Der Hüter des Drachen - Kapitel 5   392

Romane/Serien · Fantastisches

Von:    Robin van Lindenbergh      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 30. Oktober 2009
Bei Webstories eingestellt: 30. Oktober 2009
Anzahl gesehen: 2608
Seiten: 9

Diese Story ist Teil einer Reihe.

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Ich sah Drachen. Überall um mich herum glitten sie anmutig durch die Luft und brüllten. Wie besessen gingen sie aufeinander los. Schlugen ihre Fänge in ihre leuchtenden Körper. Riesige Wunden bedeckten ihre Körper, aus denen goldenes Blut heraus rann. Einige von ihnen hatten ihre Flügel eingerissen, anderen fehlten Extremitäten.

Der Kampf fand über einer weiten Ebene statt. Bis zum Horizont war der Grund bedeckt von Blut. Aber die Drachen hörten nicht auf zu kämpfen. Ihre Kraft schien nicht nachzulassen und sie wurden nicht müde weiter ihre Zähne und Klauen in das Fleisch ihrer Gegner zu schlagen. Ich wusste, dass keiner von ihnen den Kampf überleben würde. Sie würden bis zum letzten Blutstropfen kämpfen.

Ich wollte schreien, flehen, dass sie von ihrem sinnlosen Treiben abließen, aber meine Stimme ließ mich im Stich. Ich war unfähig auch nur einen Laut von mir zu geben. Ich wollte meine Schwingen ausbreiten, zu ihnen aufsteigen und dem nutzlosen Töten ein Ende machen, aber es ging nicht.

In diesem Moment bemerkte ich neben mir eine Gestalt. Er war groß und hatte eine sehr gebieterische Pose. Sein Körper strahlte eine bedrohliche Stärke aus, aber sein Gesicht konnte ich nicht wahrnehmen. Das einzige, was ich sah, war sein Lächeln, das befriedigt wirkte. Wie ich zuvor sah er zu den kämpfenden Drachen empor, aber in ihm löste der Anblick des Mordens anscheinend Zufriedenheit aus. Beinah entzückt weidete er seinen Blick, an dem Grauen.

Hass kam in mir hoch. Ich konnte nur noch daran denken ihm das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, seine lächelnde Haut in Streifen von seinem Körper zu schneiden.

Der Mann wandte sich zu mir um, betrachtete mich einen Moment und begann zu sprechen. „Ich verbiete dir, sie zu retten und mein Wunsch ist dein Befehl. Schließe dich ihnen lieber an.“

Ich wollte mir nichts befehlen lassen und schon gar nicht von ihm, für den ich soviel Abscheu empfand. Aber ich konnte nichts dagegen tun, als mich in die Luft zu erheben. Mein Hass richtete sich unkontrollierbar auf die anderen Drachen und bevor ich mich versah, hatte ich meine Krallen in den Körper eines anderen Drachen geschlagen.



Schreiend schreckte ich aus dem Albtraum hoch. Es war heller Tag und die Sonne schien auf mich herab, wobei mein Kopf aber im Halbschatten ruhte.
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Mein Mund war trocken, die Lippen rissig und ich fühlte kalten Schweiß auf meiner Haut kleben. Ich lag auf einem weichen Stoff, hatte einen ganzen Ballen unter dem Kopf und war von einer weiteren Bahn sorgsam zugedeckt.

„Den Göttern sei Dank, du bist wach“, hörte ich eine bekannte Stimme neben mir.

Ich drehte den Kopf und sah in Orins Gesicht. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen und er musterte mich mehr als besorgt.

„Wasser“, krächzte ich und er setzte mir eine Flasche an den Mund, aus der ich gierig trank bis er sie mir vorsichtig wegnahm. Die kalte Flüssigkeit schwemmte die Erinnerungen an den Traum aus meinem Bewusstsein.

„Danke“, brachte ich hervor.

„Ich fürchtete schon, um dich sei es geschehen“, sagte Orin nach einer Weile.

„Wie lange…?“

„Die Pfeilspitze war vergiftet. Du hattest schweres Fieber und warst drei Tage ohne Bewusstsein… und drei Nächte“, fügte er vorsichtig hinzu.

Jetzt erst wurde mir bewusst, dass er mich somit auch in meiner Drachengestalt gesehen hatte und ich verstand die Zurückhaltung, die er mir gegenüber nun zeigte. Ich erinnerte mich an seinen Blick als er mich nach dem Angriff der Männer entdeckt hatte.

„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben“, erklärte ich. „Ich würde dir nie etwas zuleide tun.“

Er schien darüber nachzudenken. „Es heißt: Drachenzunge niemals die Unwahrheit spricht, drum vertraue dem Wort eines Drachen stets“, sagte er schließlich und ein schmales Lächeln kehrte in seine Züge zurück. „Ich wusste nicht, dass Drachen zu Menschen werden können.“

Mit größter Anstrengung setzte ich mich auf und wurde dabei sogar von ihm unterstützt. „Das können sie auch nicht“, berichtigte ich und versuchte ihm klar zu machen, was ich war. Seltsamerweise verstand er es sogar schneller als der Vater Abt.

„Sei froh, dass du bist, was du bist“, stellte Orin fest, als ich geendet hatte.

Fragend sah ich ihn an.

„Ich kenne das Gift, das an der Speerspitze war, es ist der Saft des Dornenapfels. Diese Menge hätte jeden Mann getötet, der nicht über deine Konstitution verfügt und außerdem hätte ein gewöhnlicher Mensch wohl kaum meinen Wagen ohne Hilfe anheben können.
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„Ohne mich, hättest du den aber schon längst selber repariert und wärst in Balrob“, erinnerte ich ihn.

„Auch wieder wahr. Als Glück bringender Drache taugst du nicht gerade viel.“

Es tat mir leid, welche Umstände ich ihm gemacht hatte und überlegte, wie ich es wieder gut machen konnte, als ich ein hämisches Grinsen um seinen Mund bemerkte.

„Das hast du hoffentlich nicht ernst genommen. In dem Dorf, aus dem mein Vater kam, wurden Drachen schon seit Jahrhunderten verehrt und er lehrte mich das auch zu tun. Einen persönlich zu treffen, auch wenn es ein recht seltsames Exemplar ist, ist mir eine Ehre.“ Damit verbeugte er sich leicht vor mir.



Orins Pflege, ein gutes Essen und eine weitere Nachttransformation taten ihr Übriges um mich vollständig genesen zu lassen. Trotz seiner Worte war mein Lebensretter freundlich aber distanziert als ich meine Gestalt im letzten Licht des Tages wechselte. Eine Weile brachte er gar kein Wort hervor, aber dann sprudelten die Fragen nur so aus ihm heraus. Er wollte alles wissen, von der Spannweite meiner Flügel bis hin zur Stärke meiner Muskeln. Mit Vergnügen spie ich Feuer für ihn und er klatschte begeistert als ich meine Schwingen zur vollen Größe ausbreitete. Erst gegen Morgen legten wir uns beide hin und schliefen um früh am folgenden Tag endlich Balrob vor uns zu sehen.

„Ich hoffe, du verstehst nun mein Problem“, sagte ich als der Wagen auf das Stadttor zurumpelte. „Ich muss nach Xian ohne allen meine wahre Natur auf die Nase zu binden. Fliegen fällt aus und auf einem Schiff würde es auffallen, wenn ich mich in der Nacht verwandele.“

Orin schürzte die Lippen und man konnte sehen, wie sein Gehirn fieberhaft arbeitete. „Nicht unbedingt“, sagte er nach einer Weile grinsend. „Auf einem Frachtschiff gibt es viel weniger Passagiere als auf einem Dampfschiff. Dort könntest du dich nachts zwischen der Ladung verbergen und niemand würde es merken.“

Das klang plausibel und machbar. Ich freute mich immer mehr darüber, dass ich den Tuchhändler getroffen hatte, der zu meinem guten Geist geworden war.

„Dumm nur, das Frachtschiffe keine Passagiere mitnehmen dürfen“, unterbrach Orin meine fröhliche Stimmung, aber immer noch stand ein Lächeln in seinem Gesicht.
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„Es sei denn, du würdest einen Händler kennen, der zufällig in deine Richtung unterwegs ist, und dich als seinen Gehilfen mit auf die Reise nehmen würde.“

Erneut bestätigte sich Orin in seiner neuen Aufgabe, mir Gutes zu tun. „Das würdest du tun? Wie kann ich dir das je vergelten?“

„Wenn das alles stimmt, was du mir über die versklavten Drachen erzählt hast, dann würdest du mir die größte Freude machen, wenn du sie retten würdest. Wenn die Drachen frei wären und ich mit Fug und Recht behaupten könnte, dass ich dabei mithelfen konnte, wäre das das beste Geschenk für mich.“

Die Wahrhaftigkeit dieses Mannes ließ mich wieder Vertrauen in die Menschen bekommen. Orin überraschte mich. Er war kein gebildeter Mann wie der Abt oder Prokon und doch war er oft weiser und gerechter als beide zusammen. Er half mir, wieder Menschlichkeit in mir zu erkennen und sogar Gemeinsamkeiten zwischen meinen beiden Teilen zu finden.



Wir blieben zwei Tage in der überfüllten Hafenstadt, damit Orin seine Geschäfte machen und ein Schiff finden und ich wieder völlig zu Kräften kommen konnte. Tags hatte ich Angst, wenn ich mich mit Orin durch die lärmenden Gassen der Stadt mit ihren hastenden Menschen bewegte, damit er seine Geschäfte abschließen konnte. Überall wurde geschrien, gerufen, gelacht, gelärmt, gestoßen und geschoben. In diesen Tagen sehnte ich mich oft nach der Ruhe und Abgeschiedenheit des Klosters. Die überschaubare Menge der Brüder hatte stets alles in Ruhe und mit Besonnenheit erledigt. In jedem Jahr hatten wir sogar wochenlang in Schweigen verbracht um damit den Geist zu reinigen. Aber davon schien man in den dreckigen Gassen und stinkenden Straßen nie etwas gehört zu haben.

Ganz im Gegensatz zu mir fühlte sich Orin anscheinend sehr wohl. Sicher führte er mich durch die Menschenmassen und schien niemals die Angst zu verspüren, dass ihn der Mob niederwalzte. Überall in der Stadt kannte er Menschen, redete und lachte mit ihnen und tauschte und verkaufte dabei seine Waren und die eine oder andere Information.

Das beeindruckendste an meinem neuen Freund war dabei, wie er sich bei seinen Geschäften anstellte.
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Stets war er freundlich, lächelte und scherzte und geizte auch nie mit Lob und Komplimenten, sowohl für die Waren als auch für deren Verkäufer. Einige seiner Geschäftspartner schienen ihn sogar für etwas einfältig in seiner direkten Freundlichkeit zu halten und merkten dabei gar nicht, dass sie am Ende oft mehr zahlten, als sie beabsichtigt hatten.

Unterkunft hatten wir im Gästehaus der Tuchhändler gefunden, wo Orin ein wohlbekannter und gerngesehener Gast zu sein schien. Das Haus lag mitten in der Stadt und war ein elegantes Bürgerhaus, das mit jedem Stein den Wohlstand der Tuchhändlergilde zeigte. Selbst unsere Gästezimmer waren in meinen Augen beinahe ein Palast, obwohl ich zugeben muss, dass im Vergleich zu meiner Klosterzelle beinah jedes Zimmer prunkvoll gewirkt hätte. Im Gästehaus bestanden die Betten nicht aus Strohsäcken, sondern aus weichen Matratzen und mit Daunen gefüllten Kissen. So oft es ging streckte ich mich tagsüber darauf aus, denn für meinen Drachenkörper war das Bett leider zu klein und zu zerbrechlich.

Aber nachts dachte ich sowieso wenig an Schlaf. Sobald meine Sinne sich veränderten, nahm ich die Stadt völlig neu wahr und meine Angst vor den vielen Menschen verschwand. Nachts genoss ich den Anblick des pulsierenden Lebens und sog witternd die verschiedensten Gerüche in meine Nüstern ein. Ich sehnte mich danach, die Stadt zu erkunden und ein Teil dieser bunten Welt zu werden.

Als ich Orin von meinen Empfindungen erzählte, schüttelte er nur traurig den Kopf. „Das kannst du nicht. Die Menschen hier kennen Drachen nur von den Erzählungen über die Schlachten des Kaisers. Sie würden Angst bekommen, wenn sie dich sehen würden, Okuon.“

Ich hatte versucht ihm zu erklären, dass ich als Drache keinen Namen besaß, aber er bestand darauf, mich auch in der Nacht mit meinem Menschennamen anzureden. Ich sei ein besonderer Drache und als solcher bräuchte ich auch einen Namen, hatte er erklärt. Kein Argument hatte er dagegen gelten lassen und schließlich hatte ich ihn gewähren lassen.

Enttäuscht ließ ich meinen Kopf auf das Fensterbrett sinken und starrte auf die Dächer der Stadt hinab. An diesem Abend wurde mir zum ersten Mal klar, wie anders ich eigentlich geworden war.
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Wäre ich nur ein Mensch, würde ich zu den zahlreichen Leuten dieser Stadt gehören. Ich könnte Tag und Nacht mit ihnen lachen und es wäre nichts Besonderes daran und wenn ich nur ein Drache wäre, würde ich nie dieses Bedürfnis nach der Nähe der Menschen spüren. Ich würde wahrscheinlich in diesem Moment in einer Berghöhle leben und es wäre mir genug. Aber ich passte und gehörte nicht in diese Welt, ich war allein.

Über meine Grübelei merkte ich zunächst gar nicht, dass sich ein neues Geräusch in die Sinfonie der Stadt gemischt hatte. Ganz in der Nähe hörte ich laute Stimmen und einen leisen, wimmernden Laut. Obwohl es so leise war, rührte es mein Herz. Ich hatte das Gefühl, dass ich es nicht ertragen könnte, wenn ich den Kummer dieses Wesens nicht augenblicklich mindern könnte.

Fragend drehte ich mich nach Orin um, aber der hatte sich bereits auf seinem Bett zusammengerollt und atmete ruhig und gleichmäßig.

Ein lautes Schluchzen löste nun das Wimmern ab und mich hielt nichts mehr untätig in der kleinen Kammer. Ich zwängte mich hastig durch das Fenster und schwang mich in den Abendhimmel.

Das Geräusch kam von einem nicht sehr weit entfernten Ort und so brauchte ich nur wenige Flügelschläge um den Ursprung zu finden.

Um das Gästehaus herum standen die Häuser der reichen Tuchhändler, prächtige und prunkvolle Villen, die den Wohlstand ihrer Besitzer zur Schau stellten. Alle waren sie aber im gleichen Stil erbaut worden. Stets gab es zur Straße hin den Laden- und Lagertrakt, der die Waren beherbergte, und dahinter lag immer ein Innenhof, der das Geschäftshaus vom Wohnhaus trennte.

Dieser Hof war besonders schön gestaltet. Es gab Blumenbeete, mit solch herrlichen Pflanzen, dass sie wohl auch für meine menschlichen Augen geleuchtet hätten. Einige kunstvoll beschnittene Bäume säumten die Beete und Wege, die sternförmig auf einen Brunnen zuführten, in dem ein Marmordrachen plätschernd Wasser spie.

Die Vollkommenheit des Gartens wurde nur durch die Menschen darin gestört, denn sie waren die Quelle der lauten Geräusche gewesen, die die Ruhe dieses Ortes störten. Drei Männer waren dort, zwei ältere in prachtvollen Roben und ein jüngerer in Arbeitskleidern.
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Der jüngere hielt mit seinen starken Armen eine zusammengesunkene Frau fest, in deren Aura heftige Lebensstöße pulsierten, die sie in halbherzigen Versuchen äußerte, sich aus den Klauen des jungen Mannes zu befreien.

Meine bisherigen Erfahrungen mit Frauen beschränkten sich auf die, die ich während meiner Reise gesehen hatte und die wenigen, mit denen ich bei Orins Geschäften in Kontakt gekommen war. Das Kloster war stets eine reine Männerwelt gewesen. Aber trotzdem wusste ich, dass ich eine junge Braut vor mir hatte. Vor ihrem Kampf mit den Männern war sie wahrscheinlich perfekt herausgeputzt gewesen. Ihre Robe, wenn auch jetzt verrutscht und zerknittert, war außerordentlich kostbar und betonte auch jetzt ihre zierliche Figur. Aus ihrem kunstvollen Haarknoten waren überall lange, schwarze Strähnen herausgerutscht und ihre weiße Schminke war durch ihre Tränen genauso verlaufen wie das Wangenrot, ihre Wimperntusche und sogar ihre roten Lippen.

„Hör endlich auf, dich zu wehren, du undankbares Geschöpf“, schrie der etwas jüngere der beiden älteren Männer.

„Aber ich will ihn nicht“, stieß die junge Frau hervor und rammte dabei ihren Arm gegen die Brust des jungen Mannes hinter ihr. Dicke Tränen rollten über ihr Gesicht.

Der aber lächelte nur böse und verstärkte seinen Griff um ihre Arme und verdrehte sie dabei so sehr, dass sie spitz aufschrie.

Der Schrei hallte in meinem Kopf wieder. Ich wollte nicht, dass jemand Angst vor mir bekam und mir war auch klar, dass mein öffentliches Auftreten in Balrob die Mönche wieder auf meine Spur bringen würde. Deswegen zögerte ich noch einzugreifen.

„Ich werde sie schon zu nehmen wissen, Hestron“, mischte sich nun der andere Alte ein. „Ich werde den Willen dieser Wildkatze schon brechen. Schließlich habe ich dafür reichlich gezahlt.“ Dabei ließ er ein beinah zahnloses Grinsen sehen, ging zu der jungen Frau hinüber und strich über ihr Gesicht.

„Ich werde dir die Eier abbeißen“, zischte die Frau, ihr Blick zeigte Ekel.

Das war zuviel für den, den der Zahnlose Hestron genannt hatte. Er schnellte nach vorne und ließ seine Hand klatschend auf die Wange des Mädchens fahren.
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Ihr Kopf wurde zur Seite geschleudert und noch bevor ich es sah, konnte ich den Geruch von Blut wahrnehmen, das nur Sekunden später aus ihrer Nase tropfte und dabei dunkle Flecken auf ihrem Gewand hinterließ.

„Du wirst tun, was ich dir befehle. Du hast keinen eigenen Willen zu haben“, spie der Mann hervor.

Es reichte mir. In Sekunden erlebte ich noch einmal die Momente als ich unter dem Bann der Drachenflöte gestanden hatte. Nie war er mir so wichtig gewesen einen eigenen Willen zu haben und nach diesem handeln zu können. Auch die Frau sollte gegen ihren Willen zu einer Sklavin werden, wie der Abt es mit mir vorgehabt hatte.

Brüllend stieß ich in den Hof nieder und spie dabei Feuer, so dass ich eine Schneise zwischen die Frau und die beiden Alten brach. Wütend fluchend prallten sie zurück und starrten mich dann mit weit aufgerissenen Augen an.

Schließlich landete ich genau in der Schneise und warf den drei Männern dabei durchdringende Blicke zu. Alle drei bebten vor Angst und der Geruch von frischem Urin lag in der Luft.

Der junge Mann hatte aber immer noch nicht die Frau losgelassen, obwohl ich es ihm zugute hielt, dass er es wahrscheinlich vor Schreck vergessen hatte.

„Lass sie los“, knurrte ich ihn an und ließ dabei ein wenig Rauch aus meinen Nüstern kommen.

Erst schien sie es gar nicht zu bemerken, dass sie nun frei war und ich fürchtete schon, sie würde wie eine fädenlose Marionette zusammensinken, aber nach kurzem Schwanken richtete sie sich doch auf und starrte mich beinah ungläubig an.

„Was willst du von meiner Tochter“, fragte Hestron ängstlich.

„Deine Tochter?“ schnaubte ich verächtlich. „Du behandelst sie wie eine Sklavin.“

„Ich will nur, dass sie einen anständigen Mann heiratet, der gut für sie sorgen kann.“

Heiraten? Nun verstand ich. Hestron wollte seine Tochter an den zahnlosen Alten verkaufen. Vermutlich ging es dabei um Geld oder ähnliche unwichtige Dinge. Wenn Drachen zueinander fanden, blieben sie es ihr ganzes Leben, weshalb sie immer nur einen Partner nahmen, der perfekt zu ihnen passte und den sie liebten. Niemals hätte es eine erzwungene Partnerschaft geben können.

„Ich glaube aber, dass sie das nicht will“, belehrte ich Hestron.
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„Was hat sie zu wollen? Sie gehört mir.“

Wieder kamen die Erinnerungen an den Einfluss der Drachenflöte in mir hoch.

„Willst du diesen Mann?“ fragte ich die Frau.

Immer noch fixierte sie mich mit ihrem Blick, schüttelte dann aber erst langsam und schließlich immer entschiedener ihren Kopf.

Ich wünschte mir, dass Drachen lächeln könnten, denn in diesem Moment hätte ich sie gerne angelächelt und sie damit ermutigt. Mit einem Streich meines Schwanzes beförderte ich die schwere Geldkatze ihres Vaters, die wahrscheinlich das gezahlte Brautgeld enthielt, vor ihre Füße.

„Nimm das“, forderte ich sie auf, „und lebe davon nach deinem Willen.“

Zögernd bückte sie sich, starrte erst den Geldbeutel, dann ihren Vater, ihren Bräutigam und schließlich noch einmal mich an.

„Geh!“

Ein verstohlenes Lächeln schlich sich in ihre Züge. Sie senkte den Kopf kurz und verbeugte sich vor mir.

„Danke, ehrwürdiger Drache“, sagte sie leise und ging dann mit gradem Rücken und erhobenem Haupt davon. Ich sah ihr nach bis sie aus dem Tor verschwunden war.

„Lasst euch das eine Lehre sein.“ Mit diesen Worten erhob ich mich in die Luft, zog einen Kreis über den Hof und streifte dabei drei der vielen Schornsteine mit meinem Schwanz. Die dicken Backsteine rutschten scheppernd das Dach hinab und blieben in einem großen, staubigen Haufen vor dem Tor liegen, sodass dieses blockiert wurde. Das würde die Männer daran hindern die Frau zu verfolgen.

Traurig bemerkte ich, dass auch ich sie nicht weiter würde beschützen können, denn sie war verschwunden.
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Punktestand der Geschichte:   392
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Kommentare zur Story:

  Ich hoffe, sie entschwindet nicht aus der Geschichte... ;0)
Wieder ein Kapitel, was mir sehr gut gefallen hat.

LG Dubliner Tinte  
   Pia Dublin  -  11.11.09 19:32

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Wirklich sehr gelungen. Weiter so.
L.G. Evi  
   Evi Apfel  -  01.11.09 21:45

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Obwohl es so scheint, dass Orion ein guter Freund des Drachenwesens ist, bin ich doch misstrauisch. Das liegt vor allem daran, dass du geschrieben hast: Es tat mir leid, welche Umstände ich ihm gemacht hatte und überlegte, wie ich es wieder gut machen konnte, als ich ein HÄMISCHES Grinsen um seinen Mund bemerkte.
Hämisch ist eigentlich hinterhältig oder ist das jetzt ein Versehen und dir ist nur nicht das richtige Wort eingefallen ?
Wie du es auch gemeint haben solltest, spannend ist deine Story auf alle Fällle und ich warte schon begierig auf die nächsten Teile.  
   Petra  -  01.11.09 12:31

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  Ja endlich kapitel 5! Supi ich danke dir!^^ Wann kommt das nächste :D
^^  
   Michael Drake  -  01.11.09 00:05

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  Der Drachentraum, die Freundschaft und dann diese junge Braut. Du hast Bilder, wie in einem großen fantastischen Film, vor meine Augen gezaubert. Einfach gelungen.  
   Jochen  -  31.10.09 22:39

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Dieses Kapitel war wieder sehr eindrucksvoll. Man konnte sich völlig mit dem Drachen identifizieren und die neun Seiten haben sich so leicht herunter gelesen, als wäre es nur eine gewesen. ´Was?`, habe ich gedacht. ´Schon Schluss?` Ein gutes Zeichen dafür, dass du den Leser mit deinem Text in Bann halten kannst. Wirklich Prima.  
   doska  -  31.10.09 21:55

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