 22:41

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  Hallo Petra, schön dass es dir gefällt.

Huhu Daniel,
dein Lob freut mich auch sehr.
Wie schön,dass auch du solchen Gefallen an dieser kleinen, schon etwas älteren Geschichte gefunden hast.

Liebe Grüße  
   Tis-Anariel  -  30.03.10 02:51

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  Ich fand die geschichte auch richtig gut.....wie du die rote wut beschreibst hat mir sehr gefallen, aber so richtig fahrt nimmt die geschichte dann auf, als sie wieder aufersteht um da weiter zu machen wo sie eigentlich aufgehört hat. Super beschrieben, wie deine Protagonistin als Racheengel loszieht.  
   Daniel Lehmann  -  29.03.10 18:29

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  Spannend und gruselig und einfach toll. Allerdings sind eine Menge Rechtschreibfehlerchen drin.  
   Petra  -  29.03.10 17:49

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