Nachdenkliches · Kurzgeschichten

Von:    Homo Faber      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 28. März 2006
Bei Webstories eingestellt: 28. März 2006
Anzahl gesehen: 2340
Seiten: 2

Meistens sah ich ihn im Park, den Mann mit der dunklen Brille und dem Lächeln im Gesicht. Ich wusste nicht viel von ihm, außer dass er blind war, aber er schien trotzdem glücklich.

Eines Tages, als ich im Park saß und nachdachte, setzte er sich plötzlich neben mich. „Ist das heut ein herrlicher Tag“, sagte er dann. Ich war überrascht, dass er mit mir sprach, er konnte mich doch gar nicht sehen und somit gar nicht wissen, dass ich dort auch saß. Aber vielleicht hatte er ja meinen Atem gehört, dachte ich dann. Blinde sollen ja besser hören können als Menschen, die sehen können. „Ja, ein sehr schöner Tag“, sagte ich. „Wie die Sonne strahlt, einfach nur herrlich“, sagte er dann, während er seinen Kopf nach hinten legte. Wahrscheinlich konnte er noch hell und dunkel unterscheiden, dachte ich. Aber was hatte er davon, wenn die Sonne schien, er sah sie doch sowieso nicht. „Sie gucken so erstaunt“, meint er dann zu mir. Das tat ich wirklich und in diesem Moment noch mehr. „Ja, aber woher wissen Sie das, Sie sind doch…“, ich stockte, ich wollte es nicht aussprechen. „Blind?“, fragte er. „Blinder als ein Fisch sogar“, beantwortete er selbst die Frage. „Aber ich würde, wenn ich sehen könnte auch erstaunt gucken, wenn mir ein Blinder so etwas erzählen würde“, sagte er dann. Da mussten wir beide lachen. „Sind Sie von Geburt an blind“, fragte ich. „Nein, ich wurde es in meiner Kindheit, es war ein Unfall.“ „Das tut mir leid“, sagte ich. „Oh, das muss es nicht. Um ehrlich zu sein, ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern. Ich habe in der Zwischenzeit gelernt mit dem Herz zu sehen, wenn Sie das können, brauchen Sie Ihre Augen nicht mehr“, erklärte er. „Ich verstehe, was Sie meinen“, sagte ich. Ich verstand es wirklich. Und ich bewunderte ihn. Er war so voller Lebensfreude. Aber ich wollte niemals mit ihm tauschen. „Nun, ich muss zugeben, dass ich niemals damit klarkommen würde. Ich müsste auf so viele Dinge verzichten. Wenn ich daran denke, dass ich nie das Gesicht eines Menschen erblicken könnte, nie Auto fahren könnte, keine Sonnenuntergänge beobachten könnte… Außerdem sehe ich mir gern Städte an, es gibt so viel schöne Städte, auf all das könnte ich nicht verzichten“, erzählte ich. „Das müssen Sie ja glücklicherweise nicht“, sprach der Mann.
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„Oh, es gibt gleich Regen, ich werde mich mal auf den Weg nach Hause machen, bevor ich nass werde“, sagte er dann. Ich sah noch oben, er hatte vielleicht Recht, der Himmel war wirklich bewölkt. So verabschiedeten wir uns. Ich sah ihm hinterher. Er bewegte sich so sicher fort, es war gar nicht zu merken, dass er blind war.

Nach ein paar Minuten fing es tatsächlich an zu regnen. Es war wirklich ein bemerkenswerter Mann, meine Gedanken beschäftigten sich noch den ganzen Tag mit ihm. Danach sah ich ihn nicht mehr. Nach ein paar Tagen las ich in der Zeitung, dass sich ein Blinder umgebracht hatte. Ein Foto von ihm war dabei. Es war der Blinde aus dem Park. Gewissensbisse begannen mich zu plagen. Hatte ich ihn umgebracht, weil ich ihm vielleicht unbewusst die Augen geöffnet hatte?
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Punktestand der Geschichte:   35
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Kommentare zur Story:

  Grundsätzlich sollte man das gesprochene Wort vom übrigen Text trennen und stets in einer neuen Zeile beginnen. Das schafft eine bessere Struktur des Textes.
Die letzten beiden Sätze würde ich weglassen, sie stören - meiner Meinung nach - nur den Inhalt der Geschichte und erklären nichts.
Ansonsten gefällt mir die Geschichte recht gut.
Grüße vom Minotaurus.  
Minotaurus  -  31.03.06 00:07

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  Danke für die weiteren kommentare. Ich kann somit wirklich dazu lernen, sowohl was meine innere einstellung betrifft als auch, was meine texte betrifft.  
HomoFaber  -  30.03.06 17:53

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  eine nachdenklich stimmende geschichte. wie oft ist ein sehender blinder als ein blinder. und dieser aspekt: dir schien, er sei glücklich. und doch hat er sich umgebracht. warum? das wissen wir nicht. wir sehen nur, nichts ist, wie es scheint.
stilistisch könntest du etwas an der geschichte feilen. du benutzt zu oft - sagte er dann, meinter er dann - hintereinander. auch einige absätze könntest du einfügen, damit das ganze etwas übersichtlicher wird.
die geschichte aber gefällt mir sehr gut.
lg
rosmarin  
rosmarin  -  30.03.06 15:40

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  Das betrifft nicht nur Dich. Wir sollten uns alle etwas Mühe geben, nicht nur das Oberflächliche, sondern auch die Hintergründe zu sehen.
Laß Dich von Deiner "Schreibblockade" nicht unterkriegen. Das haben wir alle manchmal.
Vielleicht muß nur etwas "reifen"
LG
Christa  
CC Huber  -  30.03.06 14:37

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  Da hast du recht. Ob ich es richtig kann, weiß ich nicht, aber ich geb mir mühe.  
HomoFaber  -  30.03.06 14:07

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  Ich denke, es würde, könnte Niemand tauschen. Wenn man ehrlich zu sich selbst ist.
Auch wenn man Augenlicht hat, kann man dennoch auch mit dem Herzen sehen. lg Sabine  
Sabine Müller  -  30.03.06 12:53

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  Hallo,

danke für eure kommentare und bewertungen.
@christa: ich will nicht bestreiten, dass meine augen oft geschlossen sind und der blinde mehr gesehen hat als ich. Aber dennoch könnte ich niemals mit ihm tauschen.  
HomoFaber  -  30.03.06 11:57

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  Hallo, die Geschichte gefällt mir sehr gut. Irgendwie wirkt sie, wie einige deiner Geschichten so real, als ob es wirklich passiert ist. Du hast die Gedanken und Aussagen des blinden Mannes so gut wiedergegeben, das macht viel aus. Das Ende regt zum Nachdenken an, Christas Kommentar auch, lg Sabine  
Sabine Müller  -  29.03.06 11:45

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  Ich glaube nicht, daß Du ihm die Augen geöffnet hast. Leider sind auch Deine noch zu. "Man sieht nur mit dem Herzen gut", diesen Spruch habe ich schon irgendwann gelesen und in diesem Satz liegt die einzige Wahrheit Deiner Geschichte. Er hat so viel mehr gesehen wie Du. Seine Blindheit war ganz bestimmt nicht der Grund seines Gehens.
Ein bißchen mehr Gliederung würde der Geschichte gut tun.
LG
Christa  
CC Huber  -  29.03.06 10:42

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