Der Hüter des Drachen - Kapitel 1   356

Romane/Serien · Fantastisches

Von:    Robin van Lindenbergh      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 14. Oktober 2009
Bei Webstories eingestellt: 14. Oktober 2009
Anzahl gesehen: 2828
Seiten: 9

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   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Als ich merkte, dass ich leise vor mich hin pfiff, hätte ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Dies war ein würdiger Tag, einer der heiligsten, den wir im Kloster kannten, und ich pfiff ein fröhliches Lied, wie ich es so oft tat, wenn ich meine Küchenarbeit verrichtete oder die Böden im Refektorium wischte. Mit meinen 19 Jahren sollte ich es besser wissen.

Eilig bemühte ich mich wieder den nötigen Ernst in die Aufgabe zu legen, die Prior Prokon mir aufgetragen hatte. Die Opferschale musste genau richtig positioniert werden und dann der Schnitt über den Hals des verängstigten Huhns in einem einzigen Zug, sauber und ohne andere Teile des Tieres zu verletzen. Zäh und dunkel ergoss sich das Blut aus dem Hals des Huhns und traf zum größten Teil die Opferschale. Ich war froh, dass Prokon nicht sah, dass etwas davon auf den Boden spritzte. Auf keinen Fall durfte ich vergessen, mein Missgeschick aufzuwischen bevor Prokon, der Abt und der Auserwählte den Schlüpfraum betraten. Aber dafür blieb mir noch eine Stunde. Die Altbrüder versahen derzeit das Reinigungsritual mit Kyrill, das ihn auf die Vereinigung vorbereiten würde. Mir als Novizen war dabei die Anwesenheit untersagt. Aber deshalb hatte mich Prokon nicht ausgewählt für die Opferzeremonie. Mit blutigen Händen entfernte ich die Organe und die Federn des Huhns vor mir und wusste, dass mich diese Aufgabe bis zur nächsten Vollmondzeremonie zu einem Unreinen machen würde. Der Kontakt mit Blut, das nicht das eigene war, würde mich unwürdig machen auch nur mit den Brüdern im gleichen Raum zu essen. Deshalb hatte der Prior mich auserwählt. Aber wenn ich meine Arbeit gut machte, könnte ich sie in Zukunft öfter machen und würde trotz meiner niederen Geburt etwas in der Klosterhierarchie aufsteigen.

Ich kannte kein anderes Leben als das hinter den Mauern des Klosters. Der Abt hatte mir einmal erzählt, dass mich meine Eltern mit drei Jahren an die Brüder verkauft hatte, was nicht unüblich unter der armen Bevölkerung des Landes war, wenn es zu viele Mäuler zu stopfen gab. Im Kloster lebten derzeit fünf Kinder, die wie ich von den Brüdern erzogen wurden. Aber wie ich waren sie Besitz des Klosters und würden nie in die hohen Ränge aufsteigen können, wie es die gerufenen Brüder konnten. Ich war kaum mehr als ein Diener der Mönche, des Klosters und der Drachen.
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Seit zwei Jahren war ich Prior Prokon direkt unterstellt und damit für die Versorgung der Drachen zuständig. Es war der schönste Tag meines bisherigen Lebens gewesen, als mir Prokon gesagt hatte, dass ich von nun an für das leibliche Wohl der heiligen Wesen zu sorgen hatte, die im großen Tempel lebten. Schon als Kind hatte ich die Drachen gleichermaßen gefürchtet wie bewundert: ihre schlanken, kraftvollen Körper mit den großen Schwingen, ihre Mäuler mit den rasiermesserscharfen Zähnen und schließlich ihre Augen, in denen man das alte Wissen lesen konnte. Nur einmal hatte ich es gewagt, einem Drachen direkt in die Augen zu sehen und dabei das Gefühl gehabt, er könne in meiner Seele lesen und hätte erkannt, wie nichtswürdig ich war. Aber ich wusste auch, wie gefährlich die Drachen sein konnten. Zu oft hatte ich gesehen, wie sie sich mit ihren Hütern auf den hohen Wiesen oder in der Luft Scheingefechte austrugen. Sie übten für die Schlachten, in die der Göttliche Kaiser sie rief, um seine Feinde zu zerschmettern.

Neid auf Kyrill kam in mir hoch. Ich kannte ihn schon seit Jahren, denn er war beinah so alt wie ich, aber im Gegensatz zu mir, war er ein gerufener Bruder aus einer alten Familie, die dem Kaiserpalast sehr nah stand. Schon kurz nach seinem Eintritt ins Kloster hatte festgestanden, dass er heute Abend zum Hüter des schlüpfenden Drachen werden würde. Natürlich waren mir nicht alle Geheimnisse bekannt, aber ich wusste, dass sich Kyrill mit dem Drachen verbinden würde und ihm dadurch helfen würde im Sinne der Götter an der Seite des Gottkaisers zu kämpfen. Dabei hoffte ich still, dass Kyrill endlich seine Hochnäsigkeit ablegen würde. Viel zu oft hatte er mich schon gepiesackt, Wein auf einem frisch gescheuerten Boden ausgekippt, sodass Prokon mich für meine schlechte Arbeit wie so oft geohrfeigt hatte. Irgendwie kam mir Kyrill nicht heilig genug für einen Drachenhüter vor, aber das lag wahrscheinlich nur daran, dass ich nicht wissend genug war alles zu verstehen.

Endlich hatte ich das Opfertier zu Ende zerlegt. Es würde die erste Mahlzeit des schlüpfenden Drachens werden und musste daher rein sein. Soweit ich wusste, entschied dieses Blut über den Charakter des Drachen.
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Wenn ich einen Fehler gemacht hatte, würde der Drache später möglicherweise nicht leitbar werden, aber ich wusste, dass ich keinen gemacht hatte. Prokon hatte mir jeden Schritt der Opferung eingeprügelt und mich monatelang an Hühnern üben lassen bis ich die Handgriffe im Schlaf beherrschte. Befriedigt legte ich das Opfermesser an seinen Platz und wollte gerade den Raum verlassen um den Mob zu holen und das verschüttete Blut wegzuwischen, als mein Blick auf das Ei fiel.

Es stand auf einem Podest im hinteren Teil des Schlüpfraums, genau so aufgebaut, dass der letzte Sonnenstrahl des Tages es treffen würde. Das würde das Schlüpfen des Drachen einleiten. Es war etwas länglicher als ein Hühnerei und war so groß wie mein Oberkörper. Seine Schale hatte absolut nichts mit der eines gewöhnlichen Eis gemeinsam, denn sie schillerte und schimmerte in allen Farben, die es nur geben konnte. Dazu schien die Oberfläche in ständiger Bewegung zu sein und in Wirbeln und Strukturen dahin zu fließen.

Ich hätte meine rechte Hand dafür gegeben beim Schlüpfen dabei zu sein, aber das war selbst dem Abt verboten. Kyrill würde allein sein, wenn der Drache das Licht der Welt betrat, damit sich das Tier nicht aus Versehen auf jemand anderen prägte, der ihn nicht im Sinne der Götter leiten würde.

Der Anblick des Eis faszinierte mich und deshalb trat ich einen Schritt näher heran. Nur zu gerne hätte ich wenigstens das Ei einmal berührt, aber auch das dürfte nur Kyrill und besonders im Moment mit meinen blutigen, unreinen Händen war es völlig ausgeschlossen. Dennoch starrte ich weiterhin auf die schimmernde Schale und verlor mich in dem Anblick. Die Wirbel schienen mich mitzuziehen und meine Gedanken flossen in nie erlebte Welten. Mir war, als würde mein Kopf geleert und mein ganzes Selbst dabei davon gespült von den schillernden Farben der Eierschale.

Das Ei war so schön, so wunderschön – zerbrechlich und doch so fest wie die Welt selbst. Ich merkte, wie ich die Finger danach ausstreckte, war aber nicht Herr dieser Bewegung. Ich spürte bereits die Wärme des Eis.



Außerhalb meines Eis waren Geräusche, die ersten, die ich durch die Schale von der Welt wahrnahm. Ich hörte eine leise, pfeifende Melodie, die mir sehr gefiel.
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Leider verstummte sie aber schon nach kurzer Zeit wieder. Mir war klar, dass es nun bald Zeit für mich werden würde, die Sicherheit und Wärme des Eis zu verlassen und die Schale zu durchbrechen, denn ich war nun fertig. Wie ich wohl werden würde? Alle meine Urinstinkte hießen mich schon jetzt, nach Blut zu wittern. Die erste Mahlzeit eines Drachens war wichtig, denn sie bestimmte den zukünftigen Charakter, wie es keine spätere mehr tun würde. Ich wollte stark und mutig werden, vielleicht auch weise, aber vor allem gut. All das Wissen meiner Vorfahren, das in mir ruhte, flüsterte mir diese Wünsche ein.

Um mich herum war noch alles voller warmem Fruchtwasser, durch das ich die schimmernde Schale meines Eis sehen konnte. Fasziniert betrachtete ich die wirbelnden Farben, als ich kleine Veränderungen darin bemerkte. Die Schale reagierte auf die Anwesenheit eines anderen Lebewesens. Sein Dasein beruhigte mich, denn ich spürte, dass es mir freundlich gesinnt war. Vielleicht waren es meine Eltern, oder das Wesen, was sie für meine erst Mahlzeit auserwählt hatten. Wenn dem so war, würde ich es gerne annehmen. Mir gefiel, was ich von ihm spürte. Ein Bewusstsein drang in meine Welt ein und ich begann, mit ihm zu spielen.



„Okuon, du Nichtsnutz! Ich hoffe für dich, dass alles bereit ist. Noch fünfzehn Minuten!“, keifte es plötzlich vom Klosterhof her und Prokons Stimme holte mich wie eine Eimer kalten Wassers in die Wirklichkeit des Schlüpfraums zurück. Zum Glück hatte ich das Ei nicht berührt, das hätte meinen Tod bedeuten können. Mönche, die einen solchen Frevel begingen, wurden vom Rat der Alten hingerichtet.

Als wäre ich gerade erwacht, versuchte ich mich zu sammeln und stellte schnell fest, dass ich eine ganze Weile so vor dem Ei verharrt haben musste. Die Sonne stand schon knapp über dem Horizont und bald mussten die Brüder Kyrill herein geleiten und ihn auf die Vereinigung vorbereiten.

Eilig fuhr ich herum, hatte dabei aber mein Missgeschick mit dem Opferblut vergessen. Der Boden war glitschig, wo das Blut des Huhns auf den glatten Marmor gespritzt war und mein Fuß glitt aus wie auf Seife. Ich konnte nichts dagegen tun und versuchte mit rudernden Armen das Gleichgewicht zu halten, aber ich stürzte unaufhaltsam nach hinten.
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Ich glaubte, mein Kopf müsste zerspringen als mein Schädel gegen etwas Hartes prallte und ein Schmerzblitz zuckte durch meinen Kopf. Für einen Moment war ich völlig benommen, aber dann erkannte ich, was ich angerichtet hatte, denn das Podest mit dem Ei hatte meinen Sturz aufgefangen und über mir sah ich, dass es bedenklich hin und her schwankte. Die Welt bewegte sich in unendlicher Langsamkeit und ich erkannte mit erschreckender Klarheit, wie das Ei taumelte und schließlich zur Seite kippte.

In diesem Moment vergaß ich alle Regeln und Verbote. Ich dachte nicht daran, dass es ein Tabu war das Ei zu berühren, ich dachte nicht an das halb geronnene Hühnerblut an meinen Fingern. Blitzschnell fuhr ich herum und im allerletzten Moment bekam ich das Ei zu fassen bevor es auf dem Boden zerschellt wäre.



Ich spürte Bewegung um mich herum, die das ganze Ei durchschüttelte. Es kippte nach rechts und links und dann merkte ich nur noch, dass ich stürzte. Weil wir Drachen am liebsten auf den Gipfeln der Berge brüteten, kam es häufig vor, dass Eier von den hohen Brutplätzen fielen. Wenn dies kurz nach dem Legen passiert wäre, hätte es mein Ende als schleimige Masse bedeutet, aber nun wusste ich nicht, was mit mir geschehen würde. Sollte das Ei zu tief fallen, ich würde mir alle Knochen brechen und verenden.

Aber plötzlich wurde der Fall des Eis abrupt gebremst. Etwas, - nein – jemand hatte mich aufgefangen und ich spürte, dass es dasselbe Wesen war, das sich schon vorher meiner Schale genähert hatte. Durch seine Berührung spürte ich sein verängstigtes Bewusstsein noch einmal viel genauer.

Er hatte dafür gesorgt, dass das Ei nun endlich von den Strahlen der untergehenden Sonne getroffen wurde. Ich wusste, dass es nun Zeit für mich war zu schlüpfen.



So etwas hatte ich noch nie gespürt. Ich hatte das Gefühl gleichzeitig zu verbrennen und zu erfrieren. Die Oberfläche des Eis war weich wie Samt und hart wie Stahl und auch seine Farbe veränderte sich in der Sekunde des Kontakts dramatisch. Ich hatte nicht gemerkt, dass durch mein Missgeschick die Sonne auf die Schale getroffen war und nun bebte das ganze Ei. Die Farben wurden dunkler und die Oberfläche floss immer schneller dahin, wobei die Wirbel die Form meiner Finger nachfuhren.
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Es pulsierte und ich spürte, dass ich etwas Lebendiges in den Händen hielt. Panisch versuchte ich das Ei wieder an seinen Platz zu stellen und damit den Schaden wieder gut zu machen, aber meine Hände waren wie festgewachsen und an den Fingerspitzen in die Schale des Eis eingetaucht.

In diesem Moment bemerkte ich den ersten Riss und schob seine Existenz zunächst auf den Sturz. Es war noch zu früh für den Drachen zu schlüpfen, die Brüder und Kyrill waren noch nicht hier und die richtige Stunde war auch noch nicht gekommen. Aber mit Schrecken musste ich zusehen, wie der Riss länger wurde und sich schließlich von oben bis unten verästelt über das Ei zog. Grelles Licht schoss daraus hervor und strahlte durch meine Augen bis in mein Gehirn hinein. Weitere Risse entstanden und weitere Lichtstrahlen erleuchteten den düsteren Schlüpfraum.

In einer gewaltigen Explosion zerriss die Schale schließlich ganz und ich wurde durch den Raum geschleudert. Erneut prallte mein Kopf hart auf etwas auf, obwohl es dieses Mal die gegenüberliegende Wand war. Eine Statue der Göttin stand dort. Sie kippte zur Seite und blockierte die Tür des Schlüpfraums. So schnell würde niemand die schweren Metalltüren öffnen können.

Einen Moment lang drohte ich das Bewusstsein zu verlieren und kämpfte gegen den Schmerz an. Etwas Warmes, Feuchtes lief auf meiner Stirn herunter.



Ich war geboren. Endlich!

Unsanft stürzte ich auf die Welt zu, landete hart auf kaltem Steinboden und musste mich erst hochrappeln. Meine ersten Bewegungen waren noch ungelenk. Zwar wusste ich, was ich tun musste, aber mein Körper war noch nicht geübt in den Dingen, für die er gemacht worden war. Ich machte ein paar tapsige Schritte und spürte die letzten Sonnenstrahlen, die meinen Geburtsschleim trockneten und meinen ersten Wachstumsschub auslösten. Genüsslich streckte ich meine Knochen und bemerkte in diesem Moment den Menschen, der zusammengesunken an der Wand saß. Er war es gewesen, der mein Bewusstsein berührt hatte. Neugierig ging ich auf ihn zu, denn aus dem alten Wissen wusste ich zwar, was Menschen waren, aber trotzdem war er das erste Wesen, das ich je sah. Seine Haut war so bleich, aber ich sah, dass er lebte und ich roch es vor allem, denn in diesem Moment stieg mir ein süßer Geruch in die Nase, der Duft frischen Blutes – meines ersten Blutes! Endlich würde sich mein Selbst fertig ausbilden.
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Meine Instinkte trieben mich auf den Menschen zu, obwohl ich wusste, dass noch nie zuvor ein Drache das Blut eines Menschen genommen hatte. Ich konnte mich nicht bremsen und bevor ich mich versah, hatte ich das rote Blut geleckt, das von seiner Schläfe lief.

Der Geschmack war seltsam, aber in mir breitete sich ein warmes Gefühl aus, als ich das Blut des Menschen verschluckte. Es drang in mich ein und durchflutete mich. Seltsam, aber es fühlte sich richtig an.



Etwas Raues berührte mein Gesicht und fuhr beinah zärtlich darüber bis an meinen Haaransatz. Es war ein seltsames Gefühl, dass mich wieder zu vollem Bewusstsein brachte. Mein Kopf pochte und mein Blick war noch ganz vernebelt, aber dann riss ich erschrocken die Augen auf. Vor mir stand ein Drache, der mich aus schwarzen Augen betrachtete. Er war beinah so groß wie ein Pferd und konnte deshalb unmöglich in das Ei gepasst haben, aber ich erkannte, dass sein Körper immer noch feucht vom Schleim seiner Geburt war und sich die Flügel noch nicht entfaltet hatten. Wie Fächer lagen sie auf seinem Rücken und bedeckten dort seinen Kamm. Auf den ersten Blick war seine Haut von dunkelstem Grün, aber auch verschiedene andere Töne leuchteten darin. So nah war ich einem Drachen noch nie gewesen und in diesem Moment überlagerte die Angst vollständig die Faszination. Ich wollte schreien, aber ich konnte es nicht.

Genüsslich leckte der Drache mit seiner langen, gespaltenen Zunge mein Blut von seinen Lefzen und sah dabei sehr zufrieden aus. Ich wusste, dass Drachen Fleisch fraßen und jagten, aber ich hatte nie zuvor Angst gehabt, dass einer von ihnen mich fressen würde.

„Soll dieses Blut meinen Charakter formen, mir Stärke und Weisheit geben“, erklärte der Drache und seine Stimme klang seltsam jung und alt zur selben Zeit.

Mit Schrecken verstand ich, was geschehen war. Ach, hätte er mich in diesem Moment doch gefressen, denn er hatte mein Blut als sein Blutopfer genommen. Der Abt würde toben und Prokon dafür sorgen, dass ich zu Tode gepeitscht werden würde.

„Du… du solltest doch das Hühnerblut nehmen“, stotterte ich panisch und wies auf den Opfertisch, aber da war kein Huhn mehr.
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Die umfallende Statue hatte die Schalen umgeworfen und ihren rotbraunen Inhalt über den Boden verteilt.



„Es ist auch noch nie vorgekommen, dass wir Menschenblut nahmen. Es fühlt sich seltsam an“, versuchte ich dem Menschen zu erklären. Wie vorgesehen merkte ich, dass das Blut mir Charakter gab, aber irgendetwas stimmt nicht. Ich empfand plötzlich eine tiefe Unfairness in dem, was ich getan hatte. Einem denkenden Wesen ohne sein Einverständnis das Blut zu nehmen war nicht Recht. Es gab also nur eine Lösung.

„Ich glaube, dafür musst nun auch du mein Blut nehmen“, entschied ich.



„Dein… Blut?“ Ich verstand nichts mehr und beinah alles in mir schrie danach, nach den Altbrüdern zu rufen, damit sie mir sagten, was ich nun tun sollte, aber eine kleine, leise Stimme ließ mich verstummen und weiter nur den Drachen anstarren, der in diesem Moment mit seiner scharfen Daumenkralle über die schillernden Schuppen seines linken Beins fuhr. Zurück blieb ein breiter Kratzer, aus dem augenblicklich zähes, goldenes Blut hervorquoll.

„Nimm mein Blut wie ich deins nahm“, forderte der Drache und hielt mir sein Bein hin.

„Nein, ich… ich kann das nicht“, flüsterte ich, meiner Stimme vor Angst und Aufregung beinah beraubt. Ich konnte nichts tun als das Rinnsal goldenen Blutes anzustarren und ohne dass ich es verhindern konnte, beugte ich mich nach vorne. Meine Lippen berührten die warme Haut des Drachen und beinah gierig sog ich das Blut ein. Sein metallischer Geschmack lag kurz auf meiner Zunge und dann spürte ich, wie es meine Kehle herunter floss und mich dabei ganz erfüllte. Ich hatte Gedanken in meinem Kopf, die nicht meine zu sein schienen und doch meine waren. Aller Schmerz war aus meinem Körper gewichen und ich fühlte mich leicht und merkte, dass ich schwebte.



Die Welt wurde anders, als der Mensch mein Blut genommen hatte. Ich war seinem Bewusstsein plötzlich so nah, dass ich beinah seine Gedanken hören konnte und ich wusste, dass er auch meine wahrnahm. Es waren verwirrte und verwirrende Gedanken und ich verspürte Angst, ohne zu wissen, ob es meine oder seine Angst war.

Ohne meine Flügel auszubreiten, schwebte ich plötzlich in die Luft.
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Meine Tatzen berührten den Boden nicht mehr und ich fühlte mich seltsam unwirklich und unvollständig.



Etwas stimmte nicht mit meinen Augen, denn für mich wirkte der Drache plötzlich durchscheinend. Mit dem Schlüpfraum war alles wie immer, aber als ich auf meine Hände sah, waren auch sie beinah unwirklich, so transparent als wäre ich nur noch halb da. Höher und höher schwebten wir und dabei kamen der Drache und ich uns immer näher. Ich spürte, wie ich seine schuppige Haut berührte und merkte plötzlich, dass es meine Haut war.



Ich berührte die zarte Haut des Menschen und spürte, dass ich mich berührte.



Ich wusste plötzlich nicht mehr, wo meine Gedanken anfingen und die des Drachen aufhörten. Meine Gedanken waren nicht mehr mein.



Ich wusste plötzlich nicht mehr, wo meine Gedanken anfingen und die des Menschen aufhörten. Meine Gedanken waren nicht mehr mein.



Und plötzlich waren da gar keine Gedanken und Empfindungen mehr.
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Punktestand der Geschichte:   356
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Kommentare zur Story:

  Ich find Drachen sowie so cool. Ich mag solche Geschichten, ich bin auch gespannt darauf was als nächstes kommt. Grüner Punkt. xD  
   Michael Drake  -  17.10.09 21:48

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Sehr gut geschrieben. Wann kommt das nächste Kapitel?  
   Else08  -  17.10.09 21:21

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Wunderschöner Schreibstil. Tolles Kapitel. Da will man natürlich so schnell wie möglich wissen, wie es mit diesem Drachmenschgemisch weitergeht, hehe.  
   doska  -  16.10.09 20:30

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Spannend und rätselhaft. Ist dir gut gelungen.  
   Jochen  -  15.10.09 15:21

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  Klasse Anfang. Toller Einfall, die Begebenheiten aus zweierlei Sicht zu beschreiben. Schöner Schreibstil. Man wird richtig neugierig, auf das , was du nun als nächstes schreiben wirst.  
   Petra  -  15.10.09 14:32

   Zustimmungen: 0     Zustimmen

  eine sehr gute idee, die geschichte so zu erzählen.
grün grün grün und bitte schnell den nächsten teil einstellen!!! Liebe Grüße Dubliner Tinte  
   Pia Dublin  -  14.10.09 22:07

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Unbekannt" zu "Violett"

schöö :-)

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