Direkt aus der Hölle Teil 6   211

Romane/Serien · Schauriges

Von:    Aves      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 13. April 2005
Bei Webstories eingestellt: 13. April 2005
Anzahl gesehen: 2420
Seiten: 17

Diese Story ist Teil einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

   Teil einer Reihe


Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Ein grosser Kerl mit breitem Nacken und starren, leblosen Augen trat hinein und sah sich einen Moment beinahe überrascht um.

Benji kannte ihn vom Sehen her. Der Typ war Bauer auf einem Hof etwas ausserhalb von Schlatt. Benji meinte, sich erinnern zu können, dass er Walter Möckli hiess.

Eisigkalt fegte so etwas wie ein Wind durch das Kirchenschiff und auf einmal waren alle Kreuze, die aufgestellt waren, umgedreht.

Der Besessene erblickte die fünf Menschen und seine Züge verzerrten sich zu einem grausigen Lächeln.

„Ihr bringt gutes Blut für den Meister.“, sagte er mit hohler, hallender Stimme. „Er wird sehr erfreut sein!“

Hinter ihm kamen nun vier weitere ehemalige Menschen hinein. Alle hatten diese starren Blicke und Hass auf alles Lebendige lag in ihren Blicken.

Wie Zombies aus einem schlechten Film, schoss es Benji durch den Kopf. Was alles nur noch schwieriger machte, war die Tatsache, dass die Besessenen früher einmal Menschen aus dem Dorf gewesen waren, einige sogar Bekannte von Benji.

„Geht zurück!“, rief Fischer mit lauter Stimme. „In nomine patris! “

Tatsächlich wich Möckli rasch einen Schritt zurück.

„Ich liebte stets die herausfordernde Jagd.“, meinte er dann und rannte auf sie zu.

Fischer holte aus und hieb ihm mit aller Kraft die Harke in die Seite. Das Weihwasser auf dem Eisen der Harke verwandelte Möcklis offene Wunde sofort in ein rauchendes, stinkendes Loch.

Der Mann kreischte laut auf und ging zu Boden. Desi streute ihm reflexartig Salz in die Augen, so dass er schreiend die Hände auf das Gesicht presste.

Ein zweiter Harkenschlag von Pfarrer Fischer beendete seinem untoten Dasein ein Ende.

„Ruhe in Frieden.“, keuchte der Pfarrer. „Ich werde mich nie von dieser Sünde befreien können!“

Doch für weitere Gedanken in diese Richtung war keine Zeit. Die übrigen Besessenen, nun waren es noch sechs an der Zahl, verteilten sich und versuchten, die Gruppe zu umzingeln.

„Stellt euch mit dem Rücken zum Taufstein!“, rief Fischer. „Sie dürfen uns nicht umzingeln!“

Benji fühlte sich halb krank vor Angst. Er wollte nicht hier sterben! Nicht nach all dem, was er schon durchgemacht hatte! Wieder fielen ihm die zahlreichen Filme ein, die er gesehen hatte.
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Die Helden, auch wenn sie hoffnungslos unterlegen waren, kämpften mit unerschütterlichem Mut. Es ging stets um Ehre und Treue und solchen Blödsinn. Benji wär seine Ehre so egal gewesen, wenn er dafür jetzt zu Hause in seinem Bett hätte liegen können. Er wäre seinetwegen auch nackt mit einem Mofa durch Schlatt gefahren, wenn es hätte sein müssen.

Einer der Besessenen, eine ältere Frau, sprang fauchend vor. Benji hieb mit dem Spaten nach ihr, doch die Alte war erstaunlich flink.

Sie wich dem Schlag aus und durchbrach Benjis Deckung. Mit einem Schrei riss sie ihn um und er knallte schmerzhaft auf den Steinboden.

Fauliger Atem und eisige Kälte schlug ihm entgegen, als die Besessene seine Arme am Boden festnagelte und sich ihre Zähne seiner Kehle näherten.

„Nein!“, schrie er und zappelte wie wild. Doch die Besessene besass Bärenkräfte und er fühlte, wie ihn die Erschöpfung zu übermannen drohte.

Dann verwandelte sich der Kopf der Untoten auf einmal in ein blutiges Durcheinander. Die Schaufel hatte ihr den Schädel beinahe ganz durch gespalten.

Hastig stiess er den erschlafften Körper von sich und rappelte sich angeekelt auf. Der Körper der Alten verschwand genau wie der von Vanessa und der Möcklis.

„Danke.“, keuchte Benji und sein Vater nickte ihm zu. In seinen Augen sah Benji dasselbe Grauen, das jeden von ihnen erfasst hatte.

Der Tod der Alten schien der einzige Erfolg zu sein, den die Menschen verbuchen konnten. Fischer wehrte sich, mit dem Rücken zum Podium, verzweifelt gegen die Angriffe von zwei Untoten. Desi fuchtelte wie wild mit dem Kreuz vor einem der Besessenen rum und dieser versuchte immer wieder, es ihr aus der Hand zu schlagen.

Am schlimmsten hatte es Hanna erwischt. Sie lag neben dem Taufstein und hatte eine blutige Schramme an der Stirn. Ein Untoter beugte sich gerade zähnebleckend über sie.

Benji hob hastig den Spaten auf und rannte zu ihr. Mit einem feuchten Schmatzen drang das geweihte Eisen tief in den Kopf des Untoten ein.

Knochen krachten und schwarzes Blut spritzte Benji ins Gesicht. Der arme Mann schrie und auf und sank dann über Hanna zusammen.

Sofort verging sein Körper. Benji half Hanna auf die Beine.
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Beinahe wäre ihm das zum Verhängnis geworden, denn ein weiterer Besessener stürzte sich auf ihn. Er wich hastig zur Seite aus und der Mann stolperte, vom eigenen Schwung getrieben, gegen den Taufstein.

Er wollte sich abstützen, langte jedoch mit der Hand in das geweihte Wasser.

Schrill kreischte er auf, während sein Arm anfing zu verdampfen, als hätte jemand Säure darüber geschüttet. Blanke Knochen zeigten sich durch die zerfetzte Haut hindurch.

Benji hieb ihm mit aller Kraft den Spaten in den Rücken und hörte, wie die Knochen brachen.

Der Schrei erstarb sofort, anscheinend hatte der Spatenschlag das Rückgrad des Mannes zertrümmert.

Zuckend lag er am Boden, bis Benji ihn mit einem weiteren Schlag erlöste.

In diesem Moment fühlte er nichts, doch er wusste, später würden ihn die Erinnerungen an das eben getane immer wieder verfolgen.

„Benji! Hilf mir!“, rief Thomas Roth. Er hatte die Schaufel verloren und rang nun mit blossen Händen mit einem Untoten. Benji war klar, dass sein Vater nur verlieren konnte.

„Hanna!“, rief er, als ihm urplötzlich eine Idee kam. „Gib mir den Thunder, schnell!“

Ein Geistesblitz, schoss es Benji durch den Kopf und er kicherte wie irr. Ja, ein Blitz, aber der Donner würde auch noch kommen.

Noch völlig benommen reichte ihm Hanna den Feuerwerkskörper. Rasch fingerte Benji sein Feuerzeug aus der Hosentasche und zündete den Thunder an.

Hoffentlich funktionierte er noch…

Er warf den Feuerwerkskörper in den Taufstein mit dem Weihwasser und hielt sich die Ohren zu.

Dann gab es einen gedämpften Knall, als der Thunder unter Wasser explodierte. Zum Glück war die kurze Zündschnur schon bis ins Innere abgebrannt gewesen, als der Thunder in das Weihwasser gefallen war.

Das Wasser spritzte nach allen Seiten und die kleine Explosion hinterliess einen hässlichen Fleck im Innern des Taufsteines.

Doch Benjis Plan ging auf.

In einem Umkreis von gut drei Metern regnete es feine Tröpfchen des Weihwassers und die Wirkung zeigte sich sofort.

Die Besessenen schrieen gequält auf, als das heilige Wasser ihre untote Haut versengte.

Rasch hatte Benji mit seinem Spaten dem Mann, der seinen Vater angegriffen hatte, eine klaffende Wunde in den Hals geschlagen.
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Er kippte röchelnd um und verging dann.

Die übrigen drei Besessenen hielten sich unnatürlich hoch kreischend die versengten Stellen und Fischer, Benji und Thomas Roth hatten leichtes Spiel mit ihnen.

Keuchend standen sie dann da und starrten sich an, als wüssten sie nicht, was gerade passiert war.

Einzig der Brandfleck im Taufstein und der feuchte Boden zeugten vom eben gewonnen Kampf. Und ihre Wunden.

„Das war eine verdammt gute Idee.“, lobte Roth seinen Sohn und klopfte ihm auf die Schulter. „Du hast uns alle gerettet.“

Fischer stiess seufzend die Luft aus.

„Das wird mich mein Leben lang belasten.“, sagte er mit belegter Stimme. „Ich habe in einer Nacht drei Menschen getötet.“

„Nein, Sie haben sie erlöst.“, sagte Desi. Das Mädchen hatte Tränen in den Augen, was bei dem eben Erlebten kaum ein Wunder war.

„Wenn wir sie nicht getötet hätten, müssten sie auf ewig unter der Herrschaft Azraels leiden.“, sagte sie weiter. „Wir haben das Richtige getan.“

„Wer weiss schon, was das Richtige ist?“, sagte Fischer resigniert.

„Qualen… teilen… Meister…“, keuchte es von der Tür. Alle fuhren herum und sahen, wie drei der Schemen ins Innere der Kirche glitten. Hinter ihnen folgten weitere.

„Wer sind denn die?“, fragte Benjis Vater mit hoher Stimme. „Mein Gott, in was für einen Albtraum bin ich hier geraten?“

„Los, alle raus hier!“, rief Fischer und packte Desi am Arm. „Gegen die haben wir keine Chance! Schnell, raus!“

Sie rannten durch das Kirchenschiff zum hinteren Ausgang. Fischer öffnete die Tür und sprang als erster hinaus.

Die Schemen folgten ihnen und der vorderste hätte beinahe Hanna erwischt, die als letzte zur Tür hinaus rannte.

Fischer schlug die Tür zu, doch er bezweifelte, dass das die Schemen aufhalten würde.

„Wohin?“, rief Benji und sah sich gehetzt um. Sie standen im dunklen Hof hinter der Kirche. Links erstreckte sich ein kleiner Garten, der an den Friedhof grenzte. Rechts ging es auf den Platz vor der Kirche, von wo die Angreifer gekommen waren.
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„Nach rechts!“, rief Fischer und spurtete los „Kommt, damit werden sie kaum rechnen!“

Die anderen folgten ihm hastig und sahen gerade noch, wie der letzte der Schatten im Inneren der Kirche verschwand.

„Zum Menzihaus!“, rief Fischer und schlug den Weg dahin ein, der sie die Hauptstrasse entlang führte. „Ich weiss, es ist nur ein kleiner Strohhalm, aber vielleicht verschwindet Azrael, wenn wir das Pentagramm vernichten!“

Benji wollte keine Einwände erheben. Dafür war er viel zu erschöpft und fühlte sich viel zu ausgelaugt.

Er rannte keuchend hinter dem Pfarrer her und fragte sich verzweifelt, wie lange er das noch aushalten würde.

Sie kamen schliesslich total ausgelaugt bei dem baufälligen Haus an. Es lag, genau wie die anderen Gebäude, dunkel und unheimlich vor ihnen.

„Wir brauchen zwei Wachen.“, stellte der Pfarrer keuchend fest und bewies eine erstaunliche Geistesgegenwart. „Und womöglich müssen diese dann erzählen, was passiert ist. Keine Ahnung, ob wir da lebend rauskommen.“

Niemand erhob Einwände gegen Fischers Plan, da sowieso kein anderer vorhanden war.

„Ich bleibe draussen.“, sagte Hanna schliesslich leise. „Ich gehe nicht noch einmal in diesen Albtraum.“

Die anderen nickten.

„Wer noch?“, fragte Fischer und sah sich um.

„Dad, du bist verletzt.“, stellte Benji fest und schaute auf die Schulter seines Vaters. Eine blutige Wunde erstreckte sich über das Schulterblatt.

„Ich lasse dich nicht alleine!“, entrüstete sich Thomas Roth. „Wenn du rein gehst, geh ich ebenfalls rein.“

„Meine Güte, entscheidet euch!“, fuhr Fischer sie an. „Sonst holen uns die Schatten ein, bevor wir etwas tun können!“

Die übrigen sahen sich unentschlossen an.

„Ich bleibe.“, sagte Desi schliesslich. Einerseits fürchtete sie sich panisch vor dem dunklen Menzihaus, und andererseits wollte sie mit aller Macht verhindern, dass Benji erneut mit dieser Schlange Hanna alleine war.

Fischer nickte und reichte Desi die Harke.

„Hier.“, sagte er. „Wenn etwas passiert, ruft sofort. Oder kommt rein.“

Desi nickte beklommen und fasste den Stil der Harke fester.

„Also, los geht’s.
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“, sagte Fischer und trat in die vollkommene Dunkelheit des Menzihauses.

Thomas Roth und Benji folgten ihm. Am Eingang drehte sich Benji noch einmal um und wollte etwas sagen, schluckte jedoch nur leer und verschwand dann ebenfalls in der Finsternis.

Fischer benutzte Desis Handy als Taschenlampe und langsam arbeiteten sich die drei durch den dunklen Flur weiter.

Unheilsverkündend gähnte ihnen die Türöffnung zum Salon entgegen, als sie näher kamen.

„Egal was passiert.“, flüsterte Fischer. „Bleibt dicht zusammen und lasst euch auf keinen Fall in die Ecke treiben. Wir müssen irgendwie das Pentagramm vernichten.“

Benji nickte, bis er merkte, dass ihn in der Dunkelheit keiner sehen konnte.

„Die Schaufel.“, wisperte der Pfarrer. „Wenn ich schon als erstes da rein gehe, will ich nicht waffenlos sein.“

Thomas reichte sie ihm und mit einem schnellen Satz sprang Fischer um die Ecke ins Innere des Salons.

Hastig leuchtete er mit dem schwachen Licht des Handys den Raum ab, doch dieser war leer. Grausig starrte Sandros Leiche sie aus weit offenen Augen an.

Thomas keuchte erschrocken auf, als der Lichtstrahl über den Toten glitt.

„Und wie machen wir nun das Pentagramm weg?“, sprach Benji schliesslich die Frage aus, die ihnen am meisten Kopfschmerzen bereiteten.

„Keine Ahnung.“, sagte Fischer leise und schritt auf das rote Pentagramm zu. „Hanna sagte mir, es sei aus Kreide gemacht, vielleicht können wir es wegkratzen oder so.“

„Versuchen wir’s.“, sagte Benji. „Dad, behalt du die Tür im Auge, ja?“

Roth nickte und stellte sich, wieder mit der Schaufel bewaffnet, neben die Tür.

Fischer kniete sich nieder und legte das Handy so hin, dass das notwendigste beleuchtet war.

Dann kratzte er probeweise mit Benjis Spaten über das Pentagramm.

„Und?“, fragte Benji, der im trüben Licht nicht genug sehen konnte. „Geht es weg?“

Die fast vollkommene Dunkelheit und die unheimliche Stille zerrten arg an seinen Nerven.

„Es…“, fing Fischer an, doch ein schriller Schrei liess ihn sofort hochschnellen.

„Desi!“, rief Benji. „Hanna! Sie sind in Gefahr!“

Er wollte zur Tür stürzen, doch sein Vater hielt ihn zurück.
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„Ich gehe.“, sagte er. „Macht ihr das Pentagramm weg.“

Benji zögerte einen Augenblick, dann nickte er.

„Pass bloss auf dich auf!“, sagte er, doch sein Vater war bereits im Flur verschwunden.

Beklommen wandte sich Benji wieder dem Pfarrer zu, der ihn mit resignierter Miene ansah.

„Es geht nicht weg.“, sagte er leise.



Desi drückte sich an die Wand und schaute panisch zu, wie die riesige Gestalt Xaphans Hanna mit einem wuchtigen Schlag zur Seite schleuderte.

Die Harke flog in hohem Bogen davon und Hanna landete unsanft auf der Strasse.

Benommen blieb sie liegen.

„Wo ist Benjamin?“, donnerte Xaphan und verzerrte sein Maul zu einer grässlichen Fratze. „Antworte, und du wirst vielleicht mit deinem lächerlichen Leben davonkommen!“

Hanna antwortete nicht, da sie gerade in eine gnädige Ohnmacht fiel.

Grollend wandte sich der Dämon Desi zu und nagelte sie mit seinem feurigen Blick an der Wand fest.

„Wo?“, fragte er.

„Nicht hier!“, rief jemand neben Desi.

Thomas Roth war aus dem dunklen Flur getreten und hob angriffsbereit die Harke.

„Der Vater.“, seufzte Xaphan gelangweilt. „Nun gut, auf einen mehr oder weniger kommt es auch nicht drauf an.“

Roth hielt seinem vernichtenden Blick stand, obwohl er am ganzen Körper zitterte.

„Du kriegst Benji nicht.“, sagte er leise. „Niemals kommst du an mir vorbei.“

Xaphan lachte sein unheimliches Lachen und eisige Schauer überliefen Desi und Thomas.

Dann verwandelte sich der Dämon langsam zurück in seine menschliche Gestalt.

Die rot glühenden Augen behielt er bei.

„Sag deinem Sohn in der Hölle, dass ich ihm ebenfalls noch etwas schulde.“, sagte er dann leise. „Hier, fang!“

Als der Sammler den Arm hob, sprang Roth reflexartig zur Seite, doch es war bereits zu spät.

Mit der Wucht einer Gewehrkugel erfasste ihn die provisorische Lanze an der Brust und trat hinten wieder aus.

Von dem Aufprall wurde Roth gegen die Wand des Menzihauses geworfen, wo sich der Speerspitze tief in das Holz eines Balkens bohrte.

Für einen Moment starrte Roth beinahe überrascht auf die faustgrosse Wunde in seinem Oberkörper, dann erschlaffte er.
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„Nein!“, schrie Benji, den es nicht mehr im Haus gehalten hatte, als er Xaphans Lachen gehört hatte.

Schluchzend warf er sich neben seinen Vater, der immer noch an der Wand fest hing.

„Bitte nicht!“, stiess Benji zwischen zwei Schluchzern hervor. „Nein, bitte nicht!“

„Deine Schuld.“, sagte der Sammler kalt. „Hättest du dich nicht geweigert, lebte er jetzt noch.“

Benji stand zitternd auf und fixierte Xaphan mit hasserfülltem Blick. Noch nie hatte er einen derartigen Hass verspürt.

Langsam ging er auf ihn zu und hob den Spaten.

Xaphan lachte dröhnend und hob gespielt entsetzt die Arme.

„Bitte tu mir nichts.“, lachte er. Fauchend liess er eine Stichflamme aus dem Boden fahren, doch Benji reagierte nicht.

Mit einem Schrei sprang er auf Xaphan und liess den Spaten durch die Luft sausen.

Xaphans Hand fing ihn mühelos ab.

Entsetzt starrte Benji auf die roten Augen des Dämons, als sich dieser wieder zu verwandeln begann.

Gleich darauf war Xaphan wieder das grauhäutige, drei Meter grosse Ungeheuer. Mühelos entriss er Benji den Spaten und schleuderte ihn weg.

„Du machst es einem wirklich schwer.“, zischte der Dämon. „Es wird Zeit, dass das hier beendet wird.“

Er riss das Maul auf und brüllte markerschütternd. Benji stürzte zu Boden und wollte weg kriechen, doch Xaphan packte ihn am Pullover und hob ihn mühelos in die Höhe.

„Eine allerletzte Chance.“, flüsterte Xaphan in Benjis Ohr. „Ich gebe das Leben deines Vaters zurück, wenn du mir endlich schenkst was mir zusteht. Weisst du, ich achtete dich als Feind. Du warst der einzige, der mir wirklich die Stirn geboten hat. Nun, was meinst du?“

Halb ohnmächtig vor Schmerz und Erschöpfung schüttelte Benji den Kopf.

„Dann stirb!“, brüllte Xaphan und holte mit der anderen Pranke aus.

In diesem Moment knallte es und etwas schlug im Kopf des Dämons ein.

Sein rechtes Auge verwandelte sich in Sekundenbruchteilen von einem lodernden Feuer zu einem faustgrossen, blutigen Loch.

Xaphan kreischte auf und liess Benji fallen.
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Benji sah durch einen Schleier von Tränen, wie Xaphans Kopf anfing zu rauchen und schwarzes, dickflüssiges Blut spritzte zu Boden.

Schreiend stolperte Xaphan rückwärts.

Wieder krachte es und diesmal traf den Dämon etwas an der Brust.

Sogleich fing auch dieses Loch an zu dampfen und Xaphans Schreien steigerte sich ins unheimlich Schrille.

„Komm, weg von ihm.“, sagte eine Stimme über Benji und dann wurde er hoch gezerrt. Pfarrer Fischer schleppte ihn zum Eingang des Menzihauses, liess ihn zu Boden gleiten und hob dann wieder schussbereit seine Pistole.

„Die lag im Innern des Hauses.“, sagte er, als er Desis fragenden Blick bemerkte.

Xaphan hatte sich wieder einigermassen gefangen und starrte sie aus seinem verbliebenen Auge hasserfüllt an.

„Weihwasser!“, keuchte er und schüttelte sich, als wollte er so die Schmerzen loswerden. „Doch noch habt ihr mich nicht besiegt.“

Fischer zielte mit der Pistole auf den Kopf des Dämons, doch dieser sprang rasch zu der leblos am Boden liegenden Hanna und hob sie hoch.

„Du würdest sie treffen.“, sagte er mit seiner grausigen Stimme und schrumpfte wieder zur menschlichen Gestalt. „Das willst du doch nicht, oder?“

Fischer erstarrte sofort. Benommen sah Benji, wie Xaphan im Begriff war, einen weiteren Menschen, der ihm viel bedeutete, umzubringen.

„Komm her, Benjamin.“, befahl Xaphan. „Oder sie stirbt auch noch.“

Zitternd stand Benji auf. Er wusste nicht mehr ein noch aus. Vielleicht würde er ja dies alles beenden können, wenn er sich dem Sammler ergab.

„Benji, nicht!“, rief Desi, doch er hörte nicht. Schritt um Schritt ging er wankend auf den Dämon zu, der gehässig grinste.

In seiner menschlichen Gestalt sahen die beiden Schusswunden noch grauenhafter aus.

Abrupt blieb Benji stehen. Sein Blick wanderte hinter den Dämon. Irgendetwas war dort. Es war pechschwarz hinter Xaphan, viel dunkler als es Benji irgendwie für möglich gehalten hatte.

„Was ist?“, fragte der Sammler verärgert. „Komm her, oder sie stirbt!“

„Nein, sie gehört mir.“, antwortete jemand aus der Dunkelheit. Überrascht drehten sich alle in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
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Im flackernden Licht des immer noch brennenden Feuers sahen sie eine dunkle, grosse Gestalt auf sie zukommen.

„Wer ist…“, fragte Desi verwirrt, doch dann wurde es ihr schlagartig klar. „Azrael!“

Wo Xaphan ein Dämon des Feuers war, erschütternd durch seine hünenhafte Gestalt und seine Hitze, dort war Azrael die Personifizierung des eiskalten Bösen.

Er strahlte eine immense Kälte und Pechschwärze ab und sein Äusseres tat das übrige dazu.

Der Erzdämon steckte noch immer im Körper des jungen Andi, doch hatte er sich so grundlegend verändert wie nur irgendwie möglich.

Seine Augen unter dem Schatte der Kapuze glommen rot, doch war es nicht ein heisses Feuer wie das von Xaphan, sondern ein dunkleres, ruhigeres und sehr viel furchteinflössenderes Rot.

Seine Hände waren vollends zu Pranken geworden und um seinen Körper, der noch immer in den satanischen Klamotten Andreas’ steckte, hatte er zwei pechschwarze Flügel gewickelt.

„Verschwinde!“, donnerte Xaphan. „Diese niederen Kreaturen gehören mir!“

Azrael fixierte den anderen Dämon mit seinem glühenden Blick und lachte leise.

„Asraël sum.“, sagte er mit dunkler Stimme. „Angelus morti sum. Alles hier gehört mir alleine. Gehe wieder dahin woher du stammst, Chafaen, erbärmlicher Wurm.“

Xaphan wich keinen Schritt, schleuderte jedoch die bewusstlose Hanna davon und ballte die Fäuste.

„Viel zu lange schon spielst du dich als Herrscher auf.“, zischte er dem Erzdämon zu. „Es wird Zeit, dass dich erneut jemand zu Fall bringt!“

Azrael lachte wieder sein dunkles Lachen.

„Du forderst mich heraus, Feuerwesen?“, fragte er und streckte die Flügel aus. Sofort hüllte ihn pechschwarzes Dunkel ein.

„Nun denn, ich nehme deine ‚Herausforderung’ an.“, sagte er dann. „Und ich verspreche dir, es wird mir eine Freude sein, dich wieder in die Hölle zu schicken.“

Benji starrte wie angewurzelt auf die höllische Szenerie, die sich nun abspielte.

Xaphan verwandelte sich wieder in seine wahre Gestalt zurück, doch da hatte ihn Azrael bereits angesprungen.
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In einem grossen Bogen flogen die beiden Dämonen über die bewusstlose Hanna hinweg und krachten gegen eine Strassenlaterne, die knirschend umknickte.

Azrael hieb mit seiner Faust ein grosses Loch in Xaphans Brust und dieser schrie gequält auf.

„Narr!“, donnerte Azrael und holte erneut aus.

In diesem Moment stiess Xaphan Azrael von sich und sprang auf die Beine. Er verlor keine Sekunde und streckte die rechte Hand aus.

Brüllend schossen Stichflammen aus dem Nichts hervor und hüllten den Blutengel ein.

Für einen Augenblick sah es so aus, als würde die Feuersbrunst den Erzdämonen vernichten, doch dann schlug Azrael mit den Flügeln und die Flammen erloschen so schnell wie sie gekommen waren.

„Glaube nicht, du könntest mich besiegen.“, sagte er leise und kam lässig näher an Xaphan heran. „Niemand besiegt Azrael.“

Die Menschen starrten wie angewurzelt auf den höllischen Kampf.

Benji war bis zu Hanna getorkelt und hatte sich neben sie gekniet.

Xaphan liess seiner Wut in einer brüllenden Flamme freien Lauf, doch Azrael wich beiläufig aus und stürmte dann erneut auf den Sammler zu.

Er riss ihn zu Boden und beide schlitterten eine kurze Strecke auf der Strasse hinab.

„Du bist noch nicht auf der Höhe deiner Macht!“, rief Xaphan und stiess Azrael wieder von sich. „Du bist schwach!“

Azrael sprang vier Meter zurück, als Xaphan mit den Klauen nach ihm hieb.

„Komm her.“, lockte der Blutengel. „Komm und hol mich.“

Trotz der Situation, dass Azrael anscheinend noch nicht vollkommen bei Kräften war, sahen Fischer, Desi und Benji, dass der Feuerdämon nur verlieren konnte.

Sie wussten alle, dass, egal wer der Sieger war, sie sowieso am Ende waren, doch sie konnten nicht weglaufen.

Zu faszinierend war das Schauspiel, bei dem sich die Kräfte der Hölle miteinander massen. Zu infernalisch der Kampf.

Immer wieder griff Azrael an, fügte Xaphan Wunden zu und tänzelte dann gekonnt ausser Reichweite.

Die Feuerlanzen des Sammlers vergingen in Azraels totaler Dunkelheit.

„Gib es auf, Chafaen.“, sagte Azrael dann. „Und ich lasse dich mit dieser neuen Chance am Leben.
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„Leben gibt es für mich schon lange nicht mehr!“, fauchte Xaphan. „Doch ich will meine gerechte Rache!“

„Dieses Menschendorf gehört mit all seinen Bewohnern mir.“, stellte Azrael fest. „Such dir eine andere Bleibe.“

„Gib mir den Jungen!“, schrie Xaphan und stürzte sich erneut auf den Blutdämon. Beide überschlugen sich in diesem infernalischen Ringkampf, doch wieder konnte sich Azrael befreien und ging einige Schritte rückwärts.

„Ich sagte, mit all seinen Bewohnern.“, grollte Azrael und streckte die Hand aus.

Entsetzt sahen die Menschen, wie der von Xaphans Glut erhellte Strassenabschnitt und Schauplatz des unglaublichen Kampfes sich langsam mit Gestalten füllte.

Bewohner aus Schlatt, mit leeren Augen und deformierten Gesichtern.

„Du Falschspieler!“, schrie Xaphan und seine dämonische Stimme überschlug sich vor Hass, doch Azrael lachte nur hämisch.

„Was erwartest du denn von mir?“, fragte er. „Ich bin der Blutengel, Satans Diener. Denkst du wirklich, ich spiele fair?“

Benji sah entsetzt, wie eine besessene Frau nur einen halben Meter an ihm und Hanna vorbei ging, doch sie reagierte nicht auf die beiden.

Sowieso waren die Menschen zu Zuschauern degradiert worden, ohne Chance auf Eingreifung oder gar Entkommen.

Xaphan blickte sich wütend um und hieb um sich. Die besessenen Menschen kamen immer näher.

„Gib auf.“, bot ihm Azrael eine letzte Chance. „Und du darfst an meiner Seite herrschen.“

„Ich will Benjamin. Nur Benjamin.“, sagte Xaphan leise. „Gib ihn mir.“

„Niemals.“, antwortete Azrael ebenso leise. „Nun gut, du hattest deine Chance.“

Er drehte sich um und ging langsam auf das Menzihaus zu.

Beinahe beiläufig drehte er sich noch einmal um und wies mit der Klauenhand auf Xaphan: „Vernichtet diese armselige Kreatur.“

Die Besessen sprangen mit unmenschlicher Schnelligkeit vor und krallten sich an dem Dämon fest.

Xaphan brüllte auf und schleuderte den einen zu Boden, doch dann sackte er in die Knie als sie ihn bissen.

Ein lauter, markerschütternder Schrei brach aus dem Knäuel der Leiber hervor. Dann zerrten die Diener Azraels ihn gänzlich zu Boden.
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Doch bevor Xaphan sein unseliges Leben aushauchte, bäumte er sich noch einmal auf und eine Stichflamme schoss aus seinen Händen, so grell und so unsagbar heiss, dass die Menschen, die nur mehr Zuschauer waren, sich geblendet abwandten.

Das Feuer erfasste den davon stapfenden Azrael und schleuderte ihn ins Innere des Hauses.

Brüllend verschwand er im Dunklen des Eingangs.

Xaphan schaffte es, sich noch einmal aus dem Knäuel der Besessenen zu erheben und starrte Benji beinahe vorwurfsvoll an.

„Ich werde dich nicht vergessen, Benjamin Roth.“, sagte er mit kreischender Stimme „Noch sind wir uns nicht zum letzten Mal begegnet. Ich…“ Der Rest des Satzes ging in einem höllischen Schrei unter.

Eine der Diener Azraels hatte ihm in den Hals gebissen. Gurgelnd sank der Dämon zurück und verwandelte sich im Sinken in seine menschliche Gestalt.

Er wand sich und zappelte wie wild, doch es nutzte nichts mehr. Die Besessenen fielen über ihn her wie Aasgeier über ein totes Tier.

Dann war es vorbei.

Benji konnte es nicht ertragen, die malenden Geräusche zu hören, die direkt einem Fiebertraum entsprungen schienen.

„Wo… wo ist Azrael?“, fragte Desi leise und eine Träne rollte über ihr Gesicht.

„Da drin.“, antwortete Fischer. „Benjamin, komm. Wir erledigen das ein für alle mal!“

Er sprang auf die Beine und lud ein neues Magazin in seine Pistole.

Dann stapfte er durch den dunklen Eingang ins Innere des Hauses. Benji folgte ihm auf wackligen Beinen. Für ihn geschah alles wie in Trance.

Immer und immer wieder sah er das Gesicht seines Vaters vor sich, der nun tot an diesem verfluchten Haus hing; aufgespiesst von einer Waffe, die er, Benji, angefertigt hatte.

Die Finsternis des Flurs traf ihn wie ein Hammerschlag. Wo vorher Xaphans unheiliges Feuer die Nacht erhellt hatte, drang jetzt nur ein leicht rötlicher Schimmer aus dem Salon rechts vor ihnen.

Zwei Meter vor Benji stapfte der Pfarrer, die Waffe gehoben und wild entschlossen den Dämon Azrael zu vernichten. Auch wenn er nicht wusste wie.

„Gleich ist es vorbei.“, sagte Fischer zu Benji. „Komm, gleich haben wir’s hinter uns.“

Er liess offen, ob er damit das Ende Azraels oder das ihre meinte.
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Entschlossen trat er in den Salon hinein, dicht gefolgt von Benji.

Was sie dann sahen, traf sie wie ein Schock.

Andi hing, wie von unsichtbaren Speeren aufgespiesst, über dem Pentagramm. Die schwarzen Kerzen waren wieder aufgestellt und brannten. Blut lief aus zahllosen Wunden, die ihm die unsichtbaren Klingen zugefügt hatten, und seine linke Gesichtshälfte war total verbrannt.

„Oh mein Gott.“, sagte der Pfarrer leise und ging langsam näher. „Bist du Andreas?“

Der Junge starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an und nickte qualvoll.

„Wo ist der Dämon?“, fragte Fischer weiter. „Wo ist Azrael?“

Andreas wollte etwas sagen, doch nur ein Schwall Blut sprudelte aus seinem Mund.

Fischer ging vor ihm in die Knie und streckte die Hand aus.

„Nein!“, stiess Andreas hervor. „Nein, geh…“

Seine Stimme änderte abrupt ins abgrundtief Dunkle und wieder glommen seine Augen rot. Zwei schattenhafte Flügel schossen aus seinem Rücken und eine Pranke hieb nach dem Pfarrer.

Sie erwischte einen Teil seines Ärmels, ehe der Pfarrer hastig zurückstolperte.

„Narren!“, donnerte Azrael. „Niemand kann gegen mich gewinnen. Niemand!“

„Erschiess ihn!“, schrie Benji, doch Fischer starrte nur auf den halbzerfetzten Andreas.

Dessen Augen wurden plötzlich wieder normal.

„Er… erlöse mich.“, stiess er zwischen zwei weiteren Blutsprudeln hervor. „Es ist… in mir drin! Töte mich, bitte…“

Fischer sah Andreas mit tränenverschleierten Augen an.

„Ich… kann nicht!“, stiess er hervor und liess die Waffe fallen. „Er ist ein Mensch! Vielleicht können wir ihn retten! Mit einem Kreuz oder…“

Wieder änderte sich Andreas Gestalt, doch auch Azrael konnte sich nicht von der mörderischen Wirkung des umgedrehten Pentagramms befreien. Etwas hielt ihn mit einer immensen Macht zurück.

Azraels Lachen erfüllte den Raum und auf einmal sah Benji alles wieder vor sich.

Xaphans menschliche Gestalt, sein wahres Äusseres, die aufgerissenen Augen seines Vaters, dessen tödliche Wunde…

„Das alles kann ich rückgängig machen.
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Ich habe einen Bann über dieses Dorf gelegt. Es gehört mir, mit allem Leben und mit allem Tod.“, säuselte Azraels Stimme in Benjis Kopf. „Du musst mich nur befreien. Hilf mir von meinem Gefängnis hoch. Du brauchst nur die Hand auszustrecken…“

Benji brach in die Knie. Alles drehte sich. Sprach Azrael die Wahrheit? Konnte ein Dämon überhaupt die Wahrheit sagen? Wenn ja… Immerhin hatte er Xaphan getötet.

Ein Licht erhellte sein Blickfeld, nicht dämonisch und kalt, sondern warm und freundlich.

Azraels Klauenhand wurde zu der lieblichen Hand eines Kindes. Sein Gesicht war auf einmal so rein und zart, und um es herum leuchtete es silberhell. Benji bemerkte im Hinterkopf seiner Gedanken, dass so Engel aussehen mussten.

„Es zieht mich zurück. Hilf mir. Nur zupacken.“, sagte Azrael, doch seine Stimme klang auf einmal so freundlich, so lieb, so warm…

Benji streckte seine Hand ebenfalls aus. Weit entfernt hörte er Pfarrer Fischer schreien, doch er hörte nicht zu.

Er wusste nun, was zu tun war. Alles würde wieder gut werden.

Dann packte er zu.

Wieder hörte er den Pfarrer rufen, diesmal flehentlich. Benji ignorierte ihn.

Ein lauter Knall riss den Jungen aus seinem Wachtraum. Wieder knallte es, und noch einmal.

Benji sah, wie Andis Körper von der Wucht der Kugeln zurückgeworfen wurde. Ein weiteres Mal löste sich ein Schuss aus der Pistole und eine weitere geweihte Kugel schlug in Andreas’ Körper ein.

Seine Augen glommen noch einmal blutrot auf und ein grässlicher Schrei löste sich aus seiner Kehle. Wie irre zuckte sein Körper, das unsichtbare Gefängnis löste sich auf und Azrael fiel zu Boden.

Er stiess zappelnd die Kerzen um, ehe er reglos liegen blieb. Bevor er vollends zur Hölle fuhr, kehrte noch einmal Andreas Gestalt zurück. Seine braunen Augen blickten Benji an und er formte mit den Lippen ein lautloses ‚Danke’. Dann starb er.

Verwirrt starrte Benji auf die rauchende Pistole in seiner Hand. Er hatte geschossen…

Dann liess er sie fallen, als hätte er sich verbrannt.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Langsam stand Benji auf.

„Komm.“, sagte Fischer und legte einen Arm um den vollends verwirrten Benji, „Komm, raus hier.
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Hier stinkt’s mir zu fest nach Tod.“

Widerstandslos liess sich Benji aus dem Haus führen, das so vielen Menschen den Tod gebracht hatte.

Draussen war ausser Desi und Hanna niemand zu sehen. Letztere war wieder bei Bewusstsein. Verdattert starrten sie Fischer und Benji an.

„Es ist vorbei.“, sagte der Pfarrer leise. Sie sahen sich aus müden Augen an. Niemand war wirklich erfreut über den plötzlichen Sieg. Zu bitter schmeckte Thomas Roths Tod.

„Er braucht ein anständiges Begräbnis.“, sagte Fischer und zog mit einem schmatzenden Geräusch den Speer aus der Brust des Toten. Sofort rutschte dieser zu Boden.

„Kommt, helft mir ihn zu tragen.“

Benji reagierte nicht, starrte nur seinen toten Vater an, der mit seiner Waffe getötet worden war. Um ihn zu retten.

Desi und Hanna halfen Fischer, Thomas’ Leiche zu tragen.

Langsam entfernten sie sich von dem Ort des Grauens.

Als sie etwa fünfzig Meter weit gekommen waren, leuchtete es im Innern des Menzihauses orange auf.

Feuerschein drang aus dem Fenster des Salons.

Erschrocken hielt Desi inne.

„Die Kerzen.“, beruhigte Fischer sie. „Nur die Kerzen. Sie sind umgefallen. Es ist gut, dass das Haus brennt.“



Das Klingeln des Handys war lästig. Wer rief ihn bloss am Sonntag um diese Zeit an?

„Ja?“

„Guten Morgen, hier ist Kommissar Wägeli von der Stadtpolizei Diessenhofen. Spreche ich mit Herrn Benjamin Roth?“, drang eine Stimme aus dem Handy.

„Ja… ja, der bin ich.“, antwortete Benji. Er sass an seinem Schreibtisch und liess sich durch das Fenster die Sonne ins Gesicht scheinen.

„Hören Sie, wie Sie sicher wissen, gab es im Zusammenhang mit dem Brand und der vollständigen Zerstörung des Menzihauses ein paar mysteriöse Vorkommnisse.“, sagte Wägeli. Benji kannte ihn flüchtig, der Polizist hatte ihn einmal mit einem frisierten Mofa erwischt.

„Ja, das habe ich gehört.“, sagte Benji. Nicht nur gehört…

„Nun ja, wir befragen momentan einige Personen im Dorf.“, fuhr Wägeli fort. „Sie verkehren auch mit dieser Dorfjugend, oder?“

Aha, von daher wehte also der Wind.

„Das ist richtig.
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“, sagte Benji „Da gehöre ich dazu.“ Einige Jugendliche, zwischen fünfzehn und achtzehn, aus Schlatt und der näheren Umgebung waren beim Grossteil der Dorfbevölkerung nicht unbedingt besonders beliebt. Saufen, frisierte Mofas und dröhnende Rockmusik bis spät in die Nacht gehörten an den Wochenenden jedoch einfach dazu. Anscheinend hatte sie einer verdächtigt, das Menzihaus angezündet zu haben.

„Wo haben Sie sich in der Nacht des Brandes aufgehalten?“, fragte Wägeli. „In der Nacht vom siebten auf den achten Mai.“

Benji fühlte, als ramme ihm jemand ein Messer in die Brust. Der dumpfe, gequälte Schmerz, der ihn seit einigen Tagen heimsuchte, brach auf und öffnete eine klaffende Wunde in seiner Seele.

Wieder sah er seinen Vater, wie er mit aufgerissenen Augen tot an der Wand des Menzihauses hing.

„Ich… ich war bei einem Bekannten eingeladen.“, antwortete Benji leise. „Und danach habe ich geschlafen.“

„Ah ja, das ist gut.“, meinte Wägeli zerstreut und Benji hörte, wie er sich Notizen machte. „Wissen Sie also auch nichts von den Menschen, die immer noch vermisst sind?“

Bumm! Da war es wieder!

Benji sah sich wieder der alten Frau gegenüber, die mit irren Augen auf ihn herabschaute. Der Mann, dem er mit seinem Spaten den halben Hals durchtrennte, war auf einmal wieder beinahe greifbar vor ihm.

„Hallo?“

„Verzeihung.“, beeilte sich Benji zu sagen. „Nein, ich weiss nichts. Tut mir leid.“

Wieder das Gekritzel eines Kugelschreibers.

„Es tönt vielleicht dumm, aber haben Sie irgendwelche… Zeugen für diese Nacht? Waren die Eltern vielleicht zu Hause oder so?“, fragte Wägeli weiter. „Reine Routine, Sie verstehen.“

Benji blickte zur geöffneten Zimmertür hinaus, wo er Desi sah, die gerade die Treppe hochkam.

„Ja, ich habe eine Zeugin.“, sagte er dann.

Wägeli verstand da einiges miss und räusperte sich verlegen, bevor er sagte: „Gut, äh, das wär’s dann schon gewesen. Vielen Dank und weiterhin einen schönen Sonntag wünsch ich Ihnen. Auf Wiederhören.“

Benji drückte die Austaste uns lehnte sich stöhnend in seinem Stuhl zurück.
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Er hatte gewusst, dass die Polizei früher oder später bei ihm antanzen würde. Doch die Erinnerung an den Tod seines Vaters war trotzdem zu stark.

Fischer hatte, mit Einverständnis von der zuerst total hysterischen Manuela Roth, Benjis Vater ‚gefunden’ und angeblich war es ein Autounfall gewesen. Die Polizei, die auf Drängen des Kantons verbissen nach den verschwundenen Personen suchte, kümmerte sich kaum darum, zumal die Delle im Wagen der Roths noch ein wenig vergrössert worden war.

Fischer, Benji, Hanna und Desi hatten sich geschworen, mit niemandem über die Geschehnisse zu sprechen. Benjis Mutter war eingeweiht worden, doch sonst niemand.

Zu gross war die Gefahr, dass man sie als mehrfache Mörder vor Gericht bringen würde. Wer glaubte schon an Dämonen?

Azrael hatte in dem Punkt Recht behalten, als er sagte, er hätte einen Bannfluch über Schlatt gelegt. Das war auch der Grund dafür gewesen, warum niemand die Schüsse und den übrigen Lärm bemerkt hatte. Niemand erinnerte sich überhaupt richtig an die Nacht.

Die Besessenen, die Xaphan vernichtet hatten, waren etwa eine halbe Stunde nach Azraels Tod in ihren Betten aufgewacht, leicht verwirrt und danach von grässlichen Albträumen geplagt. Mehr geschah nicht mit ihnen.

Hanna hatte Benji seit dem nicht mehr gesehen. Er glaubte, sie schämte sich zu sehr, dass sie bei der Beschwörung Azraels dabei gewesen war. Vielleicht tauchte sie ja auch wieder auf, es waren ja erst zwei Tage vergangen. Nur zwei Tage…

Benji hatte gemerkt, dass Desi etwas für ihn empfand, doch im Moment konnte er einfach keine Gefühle wie Glück, Liebe und Freude spüren.

Aber vielleicht änderte sich das ja noch…

Wieder stieg das Bild seines toten Vaters vor seinem inneren Auge hoch und Tränen schossen ihm in die Augen. In einer guten Stunde würde die Beerdigung sein. Benji wusste nicht, wie er Fischer in die Augen sehen konnte, zu sehr hatte er den Pfarrer in die Ereignisse hineingerissen.

Schluchzend hielt er sich die Hände vors Gesicht und rutschte vom Stuhl.

Desi, ganz in feierliches Schwarz gekleidet, kniete sich neben ihn und hielt ihn tröstend fest.

„Ist ja gut.“, sagte sie leise „Es ist vorbei.
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In diesem Augenblick sträubten sich Gary, dem Kater der Roths, alle Haare. Etwas fremdes, Unheimliches war gerade am Briefkasten gewesen.

Gary fauchte. Dies hier war sein Territorium!

Doch dann war da nichts mehr, nur ein kleines, beigefarbenes Ding auf dem Briefkasten. Ein Windstoss fegte die Karte hinunter, direkt vor Garys Pfoten. Der Kater schlich neugierig näher und schnüffelte daran.

Für einen Moment, der nicht länger als eine halbe Sekunde gedauert haben konnte, sah Gary seltsamerweise etwas in seinem Kopf. Normalerweise, das wusste der Kater, sah man mit den Augen. Ausserhalb seines Schädels. Doch diesmal sah er es in seinem Kopf.

Eine grässliche Fratze mit glühend roten Augen.

Gary stiess ein klägliches Miauen aus und schoss pfeilschnell davon.

Zurück blieb die kleine Karte. Eine schwarze, blutende Rose war darauf abgebildet.





ENDE
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Kommentare zur Story:

  Puuuh, bis man sich endlich mal bis zum Ende durchgeschlagen hat..ich muss schon sagen, spannend ist die Geschichte wirklich...sie ist sehr gut geschrieben, kein Übermass an endlose "Erbrechungen" über die Formen des Umbringens etc...hat mir sehr gut gefallen, zumal sie ein ziemlich heikles Thema gut auffasst und behandelt.
4. Pkt.  
Zimtsternchen  -  27.06.05 22:03

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Muahhhh, bah, widerlich, ekelhaft... Wie kommt man denn auf soetwas?? Da hast du dich aber geekelt an dem Tag, oder? Und du steckst die anderen damit an. Auch wenn der Inhalt fies ist, ein gelungener ...

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