Spannendes · Kurzgeschichten

Von:    Daniel Freedom      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 10. November 2008
Bei Webstories eingestellt: 10. November 2008
Anzahl gesehen: 2807
Seiten: 6

Langsam ging Ben die dunkle Straße entlang. Es regnete und der nur schwach beleuchtete Weg führte ihn direkt zu seiner verdienten Strafe.



Der verdammte Regen ließ und ließ einfach nicht nach. Ben fing an zu frieren. Warum hatte Tom ihn nur an diesen gottverlassenen Ort bestellt und so geheimnisvoll getan?

Um ihn herum waren nur verfallene Bauten zu sehen. Zum größten Teil alte Firmen, die allesamt, seit scheinbar ewigen Zeiten geschlossen waren.

Die Beleuchtung wurde auch immer schlechter und bald würde er hier im Dunkeln rumtappen. Er wartete jetzt schon über zwanzig Minuten auf Tom. Er hatte so langsam keinen Bock mehr darauf, hier herumzulaufen und sich bei dem miesen Wetter den Tod zu holen.



Er war kurz davor wieder zurück zu gehen, als er eine Bewegung wahrnahm. Er blieb stehen und sah sich um. Aber er konnte nichts erkennen in der Dunkelheit. Der Regen lief ihm schon in die Augen, so dass er ständig blinzeln musste. Außer seinem eigenen Atem war kein Ton zu hören. Kein Auto, keine Menschenseele, kein Lärm. Nur der stetige Regen begleitete ihn in dieser Nacht. Er drehte sich einmal langsam im Kreis, aber nichts regte sich. Und doch, da war etwas gewesen, das hatte er sich nicht eingebildet.



„Tom, bist du hier?“, rief er zögerlich. Aber die Ruinen um ihn herum gaben keine Antwort. Dann lauter: „Tom, du Idiot. Was soll der ganze Scheiß? Ich werd jetzt abhauen, fahr nach Hause und leg mich ins Bett.“

Niemand gab ihm eine Antwort und langsam aber sicher hatte er ein verdammt schlechtes Gefühl bei der Sache. Irgendjemand wollte ihn ganz gewaltig verarschen.



Er kramte sein Handy aus der Jackentasche und sah sich jetzt ängstlich um. Doch er sah nur die verfallenden Gebäude, vereinzelte Dreckhaufen und das Spiegeln des dürftigen Lichtes in den Wasserpfützen, die ständig größer wurden.

„Das ist deine letzte Chance Tom“, sagte er zu sich selbst und wählte. Es klingelte und klingelte und schließlich ging die Mailbox an.

Doch etwas war ihm seltsam vorgekommen. Er drückte die Wahlwiederholung. Nur dieses Mal hielt er sich das Handy nicht ans Ohr, sondern ließ es in seiner Hand nach unten hängen.

Und tatsächlich da war etwas.
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Er hörte ganz leise einen Klingelton, der im leichten Nieseln des Regens fast untergegangen war. Dann war es wieder still. Noch einmal Wahlwiederholung. Dem schwachen Ton folgend, bewegte er sich langsam von der Straße weg, auf eine der verfallenden Firmen zu.

Er sah sich wieder um. Vor ihm das zweistöckige Gebäude. Ein alter Betonbau mit einem großen Tor und weiter rechts auch ein kleines Fenster und eine Eingangstür. Der Schriftzug über der Tür war nicht mehr zu erkennen. Nur noch ein paar verwitterte Farbreste waren übrig geblieben. Er ging langsam auf die Tür zu. Eine alte Stahltür, vor Jahren war sie wohl mal grün gewesen, aber davon war so gut wie nichts mehr zu erkennen. Er stieß sie mit dem Fuß an und sie gab ein wenig nach. Nach kurzem Zögern drückte er mit beiden Händen, und mit einem ekelhaften, die Stille durchschneidenden Quietschen, schwang sie nach Innen.



Ben blieb stehen und lauschte. Was sollte er tun? Seine Gedanken überschlugen sich. Einfach gehen? Aber, wenn Tom etwas passiert war? Die Polizei rufen und dann erklären müssen, dass ein Freund sich einen dummen Spaß erlaubt hatte? Das war nicht weit hergeholt, denn die beiden hatten ständig solche Streiche und noch viel schlimmere gemacht. Aber das war lange her. Sie hatten auch richtig Geld damit verdient und sich damals versprochen, niemals untereinander so einen Quatsch zu machen. Das war nicht nur ein Versprechen gewesen, sondern auch ein gewisser Schutz, um sich nicht selbst lächerlich zu machen.



Nein, es musste Tom etwas passiert sein. „Polizei oder den Helden spielen?“, fragte er sich in Gedanken und einige Sekunden später stand er in den dunklen Eingeweiden des Gebäudes.



Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Vor ihm lag ein fast leerer Raum. Durch die Tür und das schon lange zerstörte Fenster drang ein wenig Licht. Er konnte die Mauern erkennen, von denen zum größten Teil der Putz schon abgebröckelt war. Es gab keine Möbel oder sonstige Einrichtungsgegenstände mehr. Nur eine alte Matratze in der rechten Ecke, auf der es sich vor langer Zeit wohl mal ein Stadtstreicher gemütlich gemacht hatte, und links von ihm eine weitere Tür. Er stand wohl in einem ehemaligen Büro und diese Tür führte wahrscheinlich in ein Lager, eine Werkstatt oder so was.
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Sein Daumen drückte auf die grüne Taste des Handys. Dieses Mal konnte er das Klingeln klar und deutlich hören. Als die Stille wieder zurück war, ging er auf die Tür zu. Er legte langsam seine Hand auf die Türklinke, drückte und vor ihm öffnete sich ein Durchgang zur Dunkelheit. Es war stockfinster und er konnte überhaupt nichts erkennen.



Er brauchte ein Licht. Ihm fiel ihm sein Schlüsselbund ein. Daran war eine kleine Taschenlampe befestigt, damit man im Dunkeln das Schlüsselloch besser fand. Er zog ihn aus der Hosentasche. Heute hatte dieses Lämpchen ihren ersten Einsatz.



Der dünne Strahl der Leuchte kämpfte sich ihren Weg durch die Dunkelheit. Vor ihm lag ein weiterer, leerer Raum, so weit er das mit seiner kleinen Leuchte erkennen konnte. Links von ihm das große, verrostete Tor, das er schon von draußen gesehen hatte. Direkt vor ihm war eine kleine Stahltreppe, mit demselben braunen Farbton und drei Stufen, die nach unten führten.

Er leuchtete nach unten, nahm die erste und zweite Stufe und als er den Strahl wieder nach vorne richtete und seinen Fuß auf die dritte setzte, gab sie nach. Er kippte nach vorn und als er sich an dem kleinen Geländer festhalten wollte, knickte auch das unter seinem Gewicht zur Seite. Er fiel dem Geländer folgend nach rechts. Es war kein schlimmer Sturz aber die blöde Taschenlampe hatte er verloren und die Dunkelheit hatte ihn eingeschlossen, wie in einem Sarg.

Auf allen Vieren kroch er umher und suchte nach diesem dummen Ding. Aber dann gab er es auf und richtete sich langsam auf. An seinen Händen spürte er den Dreck, uralten Staub und wer weiß was noch alles.



Keuchend und mit rasenden Herzen stand er in dieser Finsternis. Es blieb ihm nur noch das Handy. Es war zwar keine Taschenlampe, aber das Display war sehr hell und in dieser Dunkelheit würde es genug Licht spenden, um vorsichtig weiter gehen zu können. Zum Glück hatte er das nicht auch noch verloren. Wieder drückte er die Taste und ein paar Sekunden später fuhr er vor Schreck zusammen.



Das Klingeln erklang direkt neben ihm. Langsam drehte er sich zur Seite, die rechte Hand mit dem Mobiltelefon vor sich haltend.
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Da war etwas auf dem Boden. Ein schwarzes Knäuel.

„Oh, mein Gott …“, kam es über seine Lippen. „Tom, Tom, nein …“

Ben ging in die Hocke und da lag Tom und gab kein Lebenszeichen von sich. Er schüttelte den leblosen Körper aber nichts geschah. Er konnte kaum etwas erkennen und als er Toms Arm nahm, um den Puls zu spüren, fasste er in eine klebrige Substanz und zuckte zurück. Er fuhr mit dem Handy ganz dicht über Toms Körper und sah das Blut, nicht nur an seinen Armen, sondern auch an seiner Kehle. Er sprang zurück, fiel auf den Rücken, versuchte sich das Blut und den Dreck von den Händen zu reiben und in diesem Moment erlosch das Handy.



Die Dunkelheit hielt ihn wieder mit ihren schwarzen Klauen gefangen. „Hilfe, Hilfe, bitte hilf mir doch jemand!“, schrie er der Dunkelheit entgegen und nahm nicht einmal wahr, dass er weinte. Wer hatte das getan? Das musste ein hässlicher Alptraum sein. Es durfte nicht war sein. Tom. Er durfte nicht tot sein.

Ben versuchte sich zu beruhigen. Er musste hier so schnell wie möglich raus. Vielleicht war dieser Killer immer noch da und wartete schon auf sein nächstes Opfer. Ben suchte die Tür und wischte sich gedankenverloren die Tränen aus dem Gesicht. Sie musste irgendwo hinter ihm sein, die Tür zurück in das längst nicht mehr existierende Büro. Und er sah sie. Nicht die Tür aber den helleren Umriss der Tür. Langsam, die Hände vor sich ausstreckend, ging er darauf zu und stemmte sich keuchend und vor Angst schwitzend das kleine Podest hoch.



Als er wieder in den kleineren Raum taumelte, blendete ihn ein greller Lichtstrahl. Er zog schützend die Hände vors Gesicht und schrie auf. „Bitte helfen Sie mir. Jemand hat meinen Freund getötet. Hallo hören Sie? Bitte jemand muss mir helfen.“, rief er verzweifelt.



„Warum sollte Ihnen jemand helfen?“, gab die Gestalt vor ihm Antwort. Er konnte immer noch nichts erkennen, da dieser jemand ihm weiterhin den Strahl der Taschenlampe mitten ins Gesicht hielt, aber die Antwort riss in noch dichter an den Rand der Panik.

Es musste der Killer sein. „Wer …, wer sind Sie?“, fragte Ben voller Angst.

„Ich bin das Gewissen, das du nie hattest. Ich bin dein Richter und dein Henker.
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Ich habe Gericht über euch beide gehalten und bin zu dem Schluss gekommen, dass ihr beide sterben müsst.“

„Oh mein Gott, nein. Wir haben doch nichts getan, wofür man sterben muss. Bitte lassen Sie uns reden.“, versuchte er sein Gegenüber zu beruhigen und Zeit zu schinden.

„Es gibt nichts zu reden und nichts zu verhandeln. Heute wird nur das Urteil vollstreckt. Ihr habt beide hunderte von Menschen erschreckt, vor aller Augen gedemütigt und der Lächerlichkeit preisgegeben.“

„Aber das war doch nur eine Fernsehsendung. Nichts Ernstes. Es sollte doch alles nur ein Spaß sein. Wir haben niemanden getötet oder verletzt.“

„Sei still! Hunderte habt ihr verletzt, sie gekränkt und vor tausenden von Menschen erniedrigt.“

Klar, Toms und seine Sendung, hatte so gut wie nur aus Späßen auf andere Leute Kosten bestanden. Aber dafür brachte man doch keinen um. Gut am Schluss, als Ihnen die Ideen ausgingen, waren auch ein paar haarsträubende Sachen dabei. Aber dafür getötet zu werden. Dieser Kerl war total wahnsinnig.

„Hören Sie. Wir wollten niemanden verletzen und es waren bestimmt ein paar Sachen unter der Gürtellinie dabei. Aber genau aus dem Grund haben wir auch aufgehört.“

Doch der Killer ließ nicht mit sich diskutieren und ließ ihm keine Zeit, seine Gedanken zu ordnen.

„Ihr hättet gar nicht damit anfangen sollen! Vorher mussten noch viele leiden und manche haben sich heute noch nicht von dem Schrecken erholt. Ihr habt sogar Hunde sterben lassen.“

„Ja, aber doch nur zum Schein. Sie waren nicht wirklich tot. Nur präpariert“, schrie er den Verrückten an.

„Und was glaubst du, haben die Besitzer durchgemacht? Viele von ihnen haben noch immer Alpträume. Haben Angst und trauen sich nicht mehr nach draußen vor Scham.“

„Aber das ist doch kein Grund jemanden zu töten. Mein Gott, Sie haben Tom getötet, ihn aufgeschlitzt…“, doch weiter kam er nicht mehr.



Der Lichtstrahl wich endlich zur Seite und verschonte seine geschundenen Augen, aus denen wieder die Tränen rannen. Dann sah er das Messer in der Hand des Mannes. Am Rande nahm er wahr, dass der Typ vor ihm Lederklamotten und einen Helm trug. Aber er hatte nur Augen für das riesige Messer und versuchte einen Schritt zurück zu machen.
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Doch es ging nicht. Er war wie gelähmt vor Angst und würde jeden Augenblick in Panik verfallen, oder anfangen hysterisch zu schreien.

„Bitte, wir können doch ...“, stammelte er, doch er wusste, das hier war kein Spaß, sondern die Realität und er würde sterben.

Ben schrie, als der Verrückte mit dem Messer ausholte und es ihm mit aller Wucht in die Brust rammte.



Von der Kraft des Stoßes fiel er nach hinten und alles um ihn herum versank im Schwarz des Todes.



Jemand rüttelte an Ben. Erst langsam, dann immer heftiger. Als er die Augen öffnete, sah er Toms Gesicht vor sich. „Tom, aber du bist doch tot.“

„Nein, er hat mich nur betäubt.“

„Was? Warum leben wir, was …“ Ben rappelte sich auf. Es war auf einmal hell. Jemand hatte zwei große Strahler aufgestellt.

„Wir sind ganz schön reingelegt worden“, sagte Tom und drückte ihm einen Brief in seine zitternde Hand mit den Worten: „Das hier hat uns der Scheißkerl hinterlassen.“



Ihr kennt mich nicht und werdet mich auch nie kennen lernen. Ihr wisst nicht einmal, wie viele Menschen ihr verletzt habt und in welchem Maße ihr ihnen geschadet habt. Ihr habt nie einen Gedanken daran verschwendet, was ihr anrichtet. Es war euch egal. Aber jetzt seid ihr die Gedemütigten, die Dummen und diese Nacht wird euch noch lange verfolgen.



Das alles sollte kein böser Scherz sein. Es war eine Bestrafung!



Und es war so leicht euch dran zu kriegen und manchmal spielte ich mit dem Gedanken euch wirklich zu töten.

Ein Anruf genügte, um euch herzulocken. Ein wenig Vorbereitung, den geeigneten Platz zu finden und schon hatte ich euch. Tom habe ich nur betäubt und dann ein wenig hergerichtet. Aber ihr wisst ja beide gut genug, wie man solche Sachen macht.

Und es war so schön euch zu beobachten in der Dunkelheit. Ich habe wundervolle Aufnahmen mit der Nachtkamera gemacht.

Was ich getan hätte, wenn Ben nicht rein gekommen wäre? Ich hätte ihn einfach mit Toms Handy angerufen und ihn schon dazu gebracht.

Ich denke, ihr habt eure Lektion gelernt und werdet nicht zur Polizei gehen.
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Wenn doch, habe ich einen hübschen Film und den werde ich dann verkaufen oder vielleicht einfach ins Internet stellen. Ich glaube, es würden sich viele Menschen freuen, euch so zu sehen.



Euer Gewissen
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Kommentare zur Story:

  der Schluss hätte auch ein wenig gemeiner sein können! Grün - Grüße Dublin ;0))  
anonym  -  12.11.08 14:12

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