Die tieftraurige Fabel des Halbwissens   5

Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Peter Keulertz      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 27. Januar 2007
Bei Webstories eingestellt: 27. Januar 2007
Anzahl gesehen: 2340
Seiten: 2

Ich war ein guter Witze-Erzähler. Ein Clown. Ich war lustig. Das Problem war, dass ich nur lustig war. Ich war nicht groß, nicht stark, nicht redegewandt, nicht schlau und nicht sexy. Ich war Pippo, der Clown. Und ich war verrückt. Ich schluckte diese blauen Tabletten mit den lustigen Comicfiguren drauf und abends kaute ich meist auf einem Stück Seil um meinen Appettit zu stillen.

Mein Name ist Jim. Jim Knopf. Nein, nicht der schwarze Junge aus der Augsburger Puppenkiste. Ich bin weiß, ein ganz normaler Kerl aus deiner Nachbarschaft und arbeite als Straßenfeger bei der Stadt. Die Stadt heißt Bad Schpenzerheim, ein verschlafenes Nest am Arsch des Universums. Oder sollte ich sagen am Ende. Na egal, jedenfalls veränderte der 7. Dezember mein und das Leben aller Menschen. Warum? Ich erzähls mal:



Wir waren abends noch weg. In einer Kneipe. Mal wieder richtig saufen. Wir, das waren ich und meine Freunde Mitch und Murphy. Beide waren genau wie ich. Unscheinbar. Normal. Langweilig.

In einer Welt, in einem Leben, in das der gesellschaftliche Druck immer mehr überhand gewinnt, der Zwang so zu leben, dass man erfolgreich ist, dass man überlebt. So waren wir. Und dann gingen wir saufen um wenigstens ab und zu ein bisschen Abwechslung zu haben. Tja, nur scheiße, dass dieser Abend nicht so ganz gewöhnlich verlief. Es fing damit an, dass Mitch den Krug Whisky so derbe auf den Tisch stellte, dass ein beträchtlicher Teil der Grütze auf den Tisch schwappte. „Huch“. Das war mal ein Schock für uns alle. Jeder im Raum wusste, dass Tische aus Holz waren. Jeder wusste, dass Holz nicht glatt war so wie Stahl oder ein Joghurtbecher. Und so war es auch diesmal. Der Krug zerbarst durch die heftige Reibung in tausend kristallene Glassplitter, der verdutzt dreinschauende Mitch war mit einem Satz auf den Beinen, und dann sah ich, was ich nie vergessen werde. Murphy, dieser bärtige Wicht, lachte und gluckste und lachte den Wirt aus. Der arme Mann hatte einen sehr hochroten Hut auf dem Kopf und war total groß, ein riesiger Mann! Ich schluckte hart und dachte an den Frühling mit seinen Blumen und den kleinen Bienen. Denn was nicht jeder wusste ist, dass der Wirt vor genau 22 Monden sein leckerstes Bierrezept an das unabhängige Bienenvolk verkauft hatte und dafür den Whiskykrug von dem Bienenkönig bekam. Der Wirt hieß damals noch Thomas und konnte durch das ganz ganz schnelle Aufsagen von Schüttelreimen mit den Bienen kommunizieren.
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Schüttelreime schnell aufsagen um mit Bienen zu reden ist natürlich ausgemachter Schwachsinn, aber die Bienen ließen Thomas in seinem Irrglauben und lachten und machten sich über ihn lustig, wenn er abwesend war. Aber zurück zu dem Whiskybecher, der nun Thomas gehörte: Dieser Whiskybecher war ziemlich stylisch, wenn ihr versteht was ich meine, er hatte so eine eitle Art und war richtig schnöselig. Whiskybecher können natürlich nichts dafür, das weiß jeder. Nun, dieser Whiskybecher aber war anders, Böse bis ins Blut. Und als nun der andere Krug mit Whisky zerbarst, sprang der schnöselige Whiskybecher auf und schrie „Aus dem Weg! Obacht!“ und lief zur Tür hinaus, weil der Schmerz über den Verlust seines Kollegens ihn schier verzweifeln ließ. Whiskybecher können zwar nicht laufen, aber dieser hatte ein Bein und ein Holzbein aus der Sesamstraße. (Tiffy hatte dem Becher eins ausgeliehen) Ich stand unter Schock - Schnurrbart. Das kam mir in den Sinn. Ein Schnurrbart wäre eine feine Sache.

Mitch schrie aus Leibeskräften eine schnelle Melodie und schnurrte wie ein frisch geölter Hydraulikkompressor vor und ergriff den Whiskyebecher am Schlawittchen. „Du ausgemachter Halunke!!!“ Was dann geschah ließ mich vor Entsetzen am ganzen Körper zittern. Der Whiskybecher verzog sein Gesicht (wenn Whiskybecher sowas haben) zu einem Grinsen und verwandelte sich wie es mir schien in Zeitlupe in eine unförmige Gestalt. Und dann wurder er langsam zu einem prächtigen, blitzeblanken Bienenkönig. Donnerwetter! Mit einem tosendem Geräusch, das an das Öffnen eines zugefrorenen Kühlschranks erinnerte, zog der vor Wut tosende König seinen Hut und stolzierte hoch erhobenen Hauptes durch die Massen ins Nichts.
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Punktestand der Geschichte:   5
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Kommentare zur Story:

  Wenn man die ganze Geschichte mal von der gesellschaftskritischen Seite betrachtet, kann man nur sagen: Alle Achtung!
Vielleicht ist sie ein bischen zu revolutionär und viele Leser könnten unter Umständen einfach noch nicht bereit für sie sein, aber gerade das zeigt uns die visionäre, zukunftsorientierte Persönlichkeit des Autors.
Ich warte auf ein weiteres Wek des Meisters...  
Sohnemann Rolf  -  20.04.07 09:44

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

  Unfassbar komisch, die Geschichte. Man beachte die zahlreichen Stilmittel und das gesellschaftskritische Moment. Göttlich!  
Der Germanist  -  31.01.07 20:34

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

  jo das haut mich um.. wer auch immer das geschriben hat aus dir wird mal was ganz grosses.. lustich:)  
hump de bump  -  31.01.07 19:56

   Zustimmungen: 5     Zustimmen

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Interessante Kommentare

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