Das Licht der Hajeps Band 6 Zarakuma - Kap. 15   405

Romane/Serien · Amüsantes/Satirisches

Von:    doska      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 7. März 2005
Bei Webstories eingestellt: 7. März 2005
Anzahl gesehen: 7366
Seiten: 44

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Ein "Klappentext", ein Inhaltsverzeichnis mit Verknüpfungen zu allen Einzelteilen, sowie weitere interessante Informationen zur Reihe befinden sich in der "Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht":

  Inhaltsangabe / Kapitel-Übersicht      Was ist das?


Vorsicht, das auf dem Bild ist ein Kmurf!



N i c h t s t r e i c h e l n !



Kapitel 15



„Also echt, was man manchmal so alles macht?“ fragte sich George ziemlich laut und krauste verärgert die Stirn. Es war ihm dabei völlig gleichgültig, dass Margrit seine Schimpferei – er grummelte bereits seit etwa einer viertel Stunde vor sich hin – mit anhören hören musste, denn George fand, irgendwie hatte sie das auch verdient. „Ich fahre hier an meinem einzigen freien Vormittag einer liebeskranken Zopfmarie hinterher, nur weil die liebe, gute Margrit Angst um ihren anscheinend adoptierten Teenager hat! He, weshalb mach` ich eigentlich für dich jeden nur erdenklichen Scheiß?“

„George, du musst sowieso in die Nähe Zarakumas, weil dort auf einem der Felder Jans Pflug repariert werden muss. Da kannst du ja wohl für mich diesen winzigkleinen Umweg fahren, nicht?“

„Nicht!“ murrte er.

„Ach komm, du musst schon zugeben, dass es wirklich nicht gerade toll ist, wenn sich Gesine so nahe an Zarakuma heran wagt.“

„Tja, ich verstehe Eberhardt eigentlich auch nicht, dass er das Mädchen immer bis dorthin bringt“, fauchte George und nahm dabei eine Abkürzung über einen kleineren Graben. Die dicken Reifen des Jambutos schafften es tatsächlich locker darüber. „Aber du mir ja nicht erlaubt ihn anzurufen und ihm mal gründlich die Meinung zu geigen!“

„George, sie dürfen nicht wissen, dass wir ihnen folgen, aber du bist nicht mein Sklave und du kannst, wenn du meinst, ja auch ...“

„Doch, doch, doch“, er nickte gleich dreimal, „bin ich! Das ist ja das Schlimme!“

Margrit musste lachen, aber sie fragte sich, ob sie George nicht endlich darüber aufklären sollte, weshalb eigentlich diese ganze Verfolgung sein musste. Aber konnte sie ihm trauen? Würde er nicht gleich alles Günther Arendt weiter erzählen, von dem er im Grunde noch immer eine recht gute Meinung zu haben schien? Aber dann dachte sie an ihr Gespräch mit George, in dem sich er vor kurzem eher kritisch geäußert hatte, und daher begann sie zwar etwas zögernd, aber im Grunde ihres Herzens endlich fest entschlossen: „George ... hm .. also .. kannst du schweigen?“

Er schnaufte verärgert durch die Nase.
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„Echt eine ziemlich behämmerte Frage, Margrit! Ich bin Guerilla, noch dazu Profiler, aber ich werde nicht schweigen können ... sehr schön das Ganze!“ Er schüttelte wild den Kopf.

„Gut, dann sage ich es dir endlich: Gesine besitzt einen Teil von Danox, den sie unbedingt Munjafkurin schenken will. Der hat heute Ausgang und darum erwartet sie ihn vor Ranof, dem großen Haupttor Doska Jigons!“

„Ouuuh ... äh ... wie? Donnerwetter! Warum sagst du mir das erst jetzt? Scheiße, scheiße, scheiße! Ist derart breit der Graben ... schafft die alte Kiste jetzt wohl nicht? Arrgh! He, doch noch, Puh!“ George hielt danach den Jambo erst Mal an. Der dampfte mächtig! „Kannst einen aber auch erschrecken! Mann, Mann!“ Er riss die Wagentür rauf, sprang vom Jambo und öffnete die Motorhaube. “Puh, wie das dampft!“ Er wich dabei mit dem Gesicht den weißen Schwaden, die ihm plötzlich entgegen wallten, aus und holte gleichzeitig ein Taschentuch hervor, um den Kühler aufzuschrauben. Dabei fiel ein Foto aus seiner Hosentasche auf den Boden.

„He, wen schleppst du denn da immer mit dir herum?“ Margrit beugte sich neugierig zu ihm hinunter, um von dort aus die Personen auszumachen, die darauf zu erkennen waren.

„He, dieses Foto hast du mir doch erst neulich geschenkt“, knurrte George, „weil ich mich über die Gesichter, die deine beiden Kleinen darauf machen, halbtot gelacht habe. Weißt du das nicht mehr?“

„Oh Gott, ja!“ Sie grinste. „Hatt` ich glatt vergessen bei dieser ganzen Hektik, George!“

„Hektik!“ murrte er. „Du machst doch hier den ganzen Rabatz!“ Nachdem er Wasser nachgegossen, den Kühler zugeschraubt und die Haube wieder zugeworfen hatte, hob er das Foto wieder auf und ließ es in seiner Hosentasche verschwinden. „Aber diese Geschichte mit Danox ist doch Quatsch, oder?“ Er war wieder eingestiegen, hatte neben Margrit Platz genommen. „Du willst doch nur, dass ich noch ein bisschen flotter unserem Trotzköpfchen hinterher hetze und dann ...“

„Nein, George, das ist die Wahrheit!“ und dann klärte Margrit ihn über alles genau auf.

George war sofort sehr geläutert, wusste nun, dass er Gesine ausgesprochen vorsichtig hinterher fahren musste, wollten sie keinen Verdacht erregen. Eberhardt durfte die Wahrheit auch nicht erfahren.
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Der würde zwar Gesine das Stück sofort gewaltsam abnehmen, sich jedoch nicht davon abhalten lassen, es später dem Präsidenten zu übergeben, da er den sehr verehrte.

„Und du hast Danox schon besessen, als er ein ganzes Teil war?“ knurrte George, während er weiter fuhr.

Margrit nickte schuldbewusst.

„Misstrauisches Weibstück!“ erklärte er, aber dann lachte er doch. „Na, vielleicht ist das ja auch gar keine so arg tolle Waffe, denn sonst wäre die ja nicht so leicht zu zerkleinern gewesen!“

„Hmm ... weiß man`s?“ konterte Margrit skeptisch.

„Hach, du musst immer das letzte Wort haben!“ Er lachte und der Frühlingswind warf ihm dabei einige Strähnen seines dichten, schwarzen Haares in die Stirn.

Es war wirklich ein ganz wunderbares Wetter. Der Himmel war herrlich blau, goldenes Licht lag überall auf hellgrünen Knospchen. Vögel flatterten über den frisch aufgewühlten Äckern dahin und einige pickten Körner auf. Erste zarte Pflänzchen zeigten sich – schön ordentlich in der Reihe – in schwarzer, krümeliger Erde.



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„Du Tobi ... duhuuh?“

„Mann, sollst still sein Jule, sonst hören sie uns vielleicht doch!“

„Aber du ... aber duhuh?“

Tobias seufzte unter der dicken Decke. Er schwitzte mächtig, denn die schweren Kartoffelsäcke für die Saat, welche Eberhardt gerade vom Kirchheimer Hof eigens für Nölke erhandelt hatte, lagen jetzt sogar zum Teil auf den Decken, unter welchen sich Tobias und Julchen versteckt hatten, um endlich mal etwas Spannendes zu erleben.

Freilich hatten sie zuvor erst einmal gründlich bei den Maden herumgehorcht und dabei mitgekriegt, dass Eberhardt meistens um die selbe Zeit in die Nähe Zarakumas fuhr. Die Kinder hatten sich entschlossen, heimlich die Hajeps zu besuchen, weil die jetzt immer so nett zu den Menschen waren. Schließlich waren sie ja auch ein Junge und ein Mädchen wie die Erwachsenen, welche in letzter Zeit immer reich beschenkt heim kamen. Zwar war ihnen nicht so recht klar, was die Menschen eigentlich in Zarakuma für diese Sachen so gemacht hatten, aber es schien etwas recht lustiges zu sein. Julchen und Tobias wussten schon sehr genau, was sie so alles aus Zarakuma haben wollten, da sie heimlich beim Fernsehen zugeschaut hatten.
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He, und Margrit würde dann später gewiss stolz auf sie sein und natürlich von all den Geschenken auch etwas abkriegen.

Der Jambuto schüttelte Säcke und Kinder mächtig durch, während er die schmale Landstraße entlang holperte und nur durch eine kleine Lücke konnten Julchen und Tobias den herrlichen blauen Himmel über sich wandern sehen.

„Aber mein Bein,Tobi, das Bein ... puuuh ... daas piiiekt jetzt richtig doll!“ ächzte Julchen schon wieder.

Tobias seufzte abermals. „Na, weil`s eingeschlafen ist, Jule und ....“

Gott sei Dank machte der alte Jambuto einen derartigen Lärm, dass man die Kinder und auch Munk nicht hören konnte, welchen die Kleinen ebenfalls unter den Decken verborgen hatten, den sie eisern festhielten und der sich deswegen stetig lauter werdend beklagte.

„Eingeschlafen?“ schnaufte Julchen zurück. „Nein, ich bin nicht eingeschlafen, Tobi! Nein, daaas bin ich wirklich nicht!“

Da reichte es Munk. Zwar hatte er nichts gegen längere Nickerchens einzuwenden, aber nun war es des guten echt zuviel! Er wollte jetzt an die Luft, jawoll! Blitzschnell und schlangengleich, dabei nach allen Seiten fauchend und mit den Pfoten wild um sich schlagend, machte sich der Kater endlich von Julchens weichen Armen frei.

Vor Schreck hatte Julchen vergessen laut zu schreien, wie das eigentlich sonst immer ihre Art war, wenn der Kater sie gekratzt hatte. Aber genau das war ihr Glück. So fiel Gesines Blick nur auf Munk und nicht auf die Decken, die unter ihm gezuckt hatten.

„Da ist ja Munk!“ rief Gesine überrascht und hangelte ziemlich umständlich von ihrem Sitz aus nach dem Kater hinüber, der inzwischen, wenn auch etwas wackelig, zu ihr über Säcke und Kisten geklettert kam, sich dabei laut jammernd bei ihr beschwerend.

Eberhardt warf auch einen kleinen Blick nach hinten und schüttelte den Kopf. „Muss vorhin im Jambuto eingedöst sein, das freche Tier. Na, ist ja auch zu verstehen bei dieser herrlichen Frühlingssonne!“ Er grinste, als er sah, wie Gesine den Kater auf ihren Schoß nahm um ihn zu streicheln. Doch Munk maunzte trotzdem noch weiter. Wo blieb das Fresschen, das jetzt dringend dran war?

„Tja, Katerchen,“ sagte Eberhardt.
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„Nun musst du halt noch ein bisschen warten, bis wir dich `rauslassen können, damit du dir ein paar Mäuschen fangen kannst!“ Denn er sah auch, dass sich der Kater immer wieder die Schnauze beleckte, während er wehklagte.

Still bei sich dachte Eberhardt dann an etwas anderes. Aber es passte doch so ein bisschen zu dem, was er eben zu Munk gesagt hatte, denn er musste auch warten wie das Tier! Ja, er musste sehr viel Geduld haben und zwar so lange, bis Gesine ihren Munjafkurin entdeckt hatte. Günther Arendt verlangte nämlich, dass endlich herausgefunden wurde, ob Gesine nicht doch noch ein Stück von Danox besaß, das sie vermutlich Munjafkurin schenken wollte. Eberhardt hatte deswegen bei jeder Fahrt in die Nähe Zarakumas Gesine unterwegs eine kleine Droge in Tablettenform, hübsch wie ein Bonbon verpackt, angeboten, damit er das Mädchen für einige Minuten aushorchen und ihre Sachen durchsuchen konnte. Doch weder hatte er etwas bei ihr gefunden noch hatte sie ihm auch nur irgendetwas über Danox erzählen können. Woran das lag, konnte er sich nicht erklären. Heute wollte er es deswegen anders als sonst machen. Er wollte sie bei klarem Verstande lassen, sie für ein Weilchen verfolgen und sehen, was sie dann tat.

Der Präsident legte sehr großen Wert darauf, dass alles möglichst ohne großes Aufsehen getan wurde. Eberhardt trug dennoch unter seiner weiten Jacke die neuesten Waffen. Die hatte er erst kürzlich eigens für diesen Auftrag vom Präsidenten persönlich überreicht bekommen, für den Fall, dass Munjafkurin Gesine verteidigte. Er wurde bei all diesen Gedanken doch ein bisschen rot, denn er war ziemlich stolz, dass der Präsident ausgerechnet ihn für diese wirklich sehr wichtige Aufgabe ausgesucht hatte.



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„Aber wir halten uns an die Abmachung.“ George lenkte den Jambo auf die ehemalige Hauptstraße, die Sonne blendete ihn dabei und darum machte er ganz kleine Augen.

„Ja, George“, versprach ihm Margrit noch einmal, „sobald Gesine ausgestiegen ist, halten wir sie auf, reden noch einmal mit ihr. Sie mag uns sehr gerne und vielleicht können wir sie doch noch überzeugen, so dass sie auf uns hören wird, ohne dass wir Gewalt anwenden müssen.
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Aber wenn uns das nicht gelingen sollte“, Margrit seufzte nun sehr traurig bei diesem Gedanken, „hältst du sie fest und ich klopfe ihre Kleidung ab – komisch, dass Eberhardt das noch nie gemacht hat! Na ja, vielleicht denkt Günther Arendt auch nicht, dass Gesine noch ein Stück von Danox bei sich haben könnte - und ich hole mir das Teil einfach wieder.“ Sie nagte an der Unterlippe, „Hauptsache, Danox bleibt in den Händen der Menschen!“

„Brav, sehr brav, übrigens, unsere Funkgeräte dürfen wir jetzt nicht mehr benutzen!“

„Ja, ich weiß, ist für Menschen nicht erlaubt, die Gebiete in der Nähe Zarakumas zu betreten und sie könnten uns wegen der Funkwellen entdecken.“

„Sehr richtig, Mann, ist Eberhardt heute aber schnell!“

Schon sahen sie, wie Eberhardt hinter einem der Hügel verschwand. Auf der rechten Seite war Nölkes Gehöft – ganz klar, er fuhr noch ein Stückchen weiter, ziemlich Nahe an Zarakuma heran.

Obwohl sich Margrit innerlich dagegen sträubte, musste sie doch zugeben, dass ihr Herz merklich schneller zu schlagen begann. Kaum hatten sie den Hügel umkurvt, der mit dichtem, saftigem Gras, auch mit leuchtenden Butterblumen bewachsen war - eine braune und zwei schwarzweiß gescheckte Ziegen grasten darauf – entdeckten sie auch schon, schmal und rätselhaft wie ein dünnes, glitzerndes Band am Horizont die ersten nur schemenhaften Umrisse des gewaltigen Zarakumas!

Sowohl Margrit als auch George hielten den Atem beinahe ehrfürchtig an, nur Eberhardt schien diesen Anblick gewohnt zu sein, denn er brauste in gleichmäßigem Tempo Zarakuma immer weiter entgegen.



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„So“, sagte Eberhardt, als Gesine gerade mitsamt Munk vom Trittbrett des hohen Jambuto hinunter gesprungen war, „weiter kann ich dir nicht helfen. Weißt ja, der Nölke wartet schon! Ich wünsch dir nur, dass du endlich mal Glück hast und mal einen Blick auf Munjafkurin werfen kannst!“ Er zwinkerte Gesine aufmunternd zu.

„Das hab ich heute ganz gewiss!“ konterte Gesine fast trotzig und kraulte den Kater dabei am Kinn. “Denn Budjaronan aus Munjafkurins Einheit hat mir endlich den Grund verraten, weshalb Munjafkurin bisher nie Zarakuma verlassen durfte. Der war nämlich neulich mit Bakirwango in Streit geraten und die beiden hatten dabei ihre Waffen gezogen.
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Die Strafe dafür war so brutal ausgefallen, dass Munjafkurin und Bakirwango anschließend für eine Weile in einem Chanuraja(Krankenhaus) in ´Jink ba Rina´ auskuriert werden mussten.“

Eberhardt lachte. „Ja, ja, die Strafen fallen bei den Hajeps selbst für kleine Sünden ziemlich drastisch aus!“

„Richtig, und zusätzlich wurden sowohl Bakirwango als auch Munjafkurin in andere Einheiten strafversetzt.“ „Puh, ganz schön hart!“ ächzte er.

Munjafkurin untersteht jetzt Tjufat Warabaku, der zu seinen Soldaten noch strenger als Gwengheleston sein soll. Aber heute ist endlich der Tag, an dem Munjafkurin einen Subaja (Rundgang) machen darf ... ach, komm Munk!“ Gesine setzte den Kater vor sich auf den Boden. „Maunz hier nicht so herum! Wirst ja wohl noch für dein eigenes Fresschen sorgen können, so jung wie du geworden bist!“ Und sie gab dem Kater von hinten einen kleinen Schups.

Munk kam trotzdem wieder und strich weiterhin bettelnd um Gesines Beine, denn es war viel einfacher, für ein bisschen herum maunzen Fresschen zu bekommen als es sich zu erjagen.

„Bist du dir mit Munjafkurin wirklich ganz sicher?“ erwiderte Eberhardt und rieb sich dabei das stoppelige Kinn Oho, vielleicht würde er endlich Gesine mit Danox in den Händen erwischen!

Diese nickte und schupste den Kater abermals von hinten. „Ja, das bin ich mir ... nein, Munk, ich habe wirklich kein Fressen dabei!“

„Na ja, ich muss jetzt jedenfalls los!“ sagte Eberhardt etwas kurzatmig.

Und dann tat Eberhardt so als würde er zurück brausen, fuhr aber in Wahrheit nur ein Stück weg bis hinter einen Hügel, so dass Gesine ihn nicht mehr sehen und auch wegen des fehlenden Motorengeräusches keinen Verdacht schöpfen konnte. Dann kletterte er auf den Hügel und beobachtete Gesine hinter einem der riesigen Farne, die hier überall wuchsen gut versteckt weiter mit dem Fernrohr.

In dem Moment sprangen die Kinder hinten von der Ladefläche seines Wagens, leider etwas ungeschickt, da Julchen ja das Bein eingeschlafen war. Kaum auf dem Boden angekommen schliff sie es hinter sich her und das führte nicht nur dazu, dass sie etwas langsam voran kam, sondern sie fabrizierte auch noch ein schurrende Geräusch über dem Kies, das Eberhardt natürlich sofort hörte.
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„He, ihr Gören!“ rief er überrascht und schaute sich nach hinten um. „Was macht ihr denn plötzlich hier?“

Gott sei Dank konnte Julchen endlich das Bein schneller bewegen und sich von Tobias mitreißen lassen, der sie beim Arm gepackt hatte, um in den gewaltigen, blauen Farngewächsen zu verschwinden.

Eberhardt überlegte erst, ob er den Kindern hinterher und sich einen Weg durch diesen außerirdischen Farn bahnen sollte. Aber dann hatte er doch eine gewisse Scheu davor. Was war, wenn diese mehrere Meter langen, fransigen Blätter giftige Stoffe entwickelten, wenn man die zum Beispiel mit nackter Haut berührte? Nein, da wollte er dann doch lieber diesen komischen schmalen Weg, auf dem dicht bei dicht transparente, hellgrüne Kieselsteinchen lagen, entlang und Gesine hinterher schleichen, denn von oben hatte er ja bereits gesehen, wohin die sich gewandt hatte, nämlich nach dorthin, wo die drei geschuppten, palmenartigen Gewächse ihre gewaltigen Blätter mit den feuerroten Blüten zum Himmel ragen ließen. Er würde sie schnell eingeholt haben! Und schließlich war der Auftrag wichtiger als diese frechen Gören, welche Margrit verbotenerweise bei den Maden untergebracht hatte. Sollte die sich doch anständig um die Kinder kümmern. War doch selbst Schuld, wenn denen jetzt was passierte!

Er schob, während er weiter ging - die komischen Kiesel quietschten dabei seltsam unter seinen Füßen - mit dem Gewehrlauf mehrere etwa handgroße, löffelartige Gebilde von seiner Schulter, welche an biegsamen, dunkelroten Zweigen vom Boden aus ihm entgegen ragten und dann lief er weiter.



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Hingegen blieben George und Margrit, kaum dass sie ihren Jambo verlassen hatten, erst einmal wie verzaubert stehen und schauten sich nach allen Seiten um. Kakteenähnliche, fleischige Bäume, deren giftgrüne Stämme mindestens einen Meter Umfang hatten und aus denen sich von der Wurzel aufwärts den ganzen Baum entlang etwa fingerdicke, tentakelartige Stacheln bis zum Erdboden hinab wanden, wechselten sich ab mit üppig wucherndem Buschwerk, deren kurze Zweige dicht bei dicht mit zarten, schneeweißen Blütenbällchen bewachsen waren.
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Dazwischen standen buschige, gelbe Stauden mit breiten, gezackten Blättern oder blaue, dürre Pflanzen mit meterlangen Halmen, die wie riesige Fächer dazwischen erschienen. Pilzartige, muffige und etwa einen bis anderthalb Meter hohe, orangefarbene Gebilde standen ähnlich verkrüppelter, kleiner Säulen mitten in dieser fremdartigen Botanik und in manch einem Zweig der seltsamen Gewächse erklangen von Menschenohren noch nie gehörte Vogelstimmen. Das ganze Gebiet rings um Zarakuma war hügelauf und hügelab auf solch eine sonderbare Art und Weise bepflanzt.

Nur sehr schwer konnten die zwei also ihre Augen von diesem ungewöhnlichen, aber auch herrlichen Anblick lösen, denn immer wieder gab es dabei neue, verrückte Pflanzen zu entdecken. Ach, sie mussten ja Gesine und nun leider auch Eberhardt verfolgen, den sie gerade hinter einer der transparenten, geleeartigen Pflanzen, welche strahlenförmig aus dem Boden wucherten, entdeckt hatten. Komisch, warum fuhr Eberhardt heute nicht zu Nölke? Er schien Gesine scharf zu beobachten, aber er hatte es doch erst so eilig gehabt? He, und er trug ja auch ein Gewehr! Was hatte er vor? Oh Gott, sie durften ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren!



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Julchen und Tobias konnten eigentlich schon immer Spaziergänge völlig unbeschwert genießen, darum diesen abenteuerlichen natürlich um so mehr. „Sieh mal, was da is´!“ jubelte Julchen dabei immer wieder. „Und da ... und auch dort ... und Tobi, du ... sogar hier!“

Die Kinder hatten dabei ganz ihren guten Vorsatz vergessen leise zu sein, denn auch Tobias musste Julchen immer wieder auf das aufmerksam machen, was er seinerseits gerade aufgespürt hatte. So liefen sie dann jedes Mal wieder zusammen, um diese oder jene Entdeckung gemeinsam zu bestaunen und sich darüber zu freuen.

Ihr Staunen wurde um so größer als sie dann in den kleinen Tälern, die von Auleps angelegten Tümpel und Quellen entdeckten. Es waren wunderschöne, von verschiedenfarbenen Moosarten überwucherte, lauschige Plätzchen, in die man sich getrost hineinkuscheln und ausstrecken konnte.

Tobias und Julchen vergaßen dabei immer mehr, weshalb sie eigentlich hier her gekommen waren, denn in der Nähe der kristallklaren Quellen wimmelte es von ungewöhnlichem Getier.
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Herrlich bunte Insekten und funkelnde, winzige Echsen huschten an sonderbarem Gestein vorbei.

Als Julchen einer etwa katzengroßen Echse mit leuchtend rotem Kragen hinterher jagen wollte um sie zu fangen, hielt Tobias sie doch lieber zurück. „Lass das Jule, können scheißgiftig sein!“



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„Bei Ubeka“, knurrte Chiunatra, „du scheinst dich hier wirklich recht gut auszukennen, Gulmur! Außerdem war es ein guter Gedanke, die Lais einfach auf den Rücken zu nehmen und zu tragen. Fliegende Lais machen ziemlichen Krach und schließlich haben wir alle genügend Kraft und schaffen das schon!“

Nun schaute Gulmur doch ein bisschen stolz zum lotekischen Oberhaupt hinüber. Chiunatra war ein großer, kampferprobter Kerl, und mit seinem hellblauen, leicht verfilzten Haarkamm und dem dicken, unordentlichen Haarknoten im Genick sah Chiunatra beinahe so verwegen aus wie ein Weltraumpirat. Selbst seine Uniform war schlicht und an manchen Stellen sogar zerrissen. Das schien niemanden der von ihm befehligten Loteken zu stören. Im Gegenteil, drückte dieser lässige Kleidungsstil doch gerade jene Wildheit, jenen Durst nach Freiheit aus, den sie alle verspürten.

Es waren nur zwanzig Mann, die übrigen kamen von der anderen Seite her und sollten die eigentliche Arbeit ausführen, die hier durch diesen sonderbaren Dschungel hügelauf hügelab Richtung Doska Jigon (bunter Zaun) schlichen. Aber diese zwanzig Mann wussten schon sehr genau, was sie hier wollten - nämlich in etwa einer Stunde hinter der Mauer ein Ablenkungsmanöver starten, und das sollte so aussehen, als wären es Menschen gewesen. Sie hatten aus diesem Grunde mehrere Sprengsätze in ihren Taschen, doch leider keine Roboter mehr, welche diese gefährliche Aufgabe an ihrer Stelle hätten erledigen können, denn schon lange wurden die Loteken mit technischen Dingen nicht mehr von den Hajeps unterstützt. Darum mussten sie auch mit den größeren Fliegern inzwischen sparsam umgehen, die in einiger Entfernung darauf warteten, dass es bald knallen würde. Dann würden diese Soldaten Menschen, Trowes und auch Loteken befreien.

Niemand konnte die vorsichtigen Schleicher sehen, denn jeder von ihnen hatte seinen eigenen Blunaska, mit dessen Hilfe sie sich getarnt hatten.
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So konnte auch keiner bemerken, wie Chiunatra gerade hinschlug, denn er war über einen mittelgroßen, kniehohen, jedoch recht kräftigen Duftpilz gestolpert. Sofort stoben als dichte Wolke die orangefarbenen und mit kleinen, buschigen Schirmchen ausgerüsteten Sämlinge aus dem weißen, deckelförmigen Hut des Pilzes, fielen auf Chiunatras Gesicht und Hände und er musste schrecklich niesen.



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Indes standen George und Margrit auf einem der üppigen, von wilden Blumen und Büschen überwucherten Hügel. George blickte durch sein Fernrohr immer noch Eberhardt hinterher und schüttelte verärgert den Kopf, weil dieser stetig schneller wurde und bald Gesine eingeholt haben würde, die sich gerade gebückt hatte und irgendetwas im Boden vor sich zu suchen schien.

Während George und Margrit von fremdartigen Insekten umschwirrt wurden, die sie immer wieder wegwedeln mussten, fielen ihre Blicke ganz automatisch auf Zarakuma und das Fernrohr wanderte schließlich doch für einige Minuten dabei von zu Hand.

Mit pochendem Herzen bestaunten sie nun abwechselnd durch die Linse die schier endlos erscheinende, hochtechnisierte Mauer, welche gleich in dreifacher Ausführung das riesige Gebiet umfassen sollten. So hatten sie es jedenfalls aus den Berichten der Menschen in Erinnerung, die in Zarakuma gewesen waren.

Ach, das alles sah keineswegs gefährlich aus, auch waren diese Mauern nicht hässlich, zumindest nicht der äußere Teil, den man von hier aus bewundern durfte. Ganze Flächen mit besonders geformten Steinen wechselten sich ab mit Wänden aus silbernem, goldenem und rötlichem Metall. Die Steine waren mit einem Material überzogen, dessen Farbe sich mit der Sonneneinstrahlung und Jahreszeit verändern konnte, weswegen wohl auch die Hajeps Jigon, ihre Mauer, doska, was bunt oder schillernd heißt, genannt hatten.

Heute zeigte sich ´Doska Jigon´ in einem lachsrosa Pastellton und die Zinnen befanden sich gerade in einem zarten grün. Die mit weißen, gemusterten Platten verkleideten, sechseckigen Wachtürme reckten sich stolz hinter Doska Jigon zum blauen Himmel empor. Ihre türkisfarbenen Kuppeln sahen so aus, als wären gerade kleinere Raumtassen auf deren flachen Dächern gelandet, doch dem war nicht so.
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Turm und Kuppel schienen fest miteinander verbunden, jedoch bekam man den Eindruck, je länger man hinschaute, dass sich die Kuppeln im Uhrzeigersinn drehen konnten. Sämtliche Türme waren durch zierliche, schneeweiße Brücken miteinander verbunden, deren verschnörkelte Geländer von hier aus wie geschnitztes Elfenbein aussahen.

George und Margrit ahnten, dass das hajeptische Volk Maschinen haben musste, welche selbst komplizierteste Muster millimetergenau in sämtliche Materialien fräsen konnten. Wenn man den Erzählungen der Menschen Glauben schenkte, so hatten die Hajeps schon lange die Schwerkraft überwunden. So sollten die Bauten dieses verwöhnten Volkes dementsprechend tollkühn und niemals gleich konstruiert sein, denn die Gefahr, dass diese oft verrückten und komplizierten Gebäude später einstürzen konnten, gab es infolge der künstlichen Gravitationsfelder nicht mehr. Über ganz Zarakuma schien die süße Leichtigkeit des Luxus zu schweben, von dem Margrit und George plötzlich meinten, dass dieser bis zu ihrem kleinen Berg herüberwehte.

Doch gerade als sich Margrit auf die Zehenspitzen stellte, damit ihr Auge – trunken von diesem sonderbaren Anblick - noch mehr von all dieser märchenhaften Pracht erhaschen konnte, weckten höchst vertraute Kinderstimmen aus der Ferne sie aus diesem Traum.

„Du lieber Himmel, George!“ krächzte sie erschrocken. „Könnte ich gleich noch mal das Fernrohr haben?“

„Ja, klar, ich lauf´ schon mal den Hügel hinunter. Verdammt, wir haben viel zu viel Zeit durch unsere dämliche Neugierde verloren. So ein Mist so was! Ich muss sofort mit Eberhardt sprechen, sonst vermasselt der uns alles!“

„Gut, geh du mal schon vor!“ keuchte sie aufgeregt, während sie durch die Linse guckte. Tatsächlich, da sah Margrit ihre Kleinen gerade einen der Hügel hinaufkommen – jedenfalls Tobias! Der half wohl seiner Schwester nach oben, indem er sie am Arm zog. Margrit sah ihn nur zum Teil hinter einem rosettenähnlichem Gebilde, bestehend aus mehreren fleischigen, rotbraunen Blättern, die ungefähr so geformt waren wie bequeme Rückenlehnen von Sesseln, hervorlugen.

„Ouuuh Goott?“ ächzte sie. „Du George, ich kann dich echt nicht begleiten! Hier sind meine Kinder! Verdammt, wie kommen die denn plötzlich her? Hach, in letzter Zeit sind sie immer so ungezogen!“ Sie knirschte mit den Zähnen, senkte das Fernglas und dann wandte sie sich um, weil sie in die entgegen gesetzte Richtung laufen musste.
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„Puh, na gut!“ rief er ihr noch schnell zu. „Ich werde Eberhardt fix eingeholt haben! Zur Not habe ich ja ihn um Gesine am Weiterlaufen zu hindern. He, okay hol` deine Kinder wieder her! Und, tja, nimm`s ihnen nicht übel, war in diesem Alter auch so! Ist eben die Lust am Abenteuer!“

„Aberteuerlust!“ Margrit schüttelte verärgert den Kopf. Das alles war doch hochgefährlich! Nein, sie war stocksauer auf die frechen Gören! „Willst du das Fernglas wieder haben?“ fragte sie noch schnell, während sie den Wall hinab und wieder zum Weg rannte.

„Nein, habe Eberhardt auch so im Auge, den verlier` ich so leicht nicht! Muss nur fix machen, bis bald!“ Auch er schritt zügig aus. Eine Reihe merkwürdig geformter Bäume - deren Stämme sahen so aus wie riesige, mit weißem Mehl bestäubte Tannenzapfen – säumte dabei seinen Weg.



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Gesine fuhr zusammen, gerade flog ein rosafarbener, nackter Vogel – er hatte lediglich an den Schwingen und am Bürzel lange, kaminrote Federn - erschrocken auf, dabei ein komisches Kreischen von sich gebend. Was hatte das Tier so erschreckt? Sie musste die Ursache herausfinden. Schade, denn eben hatten ihre spitzen Finger die fest verschnürte Tüte mit dem Stück von Danox im weichen Moos bereits erfühlt, denn genau unter diesem eigenartigen Busch, welcher keine grünen Blätter besaß, jedoch mit vielen kleinen, blauen Blüten wie überschüttet war, hatte sie damals Danox vergraben.

Wie gut, dass sie schon bei der ersten gemeinschaftlichen Fahrt Richtung Zarakuma ziemlich misstrauisch und somit schlau genug gewesen war, Danox unter der Innensohle ihres Turnschuhs einzunähen. Auch den wenig später von ihm angebotenen Bonbon hatte sie als ehemaliges Straßenkind sofort als Droge erkannt, sich diese nur in die Backe gesteckt und die Schlafende markiert.

Doch jetzt schien er ihr wohl auf die Schliche gekommen zu sein, denn soeben hatte sie ihn – zwar immer noch mehrere Meter hinter ihr - an diesem mannshohem Zebraschilfgras vorbeischleichen sehen, in dem wohl der Vogel sein Gelege zu haben schien, denn der war in der Nähe von Eberhardt geblieben und beobachtete ihn, immer noch aufgeregt vor sich hin keckernd, bei jedem Schritt.
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Gesine wühlte nun doch die Tüte völlig frei, nahm die mitsamt Danox in die Hand, denn noch hatte Eberhardt sie wohl gar nicht gesehen, weil sie am Boden kauerte, hinter den vielen Pflanzen verschwunden war. Und sie nahm Danox aus der Tüte wickelte das Stück in ein Taschentuch, knautschte das drum herum schön zurecht, so dass es ziemlich unappetitlich aussah, wie etwas arg Vollgeschnäuztes, packte alles zusammen wieder in die Tüte zurück und dann in ihre Jackentasche. Danach lief sie einfach weiter.



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Margrit hastete währenddessen mit zornrotem Kopf, wilde Flüche vor sich hin brummelnd, die schmalen Pfade mit den sonderbaren Kieseln entlang. Ach, wie das ekelhaft unter ihren Füßen quietschte! Vielleicht war es besser, wenn sie sich einfach einen Weg zum Beispiel durch diese riesengroßen Farne bahnte? Sie blieb kurz stehen, schaute empor – mächtige Pflanzen!

Ein Windhauch spielte dabei zart mit Margrits sonnenerwärmtem Haar, trug ihr den süßlichen Duft frischer Blüten zu. Sie schnupperte - oh, duftete das gut! Dann aber schob sie entschlossen die prächtigen, breiten Blätter – es raschelte dabei ziemlich komisch! - des gelben Farns zur Seite und sich an diesem vorbei. Immer weiter lief sie zwischen diesen prächtigen Stauden und blinzelte dabei unablässig in die Ferne. He, diese dicken, braunen Fleischpflanzen waren doch weiter entfernt als sie gedacht hatte.

Konnte sie einfach laut durch die Gegend rufen: ´Julchen, Tobias wo seid ihr?´ Sie wagte es nicht, denn es war den Lumantis nicht erlaubt, diese herrlichen Gebiete rings um Zarakuma zu betreten. Die waren allein zur Erholung des hajeptischen Volkes gedacht und irgendwelche holografischen Schilder sollten eigentlich darauf hinweisen. Aber wie das eben so manchmal mit der verflixten Technik ist, gerade heute war davon nichts zu sehen.

Wieder nahm Margrit das Fernrohr zur Hand, ja, dort weit vorne gab es zwar eine richtige Kolonie dieser braunen, wulstigen Gewächse, aber weit und breit nichts mehr von einem kleinen Ärmchen oder Bein, das hinter diesen komischen Dingern hätte hervorleuchten können, zu entdecken.
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Sie horchte in die Stille hinein. Nicht einmal Georges Schritte über den quietschigen Kies konnte sie jetzt hören! Na ja, und von Eberhardt und Gesine drang schon lange nichts mehr bis zu ihren Ohren vor, wurde wohl erstickt von all der Pflanzenpracht - dafür vernahm sie aber jede Menge Vogelstimmen.

Was war passiert? Wo waren die Kleinen so plötzlich hin? Sie war voller Sorge und Verzweiflung und auch der reinste Wüterich! Weiter lief sie, diesmal an fächerartigen, roten und blauen Stauden vorbei. Der schwere Blütenduft wurde dabei immer intensiver, betäubte sie fast, aber schließlich befand sie sich inmitten jener Kolonie der dicken, braunen, rosettenartigen Gebilde. Aber nein, da war kein Blondschopf, kein struwweliges Jungenshaar zwischen all den wulstigen Blättern zu entdecken und auch kein kindliches Flüstern mehr zu hören.

Dafür entdeckte sie aber den Urheber des betörenden Blütenduftes. Die braunen Stauden sahen zwar aus wie riesige, klobige Rosen am Erdboden, doch in deren Mitte prangten in einem zarten beige trichterförmige, etwa unterarmlange Blütenkelche.

Margrit taumelte, denn sie war an derart intensive Düfte nicht gewöhnt, an einem dieser Gewächse nur mit Mühe vorbei, stieß dabei versehentlich mal gegen diese und jene Blüte, ohne das richtig zu bemerken. Ach, sie war nur froh, wenn sie endlich von hier weg kam, denn von den Kindern war ja hier ohnehin nichts zu sehen! He, die waren gewiss längst viel weiter! Da flatterte plötzlich leise fiepend aus einem jener zarten Kelche etwas insektenartiges, knallrotes Margrit einfach hinterher. Es hatte etwa die Größe einer Feldmaus und war ein geschickter Flieger, denn es konnte mitten im Flug inne halten, für einige Sekunden schwebend hinter Margrit verharren. Verdutzt drehte Margrit sich danach um, denn sie hatte nicht nur das merkwürdige Fiepen auch das Flattergeräusch herannahen gehört.

„He, wer bist denn du?“ wisperte sie erschrocken. Ein Klos saß ihr plötzlich im Halse, denn es war ein winziger, feuerroter Saurier. War das Viech giftig, welches sie mit seinen etwa stecknadelkopfgroßen und jadegrünen Augen ebenso verwirrt zu mustern schien, die zierlichen, lederartigen Schwingen dabei auf und nieder schlagend.
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Lästigerweise sauste der seltsame Winzsaurier plötzlich immer rund herum um Margrits Kopf und das nun schon zum dritten Mal. Margrit versuchte zunächst, den kleinen Saurier wegzuwedeln, schlug schließlich nach dem Vieh, traf es aber nicht und so fuhr es mit seinen eifrigen Umkreisungen fort, inzwischen seltsame, schnarrende Töne von sich gebend. Hielt es sie etwa für eine Blume oder was? Warum flog es nicht endlich fort?

Margrit war plötzlich danach, entnervt losheulen zu können, doch dann lief sie einfach weiter, dabei immer wieder in die Luft schlagend, aber der Saurier ließ sich nicht abschütteln. Margrit passte nun höllisch auf, nicht schon wieder einen der Kelche beim vorübergehen zu berühren, falls noch mehr von diesen Viechern da drin saßen.

War es besser, sich jetzt doch Zarakuma zu nähern, weil da noch George, Eberhardt und Gesine um Danox verhandelten? Plötzlich meinte Margrit aufgeregte Stimmen in der Nähe Doska Jigons zu hören und dann ein seltsames Knattern und Zischeln. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Verdammt, wurde da vorne etwa geschossen? Das hörte sich ja verdächtig nach mehreren außerirdischen Gewehrsalven an. Was war dort passiert?



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Singoawin hatte jetzt so richtig die Nase voll. Denn - bei Ubeka – es war jetzt schon das zehnte Mal, dass er alleine die Überwachungssysteme auf dieser Seite Doska Jigons zu kontrollieren hatte, nur weil die anderen sich bei dem schönen Wetter einen guten Tag machen wollten. Xorr, alle durften jetzt Pause haben, nur er als Einziger wieder mal nicht! Nein, dann nahm er eben diese Arbeit auch nicht mehr so ernst.

Na schön, ganz unschuldig war er an diesem Schicksal nicht. Er hatte nämlich wieder Mal mit seinen Kameraden gewettet, was allerdings von Pasua streng verboten worden war und xorr, eben dabei verloren, und darum war er schon wieder mit dieser grässlichen Kontrolle der blödsinnigen Apparaturen alleine dran. Hach, er hasste Bildschirme, Roboter und Holografien inzwischen richtig!

Nanu? Xorr, da hatte er ja schon wieder dieses verrückte Lumantimädchen im Monitor! Bei sämtlichen Göttern des Alls, konnte die denn nie Ruhe geben? Wirklich sehr stur! Ständig wollte die ´nur einen Blick´ auf ihren Munjafkurin werfen! Das hatte er jedenfalls von seinen Kameraden erzählt bekommen, die ihm geraten hatten, bei dieser Lumanti ruhig eine Ausnahme zu machen, denn sie mochten Munjafkurin sehr, und keinen Alarm zu geben.
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Heute hatte Munjafkurin Ausgang. Bei Antsor, wer wusste schon, was die dann ´mit einen Blick werfen´ meinte!

Singoawins rechtes Augen zuckte bei diesem Gedanken ziemlich nervös. Diese Lumanti musste doch wissen, dass es ziemlich harte Strafen gab, wenn mehr als nur Blicke riskiert wurden! Nein, das wollte er heute auf keinen Fall durchgehen lassen. Er würde endlich Meldung machen, sogar bei der Suche nach Munjafkurin und dieser komischen Lumanti mithelfen, damit die beiden auf frischer Tat erwischt wurden. Bei allen Göttern, dann wurde er wohl auch abgelöst, kam auf diese Weise sogar endlich an die frische Luft! Hach, schien die Sonne dort draußen schön!



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George zitterte am ganzen Körper. Verdammt, wie konnte das nur geschehen? Vor etwa ein paar Minuten hatte er Gesine in der Ferne verzweifelt schreien gehört, dann Eberhardts energische Stimme und schließlich Kampfgeräusche, wobei allerdings keine Waffen gezogen worden waren. George hatte sich sehr beeilt, die beiden Guerillas zu erreichen, um ihren Streit, den sie wohl leider mit den Fäusten zu klären suchten, endlich zu schlichten.

Bald hatte er dann auch die Stätte ihres unsinnigen Kampfes erreicht, denn dort war sämtliches Gras und Moos niedergetreten und die Blätter der riesigen Farne geknickt, doch nach den beiden Streithähnen hatte er erst einmal weiter suchen müssen. Und dann kam dieser Schock, denn er wäre dabei beinahe über Eberhardt gestolpert, der völlig vertrocknet und kohlschwarz am ganzen Körper, wie eine Mumie in halb verwesten Lumpen, mitten im Wege lag.

Oh Gott, George hielt diesen Anblick jetzt einfach nicht aus. Er war in die Hocke gegangen, weil es ihn plötzlich im Halse würgte. Aber er musste ja doch wieder darauf gucken, denn er konnte sich ja auch geirrt und diesen Mann nur für Eberhardt gehalten haben. Auch wenn es im Bauch rumpelte, starrte er jetzt abermals in dieses Gesicht, was nach innen eingezogen und so verhutzelt wie eine uralte Kartoffel war. Ja, es war wirklich Eberhardt! Auch wenn diese Tatsache George einfach nicht gefallen wollte, denn dessen typische Gesichtszüge waren leider in diesem unwirklich erscheinenden Antlitz doch ziemlich deutlich erkennbar.
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Irgendwie musste George heulen, als er Eberhardt die Waffen, das Fernrohr und andere wichtige Dinge abnahm, auf welche wohl die Außerirdischen, die ihn umgebracht hatten, keinen Wert gelegt hatten.

Ach, allzu viel hatte George bereits mit Eberhardt an Abenteuern erlebt, um dabei völlig gelassen zu bleiben, außerdem hatte er diesen komischen Kauz richtig gerne gehabt. Das Teil von Danox hatte Eberhardt nicht dabei. Befand es sich inzwischen schon in hajeptischer Hand oder waren das Loteken oder gar Jisken gewesen? Wo war Gesine? Hatte man die ebenfalls getötet? Er holte eines seiner parfümierten Taschentücher hervor, um sich endlich die Nase zu schnäuzen, als er plötzlich lautes Kindergeschrei in der Nähe hörte.



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Am meisten gefielen Julchen und Tobias natürlich jene zottigen, etwa dackelgroßen Tiere, die fast bewegungslos zwischen Schilf und einer Gruppe schnatternder Wildenten im glasklaren Wasser eines herrlichen Sees trieben. Nur der silberweiße Rücken, die blauen, stechenden Augen, kleine runde Flauschöhrchen und die rosa Nase der seltsamen Fellviecher waren dabei zu sehen und darum mussten die Kinder jetzt einfach näher heran.

Der große Bogen, den sie eigentlich um diesen See hatten machen wollen, fiel daher ganz aus. Die üppig bewachsenen Hänge waren allerdings ziemlich steil und so stolperten die Kinder eher hinab als dass sie gingen.

Auf dem See schaukelten wunderschöne, riesige Blüten in leuchtenden hellen und dunkel lila Tönungen. Libellen, die so funkelten wie Edelsteine, schwirrten dicht über dem Wasser dahin. Lurche und Kröten glotzten ziemlich konsterniert zu den Kindern hin, als sie näher kamen.

Es war recht still, wenn man von dem leisen Käfer- und Bienengebrumm überall in den Bäumen absah und dem munteren Vogelgezwitscher, das hier und da aus den Klettergewächsen umrankter Stämme erscholl.

„Mann, Tobi ....du Tobiii, diiie ... die drei Dackel, an denen is aber schööön viel Fell dran!“ quiekte Julchen verzückt und setzte sich auf einen der Findlinge in der Nähe des Wassers und streckte die Hand nach dem ersten der drei Tiere aus, welches zutraulich näher gepaddelt kam, um es zu streicheln.
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Es war das größte der sonderbaren Wassertiere und es musterte Julchen ziemlich aufgeregt mit seinen hervor quellenden Glubschaugen. Auch das andere nahm nun Kurs auf die Kleine, während das Dritte plötzlich hinter einem der roten Felsen, die hier aus dem Wasser ragten, gänzlich verschwunden war. Die Schnauzen der beiden anderen waren ziemlich lang und vorgeschoben, ähnlich wie bei einem Ameisenbär, doch nicht so krumm, sondern hübsch gerade wie bei einem Krokodil. Es wuchsen unglaublich viele lange Schnurrhaare an den Seiten der Nasen. Die lilafarbenen Zungen fuhren jetzt ähnlich wie dünne Schlangen um die Lefzen der Beiden, denn sie hatten Appetit auf diese recht gut riechende Geschöpfe bekommen, welche ihnen so freundlich entgegen winkten.

Ihre runden Tiergesichter sahen so drollig aus, und die seltsamen Paddelbewegungen erschienen den Kindern dermaßen ungelenk, dass sie lachen mussten, als die Tiere dem Ufer näher kamen. Nun schwamm das größere der beiden Wassergeschöpfe noch ein wenig unschlüssig am Ufer hin und her, denn es war sich noch nicht darüber im Klaren, wie es das kleine Wesen, das ihm am nahesten war, am besten bei der Hand packen und zu sich und dem Weibchen ins Wasser ziehen konnte.

Eine schlanke, geschmeidige Gestalt hatte das alles vom Hang aus beobachtet, der das kleine Tal mit dem wunderschönem See umgab. Sie hatte sich gerade hinter einem der sonnengelben Farne versteckt, um nicht von diesen kleinen Lumantis gesehen zu werden, welche sie eigentlich schon die ganze Zeit verfolgt und verzückt beobachtet hatte, da sie solche Kidar - oder hießen sie Kitmar? - noch nie mit eigenen Augen betrachten hatte dürfen.

Sie kauerte sich hin und strich sich dabei das dunkelblaue und in viele winzige Zöpfe geflochtene Haar aus dem schönen Gesicht, um besser zu sehen und dann wanderte der Lauf ihrer Rinjat noch ein kleines Stückchen weiter,

denn inzwischen war die beiden Kmurfe doch lieber an Land gewatschelt, da Julchen in letzter Minute ihre Hand weggezogen hatte und jetzt war Julchen auch noch von dem Felsbrocken, der so nahe am Wasser war, aufgesprungen.

Aber ein vergnügtes Juchzen konnten sich sowohl Julchen als auch Tobias noch immer nicht verkneifen, denn die Viecher sahen an Land noch viel putziger aus als im Wasser, wohl weil man sie jetzt erst so richtig von allen Seiten betrachten konnte.
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Silbergraues Fell glänzte in der Frühlingssonne plüschig und ein buschiger, etwa unterarmlanger Schwanz zuckte mehrmals nervös hin und her. Ach, diese Tiere hatten außerdem ein ziemlich dickes Hinterteil. Die Brust war klein und schmal, die Hinterbeine ziemlich lang wie bei einem Karnickel. Die Vorderpfoten waren zwar kurz, jedoch die kleinen, geschickten Händchen krallenbewehrt. Sie watschelten nun unsicher schnüffelnd auf die Kinder zu, sich dabei fortwährend die Schnauze, aus der zwei lange, spitze Eckzähnchen herausragten, beleckend.

Die Hajepa krauste ihre tätowierte Stirn. Bei Ubeka, es war furchtbar mit diesen Kmurfen, denn sie verbreiteten Seuchen und vermehrten sich ähnlich rapide wie die Ratten bei den Lumantis. Es war kaum möglich, sie nicht an Bord seines Raumschiffes zu haben. Schießen wollte sie möglichst nicht, weil sie fürchtete, dass sich dann diese kleinen Lumantis sehr darüber erschrecken würden. Aber wo war jetzt der dritte Kmurf, der ganz sicher zu den beiden anderen gehörte? Plötzlich hörte sie ein Geräusch, wie wenn dünne Zweige und Äste zerbrochen würden. Ihr Kopf fuhr herum und sie drehte dabei die Lautstärke der silbernen und kostbar verzierten Ohrkapseln höher. Ihre schwarz umrandeten, roten Augen wanderten dabei in jene Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren, und da sah sie einen großen, breitschulterigen Lumanti ziemlich aufgeregt zum Wasser hinabschleichen.

Dieser zum Teil unsichere, aber dann auch wieder entschlossene Gang kam ihr irgendwie vertraut vor. Schnell schob sie sich ebenfalls von Farn zu Farn zum Tal hinab, immer noch die Waffe auf die beiden Kmurfe gerichtet, aber auch nach dem dritten Kmurf suchend. Bei Ubeka, hier ging`s wirklich ziemlich steil hinab!

„Halt!“ rief George jetzt den Kindern zu. „Nähert euch auf keinen Fall diesen zwei Tieren! Sie scheinen mir nicht gerade harmlos zu sein!“

In diesem Moment sauste der dritte Kmurf, der längst an Land gekommen war und im Gebüsch gelauert hatte, denn Kmurfe waren listige Kreaturen und pflegten stets im Rudel zu jagen, direkt auf George zu, um an ihm hoch zu springen und sich in dessen Gurgel festzubeißen.
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Obwohl die Hajepa sich nicht mehr richtig verstecken konnte, feuerte sie los. Es war ein prächtiger Schuss, denn der Kmurf rollte tödlich getroffen bis zum See hinab. Die übrigen Kmurfe bekamen einen solchen Schreck, dass sie sofort ins Wasser zurück flitzten.

George schaute sich um, und dann entdeckte er die schlanke, geschmeidige Gestalt hinter einem der Farne. Sofort erkannte er die Hajepa von damals wieder, denn er hatte dieses Gesicht in all jener Zeit nicht mehr vergessen können.

Ihr schien es genauso zu gehen, für einige Minuten starrten sich Mensch und Hajepa nur stumm an, waren sie zu keiner anderen Reaktion fähig. Äußerlich waren sie dabei völlig ruhig, doch tief in ihren Seelen brannte ein heißes Feuer, welches allmählich bis in ihre Gesichter stieg und so schlugen sie voreinander plötzlich scheu die Augen nieder.

Ein wenig zögerlich hob George nun das Gewehr an und grüßte sie.

Sie hob ihrerseits die Waffe ein wenig hoch, winkte schließlich damit und als beide in großer Verlegenheit überlegten, was sie noch Unverfängliches tun könnten, waren plötzlich Stimmen und Schritte mehrerer Personen hinter dem Hang und unten vom Wege her zu vernehmen.

“Dannaeh?“ klang es fragend über den Hang und dann wieder Stimmengemurmel. „Kon wan tan?“ erkundigte sich eine weitere weibliche Stimme aufgeregt und dann fragte noch eine: „Kir wan dos?“ Es schien wohl eine Einheit zu sein, die fast nur aus Frauen bestand.

„Akir?“ antwortete die Hajepa nach kurzer Überlegung.

„Kir jati to japina ti?” tönte es von unten und von der anderen Seite her.

„Pine udil!“ riefen jetzt einige Soldatinnen. „Jelsi to?“

„Buni!“ antwortete jetzt die Hajepa ziemlich energisch, warf noch einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf George und ihre dichten, blauen Wimpern flatterten dabei auf und nieder. „Noi jelso bruk clerte!“ setzte sie für die anderen möglichst kühl hinzu und dann wendete sie sich um, warf sich das lange, mit Talismanen geschmückte Haar über die Schultern, verschwand im Dickicht und lief von dort aus zu den anderen hinab, die sie aufgeregt empfingen.

George war so fasziniert gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass die Kinder zu ihm gelaufen waren und sich schluchzend an seinen Beinen festhielten, denn mitten im Gras lag noch immer der getötete Kmurf.
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Er hatte sein Maul weit aufgerissen und jeder konnte nun die vielen, rasiermesserscharfen Zähne sehen.

„Wir wollen zurück!“ jammerten die Kinder.

„Dannaeh!“ wisperte George völlig unpassend als Antwort. „Sie heißt Dannaeh!“ Wie betäubt lief er gemeinsam mit den Kindern zurück zum Jambo.



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Margrit rannte jetzt, denn schon wieder hatte sie einen Schuss gehört und zwar ganz in der Nähe, und wieder schien es dem Klang nach eine außerirdische Waffe gewesen zu sein. He, wer schoss hier denn wie verrückt herum? Die feuerrote Echse flatterte Margrit immer noch getreulich hinterher.

„Verdammtes Miststück!“ brüllte Margrit schließlich. “Ich bin keine Blüte, kapier`s doch endlich!“ Sie wendete sich herum und gab dem lästigen Minisaurier diesmal einen wohlgezielten Klaps. Woraufhin dieser taumelnd, aber in noch erstaunlich gerader Bahn in irgendeinem der löffelartigen, leicht transparenten Gebilde hinein segelte, ein seltsames, beinahe beleidigtes Fauchen dabei ausstoßend. Jetzt nahm Margrit aber die Beine in die Hand, damit dieses Viech sie nicht mehr riechen konnte und sie sah dabei zu, dass sie sich auch von jener Stelle entfernte, aus der die Schüsse zu hören gewesen waren.

Leise schnaufend hielt sie nach einem ganzen Weilchen an. Puh, trotz ihrer Verjüngung war das doch reichlich anstrengend gewesen, zumal sie die ganze Zeit dabei hatte aufpassen müssen, nicht über niedrige Pflanzen, die ebenfalls in reichlicher Zahl am Boden wucherten, zu stolpern.

Ach, sämtliche Wut auf die Kinder war inzwischen völlig verraucht. Die armen Kleinen! Die konnten doch auch in furchtbare Not geraten sein. Wirklich, die Kinder konnten ja nicht begreifen, wie gefährlich ihr Unterfangen im Grunde genommen war. George hatte ja so Recht. Viele schlimme, bedrückende Vorstellungen stiegen schließlich vor Margrits innerem Auge auf, denn sie war ziemlich phantasiebegabt.

Nachdem sie in eines der kleinen Täler hinabgelaufen war, um an dessen See einen Schluck von dem glasklarem Wasser zu nehmen, stand ihr Entschluss fest: sie würde so lange nach den Kindern suchen, bis sie die endlich hatte und wenn das noch Stunden dauern sollte!

Es war wirklich erstaunlich, wie viel heimisches Getier sich von dieser außerirdischen Botanik angezogen fühlte.
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Da hörte man zum Beispiel die höchst vertrauten Stimmen von Meisen, Staren und schlichten Spatzen, die sich mit dem fremdartigen Geschrei, Geträller und Gejauchze außerirdischer Vogelarten vermischten. Selbst die Luft war irgendwie erfüllt von vertrauten, aber auch völlig unbekannten Blütendüften. Und diese Insekten! Es gab hier zum Beispiel normale Zitronenfalter, Kohlweißlinge und so weiter aber auch erstaunlich große, farbenprächtige Schmetterlinge! Während Margrit den Hang empor hastete, meinte sie plötzlich, eine Bewegung dort oben zwischen zwei großen Büschen gesehen zu haben.

Und wenn es nur eine Amsel war, die versehentlich gegen die dichten Zweige stieß, oder ein Eichhorn - so wie

letztens? Nein, dazu schaukelten die Zweige zu heftig! Je höher sie kam, um so lauter glaubte sie, merkwürdige Geräusche hinter den dichten, blauen Blütenbüschen zu hören. Nein, es war kein Kind! Jemand großes, langes wälzte sich anscheinend dort am Boden und stieß keuchende Laute aus.

War er verletzt? Du meine Güte, was war denn da passiert? Sie dachte an den Schuss, den sie vorhin gehört hatte. Oder kam das Schnaufen etwa nur von Margrits eigenen Lippen? Sie hielt mit klopfendem Herzen den Atem an und lauschte in sich hinein – nein, es kam wirklich von dort. Dort hinten - wie unheimlich - stöhnte und ächzte also jemand. Verdammt, das war ja nicht nur Einer! Zwei Erwachsene schienen heftig miteinander zu kämpfen! Etwa George und Eberhardt? Sollte sie sich da einmischen? Oder ihnen vielleicht nur etwas zurufen? Aber wenn`s diese beiden nun gar nicht waren?

Margrit schlich näher. Tatsache, hier kämpften zwei Leute auf kleinstem Raum, denn die blauen, zarten Zweige brachen dabei sogar zum Teil, abgerissene, lädierte Blüten segelten zum Tal hinab, verschwanden zwischen seltsamen Wildblumen und Schlingpflanzen oder landeten auch oben auf den zwei bloßen, menschlichen Knien, die man nur deshalb als solche identifizieren konnte, weil sie angewinkelt und in Bewegung waren.

Margrit rückte noch ein Stückchen vor und entdeckte dadurch ein paar weitere, wesentlich längere, haarige Beine mit durchtrainiertere Waden und Oberschenkeln, die sich geschmeidig und panthergleich zwischen den zarten, hellen Knien hoben und senkten.
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Margrit stockte der Atem, denn irgendwie kamen ihr diese rhythmischen Bewegungen vertraut vor! Sie wartete, bis sich ihr wilder Herzschlag ein wenig beruhigte und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Da lag also ein Blauer auf einer Weißen und den hatte sie nur deshalb nicht sofort als Außerirdischen erkannt, weil der Busch halt blau wie ein Hajep gewesen war. Aber was war, wenn in diesem Gebüsch gerade eine Lumanti von einem Hajep vergewaltigt wurde? Aber vielleicht war diese Frau ja gar nicht in Not? Margrit schlich noch ein bisschen vorwärts, hielt den Atem an und lauschte abermals. Ja, man konnte das weibliche Stöhnen vom männlichen irgendwie unterscheiden. Aber ob die Frau in Not war, schien damit noch lange nicht geklärt. Darum zog sie, als sie nahe genug heran war, vorsichtig einen Zweig des Busches zurück, und es zeigte sich darunter ein durchtrainierter, nackter Hintern, der auf und nieder ging! Margrit studierte für einen Augenblick diesen nicht uninteressanten Bewegungsablauf, aber ohne zu einem entgültigen Ergebnis zu kommen.

Drückte nun das Wimmern der Frau, die unter diesem starken, muskulösen Hajep schier vergraben lag und der im übrigen immer schneller und heftiger wurde, Not aus, oder ...? Da hörte sie den Jimaro plötzlich laut und stark Stöhnen, sein prächtiger Rücken, bei dem das Spiel der Muskeln gut zu sehen war, krümmte sich, bäumte sich auf und hob sich Margrit entgegen, diese bog den Zweig noch ein bisschen zurück, um besser zu sehen. Dabei entfuhr dem Hajep ein heftiges Seufzen, fast wie ein ekstatischer Schrei und fast gleichzeitig war das Blatt, an welchem Margrit das Zweiglein festgehalten hatte, abgerissen Der Zweig sauste wie eine Peitsche hinab, fuhr klatschend auf das hocherhobene Hinterteil des Hajeps und hinterließ bei dem Verblüfften eine dunkle Strieme, noch ehe er erschlafft auf das Mädchen zurück sinken konnte.

Mit einem wilden Sprung versuchte sich Margrit nun vor dem Jimaro in Sicherheit zu bringen, der zwar splitternackt, aber im Nullkommanichts wieder auf den Beinen war. Sie bemühte sich, hinter einem dieser breiten, geschuppten Baumstämme Zuflucht zu finden, aber vergebens, seine Pranke hatte sie schon von hinten beim Kragen gepackt.
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„Tankreta Lumanti!“ tobte der Riese und rüttelte Margrit dabei so als wäre sie nichts als ein alter Staublappen. „Was du zu suchen her hast?“

„E ... entschuldigen Sie“, stammelte Margrit, „d ... das geschah wirklich nicht mit Absicht. V .. vielleicht kann man Salbe drauftun oder Puder?“

„Was du her macherst?“ wiederholte der Jimaro eindringlich und schlackerte Margrit nun so grob hin und her, dass ihr der Kragen der Bluse zu eng wurde. Sie hustete und würgte sich und schließlich sprangen die Knöpfe vom Halse an nacheinander auf.

„Spa ... spazieren gehen!“ ächzte sie.

„SPAZEREN?“ echote er ungläubig. „Nix spazeren“, brauste der Jimaro auf. „Das her is hajeptisches Gebet! Du verstehst? HAJEPTISCHES GEBET!“

„Nicht Gebet sondern Gebiet!“ verbesserte sie ihn matt. He, so langsam tat das Geschüttele echt weh und Margrit bekam nicht nur Angst sondern auch Gewissensbisse. Ach, ach warum war sie nur so neugierig gewesen und hatte nicht getan, was jede andere vernünftige Mutter an ihrer Stelle gemacht hätte, nämlich weiterlaufen, ohne auf andere zu achten und eifrig nach den Kindern suchen. „I ... ich habe meine Kinder gesucht!“ stammelte sie jetzt.

„Kindar?“ wiederholte der Hajep erstaunt. Da entdeckte Margrit, dass inzwischen ihre gesamte Bluse

von oben bis unten durch das beständige Gerüttele aufgerissen war. Gott sei Dank hatte sie noch ein Hemd darunter! Vermochte dieser Jimaro Gedanken zu lesen? Denn schon spürte Margrit seine Hände nicht mehr am Kragen, statt dessen an ihren Armen.

„Ach“, keuchte sie, “lassen Sie sich doch durch mich nicht stören. Können ruhig in ihrem Gebüsch weitermachen. Bedenken Sie, Ihre Freizeit ist knapp und ... also ... jeder sollte ruhig seine Hobbys pflegen.“

Er hatte sie derart abrupt zu sich herumgedreht, dass ihr linker Turnschuh dabei auf der Strecke geblieben war.

„Du zu niemannen sagest, was du ebene im Gebäusch hast gesehinn!“ keuchte er aufgeregt. „Xorr! Was du hast Gesehinn?“

„Äh, n .. nichts, rein gar nichts!“ nuschelte sie undeutlich, denn sie hatte durch die ständige Schüttelei einen Zipfel ihres eigenen Haares in den Mund bekommen.
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“Und erst recht nichts im Gebäusch!“

„Zo es is gutt! Sonstig isch werdinn machinn disch töt späterrer. Du versteherst?“ Er zupfte ihr die Haare von den Lippen.

„Ja, sogar sehr!“ keuchte sie.

„Hallo ihr Zwei!“ vernahm Margrit jetzt von hinten eine helle Stimme. „Müsst ihr denn gleich solches Blech daherreden, der eine wie der andere?" Dann ertönte ein helles Lachen, das Margrit recht vertraut vorkam und daher atmete sie vorsichtig auf, obwohl sie der Hajep immer noch an einem Arm gepackt hielt.

Der wusste wohl noch immer nicht so recht, was er von der ganzen Sache halten sollte und trat daher ein wenig zur Seite, so dass sein Liebchen die Gefangene besser betrachten konnte.

„Ah, ja“, erklärte die Mädchenstimme, „es ist tatsächlich meine Freundin. Die wird uns beide ganz bestimmt nicht verraten!“ Gesine warf dabei Munjafkurin ein Hemd zu.

„Werr die Frau is?“ wollte der Hajep immer noch misstrauisch von seiner Freundin wissen, und er hatte sich Margrit – zwar nur mit einem Finger – jedoch sicherheitshalber bei der Schlaufe ihres Gürtels gekrallt.

„He, ja, stell ich euch eben einander vor!“ schnaufte Gesine, die gerade in ihre Hose schlüpfte. „Margrit, das hier ist Munjafkurin.“

Sie hatte den jungen Soldaten ganz anders in Erinnerung. Na ja, da hatte der ja auch einen Helm über dem Gesicht getragen. Aber diese Größe, diese Muskeln? Munjafkurin trug zwar einen prächtigen Haarkamm, so wie Oworlotep, aber ansonsten war der ganze Schädel kahlrasiert und völlig tätowiert. Außerdem hatte er keinerlei Schmuck, geschweige denn Talismane im wenigen Haar. Er besaß lediglich eine prächtige Spange, welche die dunkelblauen Strähnen steil aufgerichtet hielt.

„Er ist reinrassiger Hajep und jetzt Jimaro jener Einheit, die Warabaku befehligt,“ berichtete Gesine einfach weiter und warf dabei Munjafkurin seine restlichen Sachen zu und der begann sich ebenfalls anzuziehen. „Er gehört außerdem zur Kaste der Elteks und .. he ... soll ich dir auch noch alle seine Auszeichnungen aufzählen, die er für hervorragende Leistungen im Laufe der Jahre erhalten und die man ihm neulich zur Strafe wieder abgenommen hat?“

„Nö, die kannst du dir ruhig sparen!“ Margrit hob unauffällig die Hände, um sich endlich ihre Bluse zuzuknöpfen.
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„Munjafkurin“, Gesine machte dabei eine wedelnde Handbewegung Richtung Margrit, „das hier ist Margrit Schramm!“

„Ubeka“, rief der ebenso verdutzt wie zuvor Margrit, „doch nischt etwar diie Marktstramm ... hm ... Marktschwamm oder Marktstamm ... oder?“

„Och, was sind schon Namen!“ wehrte Margrit hastig ab und suchte dabei im dichten Moos nach ihrem Turnschuh, den sie vorhin verloren hatte. „Hauptsache, man versteht sich.“

„He, Margrit, wenn Munjafkurin dich verpfeifen würde“, Gesine bekam dabei ganz kleine, gefährliche Augen,

„würde er nach unserem Zahlensystem eintausend fünfhundert Klontis bekommen, die für deine Ergreifung vom Oten ausgesetzt worden sind.“

„Eintausend Klontis?“ wiederholte Margrit. Ihre Stimme klang plötzlich wie ein schlecht geöltes Rad. Sie hatte ganz vergessen, sich den Schuh zuzubinden, in den sie gerade geschlüpft war.

„Und nöch funfhündert!“ fügte Munjafkurin hinzu, während er sich die Hosenbeine seines komischen Kleidungsstückes hochzog.

„He, Klontis, das sind so komische Chipkarten, weißt du, welche die Hajeps statt einer Währung haben. Aber keine Angst“, Gesine lachte, „du kannst dich auf Munjafkurin verlassen, dass der niemanden verpfeift, weil der nämlich selbst schon oft genug verpfiffen worden ist. Sowas empfindet der als einzige Schweinerei, nicht wahr Munjafkurin?“

„Akir!“ Er nickte und sein prächtiger Haarkamm fiel ihm dabei zum Teil über Nase und Augen. „Is Schreinerei!“

„Nur bei anderen Hajeps müsstest du etwas vorsichtiger sein“, wandte sich Gesine wieder an Margrit, „obwohl“, sie betrachtete Margrit gründlich, „so in jung siehst du eigentlich ziemlich anders aus!“

Der Hajep musterte Margrit nun ebenfalls von oben bis unten. „Akir, zimmerlisch!“ bestätigte er.

„Ich habe Munjafkurin bereits erklärt, dass du damals fortgelaufen bist, weil du das hajeptische Kastensystem genauso hasst wie er!“

„Ach ja?“ krächzte Margrit verdutzt.

„Akir, und isch hasser es auch ... bah!“ Munjafkurin spuckte demonstrativ auf den Boden aus.
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„Schreinerei würgelische is Pasua und Scolo!“

„Und wo ist jetzt Danox?“ rückte Margrit endlich mit ihrer bangen Frage heraus.

„Natürlich bei Munjafkurin!“ erklärte Gesine mit leuchtenden Augen und dieser wies auf eine bestimmte Stelle seines Hemdes, wo wohl eine verborgene Tasche war.

Margrit nickte Munjafkurin traurig zu! Also war es damit aus, entgültig vorbei! Nie mehr würde sie Danox wiedersehen. Nicht einmal jenen kleinen Teil von ihm!

“Weißt du“, schwatzte Gesine nun einfach weiter drauflos, „Munjafkurin kennt jemanden, einen ganz bekannten Wissenschaftler, dessen Namen er mir nicht nennen wollte, falls ich mich verplappere, der es sich zutraut, sämtliche Teile von Danox wieder zusammen zubauen.“

„Ach nein?“ krächzte Margrit und verknotete dabei ziemlich fahrig endlich ihre Schnürsenkel.

Gesine klopfte sich stolz an die Brust. „Du siehst also, wir waren heute nicht nur dort hinten im Gebüsch beschäftigt!“ Sie kicherte abermals, doch plötzlich erstarb ihr das fröhliches Gegluckse, denn Munjafkurin hatte sie derb beim Handgelenk gepackt.

„Ziett!“ wisperte er erschrocken. „Hiat Ubeka, da hintern ... sie kammen!“ und er schob Gesine, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, hinter sich in ein etwa hüfthohes Buschwerk, dessen Zweige von unten bis oben mit kurzen, dichten, haarähnlichen Büschelchen bewachsen waren. Er baute sich, die Beine breit, die Fäuste auf die schmalen Hüften gestützt, todesmutig davor auf.

Margrit war so erschrocken, dass sie die Gelegenheit sich zu verstecken einfach nicht wahrnahm. Sie stellte sich stattdessen neben Munjafkurin und starrte genau wie er Hügel abwärts. Von dort kamen fünf Hajeps zügigen Schrittes hinauf. Vier von ihnen sprachen die ganze Zeit aufgeregt miteinander, ab und an zornige Blicke nach Munjafkurin und der Lumanti neben ihm werfend und allen voran schritt wohl ihr Anführer, den man schon als solchen an Gang und Körperhaltung erkennen konnte: Tjufat Warabaku!

Und noch etwas zeichnete Warabaku unter allen anderen als typisches Oberhaupt aus und das war seine Haarpracht. Ja, Margrit gewann sogar den Eindruck, dass sich die Position und Kaste der Hajeps auch in der Länge ihrer Haarpracht erkennen ließ, denn Warabaku durfte noch zusätzlich zu seinem Kamm, der an sich schon ziemlich prächtig war, an den Seiten über den Ohrkapseln zwar recht kurz geschorenes, aber immerhin Haar tragen und keine Glatze wie die einfachen Soldaten.
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Oben angekommen liefen die fünf jedoch nicht direkt auf die beiden zu, sondern zum arg lädierten Gebüsch in welchem sich Munjafkurin eben noch zärtlich mit Gesine herumgewälzt hatte. Munjafkurins Gewehr, lehnte noch dort an einem der silbergrauen Schuppenbäume und hier hatte er auch seinen Waffengürtel aufgehängt. Warabaku nahm wortlos den Gürtel vom Ast, einer der einfachen Jimaros das Gewehr an sich, dabei Munjafkurin mit einem kurzen, verächtlichen Blick streifend. Die restlichen drei Hajeps hoben währenddessen die Zweige des Busches an und betrachteten kopfschüttelnd die niedergewälzten Farne und das flachgedrückte Moos.

Margrit spürte, ohne dabei die leise, eigenartige Sprache verstehen zu müssen: Munjafkurin war in den Augen seiner Einheit hiermit erledigt!

Nun schritt der Tjufat direkt auf Munjafkurin zu, der seinen Platz noch immer nicht verlassen hatte und Warabaku folgten wie ein Rudel geschmeidiger Raubkatzen seine Männer.

„Xorr, kir jati to ti japina!” brüllte Warabaku einfach Munjafkurin an, Margrit dabei überhaupt nicht beachtend.

„Chajeto!“ verteidigte sich Munjafkurin kleinlaut. „Noi jato pir nabarkion!“

Da verzog Warabaku sein eigenartig schönes Gesicht wie eine Fratze. „To kos jonkert!“ zischelte der Offizier auf das höchste gereizt. „Tes gua to gelguma … likono ziet!”

„Malgat!“ Munjafkurin stand stramm, die Arme dabei gesenkt und seitwärts an den Körper gelegt.

Der Offizier holte aus und gab Munjafkurin eine kräftige Ohrfeige auf die rechte Wange. „Shep!“ schrie er.

Munjafkurin verzog kaum das Gesicht, ja, seine Miene wirkte fast so, als habe er gar nichts gespürt, so teilnahmslos starrte er in die Ferne.

„Chep!“ brüllte das Oberhaupt abermals und es klatschte sogleich zum zweiten Mal. Nun färbte sich auch die linke Gesichtshälfte Munjafkurins dunkel und die Finger des Offiziers zeichneten sich daran ab, doch der starre Blick Munjafkurins veränderte sich nicht.

„Chep!“ wiederholte der Truppenführer lauernd und schon schlug er wieder zu, Munjafkurin rührte sich nicht.
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„Chep ... dandu ... chep!“ kreischte der Offizier und Ohrfeige auf Ohrfeige folgte. Munjafkurins Gesicht war inzwischen stark angeschwollen und Margrit wurde schlecht.

„He ... äh ... hallo?“ krächzte sie schließlich. Das war wohl zu leise gewesen, denn niemand schien es gehört zu haben. Oh Gott, schon allein das Zuschauen war unerträglich und der Tjufat schien von Mal zu Mal brutaler zuzuschlagen. Sie räusperte sich. „Hallooo!“ brüllte sie.

Das Oberhaupt hielt inne und dessen Männer betrachteten Margrit nicht ohne Erstaunen, denn kaum jemand hatte es je gewagt, einen Hajep mitten bei einer Bestrafung anzusprechen. „Na, wassis?“ knurrte Warabaku und fügte mit hämischem Blick hinzu. „Willigst du vielleischt was davonne abhaben?“

Immerhin sprach Warabaku ein recht anständiges Deutsch. „N ... nein, das lieber nicht“, stotterte Margrit und musterte dabei Munjafkurins kaputtes, starres Gesicht. „Aber ... warum verhaust du den da eigentlich?“

„Interessiert disch das?“

„Ja, sehr!“

„Dann du hast Pesch gehabt!“

„Aber ich will nur ...“

„Kor ziet!“ schnitt er ihr mit einer knappen Handbewegung das Wort ab, was wohl soviel ausdrücken sollte, wie: „Halt die Schnauze!“ Er hörte aber auf Munjafkurin zu schlagen und ließ sich dafür dessen Gewehr geben. An einem großen, roten Felsbrocken, der hier gerade aus dem Moos herausragte, zertrümmerte er Munjafkurins Gewehr mit nur drei, jedoch genauestens berechneten Schlägen.

Margrits Blick ging dabei zu Munjafkurin. Es war seltsam, aber diesmal zeigten sich in seinem sonst so beherrschten Gesicht die ersten Anzeichen tiefer Erschütterung. Für Margrit war klar: Jeder Hajep hatte wohl sein Gewehr. Er hatte weder Mutter, Vater, Bruder oder Schwester und vielleicht sogar gar keinen wirklich treuen Freund aber immerhin nannte er ein Gewehr sein eigen, auf welches er sich voll und ganz verlassen konnte! Munjafkurin fühlte sich also durch die Zerstörung seiner Waffe, die ihn wohl schon ein halbes Leben lang begleitet hatte, entehrt! Es flackerte darum seltsam in seinen Augen und die schön geschwungenen Lippen zitterten. Seine Kameraden sahen dies mit großer Genugtuung und Margrit spürte, wie deshalb mächtiger Zorn in ihr aufkeimte.
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Sie wendete daher ziemlich ruckartig ihren Kopf wieder in Warabakus Richtung. Der schüttelte gerade die glasähnlichen Teile aus der Schaltfläche, die in kleine Stücke zersprungen war, aus Munjafkurins Waffe heraus, streute die Scherben vor Munjafkurins Füße, der in starrer, aufrechter Haltung im Kreise seiner neugierig gaffenden Kameraden weiterhin ausharrte, auf den Sandboden. Es war die einzige freie Stelle, wo mal keine Pflanzen, nicht einmal Moos wuchs!

„Ka te chun!“ zischelte der Truppenführer hasserfüllt. Munjafkurin hatte wohl einem besonderen Befehl Folge zu leisten. Jedenfalls schien das jeder der Umstehenden von ihm zu erwarten und so fiel er nach kurzem Zögern vor seinem Herrn auf die Knie, und zwar mitten in die Scherben.

„Aaaah - NICHT!“ kreischte Margrit schmerzverzerrt für ihn.

Der Offizier horchte auf. „Hast du schonne weder was dazu zu sagginn?“ knurrte er.

„Ja, also .. ich finde, dass du ihn bestrafst, das ist ... ist nicht gerecht!“

Die kleine Hajepmeute musterte Margrit ob ihrer Tollkühnheit nun mit einer Mischung aus Amüsiertheit und Zorn, aber auch heimlicher Bewunderung. Man schwieg und die Blicke wanderten zum Offizier. Man war neugierig, was Warabaku nun machen würde.

Der tat als habe er nichts gehört und gab Munjafkurin stattdessen folgenden Befehl: „To pin tiz ae Matunutsch boret tal xitajed!“

Munjafkurin bewegte daraufhin die blutenden Knie, warf sich vor Warabaku der Länge nach auf den Boden streckte die Beine hinter sich und somit den ganzen Körper aus. Die Hände hielt er rechts und links nur wenige Millimeter von dem Scherbenhaufen entfernt aufgestützt. Margrit ahnte, was nun kommen sollte: Liegestütze über dem Scherbenhaufen.

„Nein!“ brüllte sie überlaut. „ Tu`s einfach nicht Munjafkurin!“

„Err gehorchinn würd“! erklärte Warabaku ganz selbstverständlich. „und bei disser kleininn sporterlischinn Ubüng auch ein wenisch springern und dabai in die Handschinn klätschinn!“

„Er ... er wird nicht auf den Scherben springen!“ stotterte Margrit und hielt dabei vorsichtig Ausschau nach Gesine, die sich zum Glück inzwischen ein Stück fortgeschlichen hatte.
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„Gäns rächt! Er würd nischt auf zondern über die Scherbinn springern, meiner Scheenste! Allerdingst nür, wenn er geschickt genüg is!“ Er wollte sich gerade wieder Munjafkurin zuwenden, wohl um dem diesen schrecklichen Befehl zu erteilen, als ihn Margrit beim Ärmel zupfte. Verblüfft schaute er sich nach ihr um.

„Und wie lange muss er das machen?“ fragte sie.

„Xorr, sagginn wirr malich ... zo for eine Stünde, nach eurerer menschlichten Zaitrechnüng!“ erklärte Warabaku schlicht.

„D ... das kann niemand durchhalten!“ ächzte sie. Du liebe Zeit, das dort hinten war ja George! Der hatte sich eben noch etwas tiefer geduckt, um hinter den Farnen verborgen zu sein und nun glitt er an einer Reihe etwas seltsam ausschauender Minipalmen vorbei.

Der Offizier hob teilnahmslos die Schultern. „Hiat Ubeka, dassis dann sein Pääch!“

Margrit blickte den Tjufat mit einer tiefen Falte auf der Stirn an, dann wanderte ihr wachsames Auge wieder zu Munjafkurin. Dem Armen zitterten, weil er noch immer über den Scherben ausharren musste, indes die Arme und Knie.

„Wohl kaum“, sagte sie nun und versuchte ihrer Stimme einen ruhigen festen Klang zu geben, „weil ich nämlich vorher euer Oberhaupt sprechen werde.“

Für einen kurzen Augenblick fehlten den fünf Männern regelrecht die Worte, dann aber begannen sie in ihrer seltsam Sprache, über Margrit zu lästern. Komische Bemerkungen wie: ´Intilae´, oder ´ichta truwon Lumanti´, ´contriglusi, tan wan lossi´ und ´tan wan a faikenbar?´ vernahm sie und sah, wie die Gesichter der Hajeps dabei übermütig zuckten. Offenbar hatte Margrit etwas sehr Witziges gesagt. Selbst der Offizier konnte ein undiszipliniertes Zucken seiner rechten Augenbraue in dem ansonsten maskenhaften Gesicht nicht verhindern.

„Nunni wie ville Oberhaupter kenninn wir denne zo inzwitschen personnlisch?“ fragte er amüsiert.

„Ich ... also ... na , ich möchte Oworlotep sprechen!“ Margrit war von sich selbst überrascht. Was war mit ihr auf einmal geschehen?

Aber Munjafkurin spürte, dass er jetzt irgendwie unwichtig geworden war, und nutzte diesen Umstand. Er hockte sich einfach hin statt weiterhin über den Scherben auszuharren, einen bewundernden, dankbaren Blick auf Margrit werfend.
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„OWORLOTEP?“ Der Offizier schaute drein, als habe er sich soeben an einer Auster verschluckt. „Woher du kennerst dissen Mann?“

Nun überfiel Margrit doch eine gewisse Furcht. „Äh, das spielt jetzt keine Rolle“, krächzte sie, „jedenfalls hätte ich ihn gerne gesprochen und ... "

„Ich auch!“ Der Truppenführer tippte sich dabei eifrig an die Brust. „Wir ihn hättinn eigentlisch alle mal ganz gerne gesprecht, nischt wahrlich?“ Er schaute sich nach seinen Männern um und diese nickten feixend.

„Wie ... wieso geht das nicht?“ fragte sie erstaunt.

„Oh, wasse for einer Frage ... welsch einer klüge Frager!“ spottete der Offizier. „Höre, kleinlisches Lumantischinn,wir", er beugte sich zu ihr hinab, „lebinn in einim ´Moradom´, in einerm strang geordneteten Kasten ... hm ... system.“ Der Offizier schien derart stolz auf dieses System zu sein, dass er mit einem Male richtig in Fahrt kam und auch seine Männer hörten zufrieden zu und aus dem Augenwinkel sah Margrit, dass sich Munjafkurin nun von all den Strapazen ein bisschen zu erholen begann. „Keinar der ünteren Kaste dürf unaufgefordert die Angehorigern vonne einer hoheren Kaste anspreschinn“, fuhr der Tjufat sehr eifrig fort, „geschweige derinn Räume betretern. Isch und dieser Jimaros hier ...“, er machte eine weitschweifende Handbewegung, die wohl das kleine Trupp dabei einschließen sollte, „... sind aller Elteks, in eurer Spreche überzetzt: Dürchschnitterliche! Ville Kastern zind noch übar und unter uns und ganz weit untinn da stehinn die erobertinn Völker und da steherst auch DU!“

„Da stehe ICH?“ Margrit tippte sich an die Brust.

„Rischtick!“ Er nickte zufrieden, dachte kurz nach und fügte noch hinzu: „Xorr, du bist würgelisch ein büsschinn selbser Schuld, dass es Munjafkurin“, er schaute sich dabei nach diesem um, und der hatte sich gerade noch rechtzeitig über die Scherben werfen können, “zo schlächt ergehinn muss, denn auch du weißt gänz genau, dass es for eininn Hajep verbotinn is, langer als drei Tage mitte Lumantis zusamminn zu sein!“

„Das bin ich ja gar nicht!“ sagte sie aus einer plötzlichen Eingebung heraus.
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„Er und ich sind nur heute und auch nur so ein bisschen!“ setzte sicherheitshalber noch hinzu.

Munjafkurin schnaufte verdutzt und Margrit versuchte, dabei ein möglichst verschämte Miene zu zeigen.

Zuerst machte der Tjufat übertrieben große Augen und dann zuckte sein Gesicht erheitert. „Zai, immerhin gibelst du schonn mal zu, dass du heute unsererer Gesätze übertretinn hast!“

Margrit nickte scheinbar reuig. Oh Gott, George meinte wohl, das Margrit in Not war, da zwei der Jimaros sie während des Gesprächs in ihre Mitte genommen hatten. Er hatte totsicher vor, sie in irgendeiner Form zu befreien. Wie konnte sie ihm nur ein unauffälliges Zeichen von hier aus geben?

„Drei Strafinn hat Munjafkurin deshalbig im Beisein von Zeuginn durchzustehinn und glaube nischt, dass mir das leicht fallt, denn auch isch schätzechinn Munjafkurin sehr! Aber Gesätz is nunni mal Gesätz und isch erlädige die Strafinn besser glaich hier als öffentlisch auf dem größinn Platz, denn da muss isch nöch härter durchgreifinn.“ Der Tjufat beugte sich nun wieder auf eine ziemlich hochnäsige Weise zu Margrit hinab! „Aber isch glaubere, wenn das so weitergehrt, werdit ihr sozusagern glaich als Paar drankommen!“ fügte Warabaku irgendwie zufrieden hinzu.

„Aber, ich gehöre doch gar nicht zu Munjafkurin!“ protestierte sie.

„Richtick, jetzt naturlisch nisch mehr!“ Er hob gemahnend den Zeigefinger. “Aba fruher schon ... und zwar serr häufig!“

„Nein, eben nicht häufig!“ protestierte Margrit. Himmel! Jetzt war George schon so nahe, dass er bald auf Gesine stoßen musste.

„Hmmm, wie häufig is mir eigentlisch völlig egal“, erklärte der Tjufat jetzt ziemlich begütigend, „abar du bist nunni malig dese Gesine und die hatte schonn immer ...“

„Die bin ich eben nicht!“

“Doch, doch! Jall, du kannst misch nischt belugen, denn schießlisch hat disch Singoawin, der stehert links nebinn mir, heimelisch beobachtet, wie du mit Munjafkurin handschinnhaltind spazeren geganginn bist.“ Der Erwähnte nickte dazu stumm und betrachtete Margrit, etwas unsicher geworden Außerdem hatte er vorhin seinen Bericht so ein bisschen ausschmücken müssen, damit endlich überhaupt auf ihn gehört wurde.
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Doch der Offizier fuhr einfach fort: „Akir, das is nuni mal die Wahrheiter!“

Margrit schüttelte indes in Georges Richtung verneinend den Kopf, da der noch näher wollte.

„Djak! Da braucherst du gar nischt so fassungslosig mit dem Köpf zu schitteln, kleinlische Lumanti, contriglusi!“

„Aber, ist es denn auch älteren Lumantis gestattet Zarakuma zu betreten?“ fragte Margrit nun überlaut, um dadurch den Offizier und seine Männer vom Gebüsch abzulenken, welches sich gerade hinter ihnen ziemlich heftig bewegt hatte, da George gegen die zusammengekrümmte Gesine geprallt war.

„Älteren? Denda ... natürelisch nischt. Wir Jimaros wollinn doch junge und knäckige Menschinn haben.“

„Siehst du und ich bin achtundvierzig.“ Margrit atmete erleichtert durch, da sie ahnte, dass George Gesine inzwischen tröstete.

„Du meinerst, du wast aus diesem Gründe nie in Zarakuma und kannest dahär auch nischt Gesine sein?“

„So ist es und meine Haare sind im übrigen nicht blond, sondern braun!“"

Singoawin hatte das auch gerade festgestellt und klimperte deshalb unsicher mit den Augendeckeln.

„Hich ... würgelisch!“ Auch der Tjufat betrachtete Margrit fassungslos. „Aba es zind auch ein paar gälbä Strähnschinn drin!“ bemängelte er.

„Kann schon sein!“ Ach, war das schön! Margrit sah trotz der dichten, komischen Fellzweige, dass George gerade das Foto ihrer Kinder empor hielt, dann wies er in die Richtung, wo er die Kinder gefunden hatte und drückte das Foto an sich. Sie holte sehr erleichtert Atem. „Aber nun möchte ich doch wissen, mein hochverehrter Waba ..."

„Wara ..."

“Also Warabako …”

“Ku!“ zischelte er.

„Kuh .. ach nein, lassen wir das lieber! Jedenfalls frage ich dich endlich, warum es uns fünfzigjährigen Menschen nicht gestattet sein soll, mit jungen frischen Hajeps amüsante Dingerchen zu machen. Wirklich, da bleibt einem ja nichts anderes übrig, als sich ein dichtes Gebüsch zu suchen, um ... na ja!“ Sie schlug verlegen ihre Wimpern auf und nieder.

„Xorr!“ murmelte der Truppenführer verwirrt. „Wir sind zwarlisch in Wahrheiter auch nischt mehr so gänz jung .
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..“

„Ach nein?“ hauchte sie scheinbar erstaunt.

„Doch, doch!“ sagte er geschmeichelt. „Aba isch hatte gar nischt gewusst, dass so alte Lumantis noch derarter Geluste habinn könnern wie wir!“ Er starrte Margrit jetzt an, als sehe er sie zum ersten Mal. “Dabei ziehst du so glatt, zo jung aus, zo als währest du ...“ Er brach mit skeptischer Miene ab.

„Alles nur getrickst ... Abdeckcreme und so!“ Sie kicherte lüstern und spürte regelrecht, wie Gesine und George in ihrem Gebüsch dabei voller Angst den Atem anhielten.

“Hiat Ubeka, Abdeckkrempel?“ wiederholte jetzt so manch einer aus der Meute verdutzt, denn sie kannten so etwas nicht, weil sie es nicht nötig hatten.

„He ... in solch einem Alter wird`s für uns Menschen erst richtig interessant“, versuchte Margrit die komische Spannung irgendwie zu überbrücken. „Was glaubt ihr, wie viele Jahre an Erfahrung man dann sein eigen nennen darf.“

„Das braucherst du uns nischt erst lang zu erklärrinn.“ Der Tjufat warf sich dabei stolz in die Brust und alle anderen schauten ebenso stolz drein.

„Aber wir sind Menschen!“ schnaufte sie jetzt etwas atemlos. „Da ist das ganz etwas anderes als bei Hajeps. He, ihr glaubt ja gar nicht, welche angestauten menschlichen Phantasien wir in solchen Momenten entwickeln können, welch wilde Lust wir dann zu entfesseln verstehen.“

„Hiat, Antsorr, darinnne würst du tatsachlisch rächt habinn!“ keuchte der Offizier. „Du kannst eininn ja regelrächt auf disch neu und gierig machen!“

„Nicht wahr? Und was glaubt ihr erst, wie schön es sich hier mit einem kräftigen Jimaro im Freien, auf samtigem Moose, unter wippenden Blütenzweigen ...“, sie brach ab und machte sich plötzlich die drei obersten Knöpfe ihrer Bluse zu, da der Offizier ihr in den Ausschnitt gelinst hatte.

„Sprisch rühig weiterer. Du scheinst interreressanter zu sein, als isch das zunächst gedacht habe!“ stieß der Tjufat hervor. „Contriglusi, isch wärde mit Nireneska redinn und ihn bittinn, dass man bei dir einee Ausnehme machinn soll, damit du zu uns allinn nach Zarakuma komminn und jädim von uns solsch eine kleine verspielte Fr ... Fr ...“

„Freude!“ sagte sie etwas leiser, denn die plötzlich ausgelöste Unruhe war Margrit irgendwie unheimlich.
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„Akir, uns allin Feude machinn kannst.“

Die ganze Meute starrte Margrit nun hellwach geworden an und einige nickten sogar in stummer Neugierde.

„Munjafkurin.“ Der Tjufat wandte sich wieder nach diesem um und der hatte sich abermals rechtzeitig über die Scherben werfen können. „Du hast zwar so gänz zu unrächt nischt deiner Bestrafunginnn erhaltinn, denn wir durfinn längst nischt mehr außerhalb Zarakumas amusante Dingerschinn machinn, aber dieser Frau is würgelisch nischt die Lumanti Gesine, nischt die glaiche alzo, die du mehr als drei Tage schon ... außerdämm is es zu begreifinn, dass du mit dieser hier“, er ließ seinen Blick kurz zum Gebüsch schweifen, das nun im herrlichsten Sonnenschein lag und schnupperte dabei genüsslich die frische Frühlingsluft, „nur so ein bischinn ... nurrfi, nurrfi!“ unterbrach er sich behaglich. „Also, Munjafkurin, steher auf!“ befahl der Tjufat mit entschlossener Miene. Die Männerschar nickte und ihre Augen leuchteten begeistert, doch Munjafkurin tat, als habe er nicht gehört. Tapfer harrte er noch immer über den Scherben aus und so musste der Tjufat ihn erst einmal feierlich beim Arm packen.

„Erheber disch alzo Munjafkurin!“ sagte dieser sehr laut und langsam. „Du zollst diese Lumanti für drei Tage habinn und cheran ... räche disch! Singoawin is ein Boldona, is ein Kening und auf den habe isch gehört, diesen Millek, auf diesen Uonka. Jall, er is ein Nursch, denn er hat gälbis Haar mit braunimm verwächzelt und gehört würgelisch dafor tuchtig bestraft.“ Er räusperte sich energisch und wendete sich dem Beschimpften zu. „Hast du etwas dageginn zu saginn Singoawin?“

Dieser betrachtete Margrit abermals gründlich. Es war so, dass Margrit die gleiche Größe und Gestalt wie Gesine hatte und er sie nur von hinten und von weitem beobachtet und es hinterher eine rätselhafte Störung in den Bildschirmen gegeben hatte und das deswegen auch die Bilder nicht gespeicherten worden waren. Seine Kameraden konnten auf den winzigen Bildschirme an ihren Handgelenken, die sie wie Uhren trugen das Bild von Gesine sehen und mit Margrit vergleichen. Der Blick von Singoawin wurde deshalb total unsicher, alles starrte ihn böse an und schließlich schüttelte er ergeben den Kopf.
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Der Offizier nickte Munjafkurin aufmunternd zu.

Munjafkurin taumelte nun, kaum glaubend, dass er wirklich seiner dritten Strafe entronnen war und deshalb Margrit einen verwirrten Blick zuwerfend direkt auf Singoawin zu. Für einen Moment blieb er vor diesem unschlüssig stehen.

„Chep!“ sagte Singoawin schuldbewusst und wies auf beide Wangen, denn er hatte sich geirrt und Irrtümer wurden stets hart bestraft.

Da funkelten plötzlich Munjafkurins Augen rachedurstig. Er hob die Hand mit zuckendem Gesicht und holte weit aus, während sich die Gaffer bereits lüstern um Singoawin gescharrt hatten.

„Halt!“ durchschnitt Margrits dunkle Stimme die Stille. „Es ist wohl besser, einander zu vergeben!“

Alle Blicke hingen nun an der zwar komischen aber recht entschlossenen Frauengestalt.

„Was is vergäbbin? Zimmerlisch merkwuddiges Wort und was bedeutetet es?“ erklärte der Offizier verwundert.

„Isch habe ville Lumantiworte gelärnt, jedoch nischt solsche, die isch nischt verstand.“

„Na, das geht so“, begann Margrit etwas hilflos, „Munjafkurin vergib Sing ... äh ... Dings seinen Fehler“, rief sie diesem zu, ohne noch weiter auf den Truppenführer zu achten. „Zwar musstest du durch ihn Schmerzen erleiden, aber das war von ihm nicht hinterhältig geplant. Er hatte sich nur geirrt. Jeder irrt sich mal. Auch du wirst eines Tages irren und dann kommt er vielleicht durch dich zu Schaden und muss dir vergeben, da du ihm vergeben hast.“

Munjafkurin sträubte sich innerlich sehr, Margrits Vorschlag zu beherzigen und das war ihm auch trotz seiner Maskenhaftigkeit anzusehen, dennoch beschloss er ihr zu gehorchen, weil er sich ihr zu tiefem Dank verpflichtet fühlte. „Gusio!“ knirschte er schließlich. „Isch dir vergibele, aber nächstes malig isch machte dafür Unsinnig mit dir!“ Der Angesprochene nickte tief erschüttert.

„Nein, nein, du sollst Sing .. äh .. Dings nicht drohen, du sollst ihm wirklich verzeihen!“ rief Margrit aufgeregt. „Am besten, ihr schüttelt dazu einander die Hand und ...“

Munjafkurin wusste zwar nicht, wozu das gut seine sollte, jedoch gehorchte er abermals, ergriff sich Singoawins Handgelenk und schüttelte dessen Pranke auf diese Weise für ein Weilchen gründlich durch.
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„Puh, na gut!“ ächzte Margrit. „Na ja, und jetzt muss Munjafkurin noch dazu sagen, dass er Singodings verziehen hat!“

„Hiermittig isch ihn verziehe!“

„Verzeihe!“ verbesserte ihn Margrit.

„Akir! Isch verzeihe disch,“ erklärte Munjafkurin, „wenn du mir andermalchen vergibelst!“

„Sehr gut, sehr gut!“ Margrit klatschte voller Freude in die Hände. „Jetzt habt ihr alles verstanden.“

„Oder mir jitzt gibelst zwei, denda, besser dreieinviertel, würden die Lumantis zu dieserer Menge saginn, nein, jall, viereinhalb Klontis dafor!“

Margrit sah nun ziemlich verblüfft drein.

„Hich! Zo teuer das Vergibeln is?“ rief Singoawin wütend. „Xorr! Vielleichter laste ich mich doch lieblich verhauen!“

Margrit schüttelte nur stumm den Kopf, wogegen der Offizier mit großem Interesse dieser Unterhaltung folgte. „Scheint mir gäns amusant zu sein, solsch ein Verdübeln!“ brummelte der, einen anerkennenden Blick Margrit zuwerfend. Diese schaute lieber schnell weg.

„Denda!“ fauchte nun Munjafkurin zu Singoawin. „Du schulderst mir ohnehinlich noch eineinhalb Klontis vom letzten Arikiam.“

„Hiat Ubeka, DIE du schulterst mir“, Singoawin klopfte sich herausfordernd an die breite Brust, „nichtig isch dir!“

„Hux?“ knurrte Munjafkurin „Willigst du etwarlich habbin eine kleinlisches Kämpferchen?“

Margrit hielt sich die Ohren zu.

„Poko! Zuvor wir aller wetten!“ schlug nun Singoawin mit heller Begeisterung vor, und das war so laut, dass Margrit es trotzdem hörte.

„Akir, akir!“ brüllte die Menge der Gaffer begeistert. „Eineinhalb Klontis setzer isch auf Munjafkurin“, hörte Margrit bereits aus dem Kreis.

„Viereinviertel auf Singoawin!“ schrie ein anderer und schon klapperte das Geld in einen Helm, der von Hand zu Hand ging. Währenddessen sorgten die beiden Männer dafür, dass sich die weiten Ärmel ihrer komischen Kleidung von alleine hochkrempelte und dann warteten sie geduckt, standen sie wie zwei Panther einander gegenüber.

„Nurrfi!“ entfuhr es dem Offizier anerkennend, nachdem er den Helm erhalten und einen kurzen Blick hineingeworfen hatte, denn er allein war für die Verwaltung der Wettgelder zuständig.
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„Dieses Verriegeln schaint mir eine netter spielerische Einleidung zu unserimm üblischen ´Depal´ zu sein. Kleinlische Lumanti, du versteherst es würgelisch, ständiges Einerlei etwas abwächslungsraicher zu gestaltinn. Schade nür, dass wir jitzt damit Schluss machinn mussinn, weil wir sonstig zu später komminn. Ke!“ wandte er sich mit einer schwungvollen Handbewegung an seine Männer. „Dus, darim bar! Wir mussen jitzt züruck!“ Enttäuschtes Murren war von allen Seiten zu hören und die beiden Männer ließen missmutig ihre Ärmel sich selbsttätig wieder zurück krempeln. „Ihr könnert ja meinetwäginn Morjen Vormittag nöch was verlegen ...“

„Vergeben!“ verbesserte ihn Margrit völlig entnervt. „Zum Donnerwetter, sprecht doch wenigstens dieses Wort richtig aus, wenn ihr schon gar nichts kapiert!“

„Was hat sie nür?“ wendete sich der Offizier an Munjafkurin. „Du muust es weissinn, denn du kennerst sie langer!“

Munjafkurin räusperte sich verstört, dann trotte er ein wenig schlaff auf Margrit zu und legte den Arm vorsichtig um ihre Schulter, um sie zu beruhigen, auch weil er wusste, dass Lumantis das so immer machten.

„Na, loss!“ ermunterte ihn der Truppenführer. „Sei nischt zo zag, denn ihr habt`s ja bereiterlisch getan.“ Er schaute vielsagend zum Gebüsch. „Djak! Ich glauber zu ahninn, was diesem Lumantiweibschinn inzwitschen wieder fehlt. Akir, akir, akir, die Kleinliche scheinert mir namlich unersätterlisch!“ Er schnalzte genießerisch mit der Zunge.

„Na loss, es is zwar verbotinn ... aber gebelt eusch rühig zum Abschiete einer Kissen.“

„Ein Kissen?“ wiederholte Margrit verwirrt.

„Xorr!“ Der Offizier nickte ihr aufmunternd zu.

„Wenn isch es doch sager! Wir werdinn nischts verratinn, chesso?“ Der kleine Kreis nickte ebenfalls.

„Er maint ein ... ein Kusschinnn!“ erklärte Munjafkurin und schaute verlegen auf Margrits Lippen. „Manchermal habert es mit der Ausspräsche bei ihm.“ Und er flüsterte ihr ins Ohr: „Unter unsens: es könnert ja auch nischt jedeer derartig sprächlich begabelt sein, wie isch.“

Margrit nickte, immer noch etwas durcheinander.
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“Na, was is?” knurrte der Offizier inzwischen ungeduldig. „Hiat Ubeka, man möchter meininn, wenn man eusch zo neben einander stehinn sieht, ihr hättet nöch nie etwaas miteinander gehabt, ja eusch gar haute zum ersten malig gesähinn ... netter Witz was?“ Das Gesicht des Oberhauptes zuckte übermütig.

„Kann man wohl sagen!“ ächzte Margrit. Und da Munjafkurin plötzlich einen Stock geschluckt zu haben schien, so aufrecht und regungslos stand er da, stellte sich Margrit auf die Zehenspitzen, reckte sich zu ihm empor, schlang ihre Arme um seinen Hals, suchte seinen festen Mund und gab ihm einen langen Kuss.

Die kleine Schar juchzte, johlte und grölte und feuerte Munjafkurin, dessen Augen immer größer wurden, je länger Margrit ihre heißen Lippen auf die seinen presste, mit allerlei frivolen Bemerkungen in hajeptischer Sprache an.

Munjafkurin wurde dadurch gelöster und siehe da - plötzlich schien er die Ratschläge seiner Kameraden vor aller Augen in die Tat umsetzen zu wollen, denn Margrit fühlte seine Hand an ihrer Bluse.

Ihr wurde heiß, während er bereits den obersten Knopf öffnete. Was sollte sie nur tun? Mühsam gelang es ihr, das Gesicht wegzudrehen und seine Finger nacheinander von ihrem Hemd zu zupfen. Sie blickte sich um und sah in lauter erstaunte Gesichter.

„Nun ja“, schnaufte sie, „man sollte nicht andauern ... ihr versteht? Denn wenn man es in einem fort macht, lässt die Freude nach! Es fehlt später die gewisse - wie soll ich es sagen ... Spannung!“ Sie schaute sehr belehrend drein.

Alles nickte ehrfürchtig über so viel Weisheit, obwohl man eigentlich gar nichts verstanden hatte. Ziemlich verwirrt verließ die wilde Meute schließlich Margrit.

Nur der Offizier hielt noch einmal an, wendete sich nach Margrit vollends um. „Hiat Ubeka, und jitzt haber isch gäns vergessinn disch zu fraginn wie du heißerst?“ stellte er fest.

„Spannung liegt im Warten auf die Lösung eines Rätsels!“ erklärte Margrit bedächtig. „Langeweile ist tödlich!“

„Contriglusi, du sagst es, kleine Lumanti!“ stöhnte der Offizier leiderprobt.

„Warte mit Spannung Warakuh!“

„Warabaku!“ zischelte er empört.
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„Ach so, aber du hast mich doch verstanden, nicht wahr?“

„Naturlisch, bin doch nischt lossi! Aber würst du auch würgelisch komminnn?“ fragte er plötzlich misstrauisch.

„Die Spannung liegt in der Ungewissheit und ...“

„Schonn gut!“ Er machte eine unwirsche Handbewegung, die ihr das Wort abschneiden sollte, denn er hatte auf seine seltsame Uhr gesehen. Der kugelförmige Zeitmesser rollte wieder in seinen Ärmel zurück. „Schader, dass isch keiner Zeitig merr habe, deine seltsammen menschlichtinn Worte genauer zu uberdenkinnn. Vielleischt sollte isch disch aus diesem Gründe besser glaich mitnehminnn.“

Margrits Herz klopfte plötzlich wie rasend. „Aber nicht doch, mitgenommen habt ihr doch schon so viele und was war das Ergebnis? Immer nur das gleiche Einerlei! Jetzt kommt aber eine Lumanti zu euch aus freien Stücken, ohne eine andere Belohnung zu erwarten als die, eure nackten Hajepkörper zu genießen und ...“, hatte sie zu viel gesagt? Wie der Blitz war er nämlich umgekehrt, hatte seine kräftigen Arme um Margrit geschlungen und sie an sich gepresst.

„Dus, kisser misch zum Abschiete!“ forderte er und seine Hand fuhr dabei ziemlich grob unter ihr Hemd. „Sag, pisst du uns Hajeps würrgelisch so zugetan wie du tust?“ Und seine roten Augen blitzten sie dabei drohend an. Margrit hatte panische Angst und dementsprechend schnell schlug natürlich ihr Herz, doch sie schlang ihre Arme hingebungsvoll um seinen sehnigen Nacken. Immer wieder rang sie nach Atem vor Angst, während sie ihn küsste und unter leicht gesenkten Lidern beobachtete sie ihn wachsam.

„Bis Morgen, Wara ...“

„Akir?“ fragte er und hob die Augenbrauen.

„Warabaku!“ krächzte sie schließlich.

Er nickte zufrieden und die muskelbepackten Arme lösten sich endlich von ihr. „Tunani, xabura Lumanti!“ knurrte er.

„Auf ... äh ... auf wiedersehen!“ sagte sie höflich, mühsam ihre Erleichterung verbergend, dass er endlich gehen wollte.

Da packte er sie noch einmal, nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und biss sie fast, da er im Küssen recht ungeschickt war.

Margrit seufzte und rieb sich die Lippen, als die kleine Schar endlich verschwunden war.
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„Donnerwetter sind die vielleicht anstrengend!“ murmelte sie völlig entnervt. Da sah sie, dass George und Gesine endlich ihr Versteck verlassen hatten.

Seltsam haarige Zweige hingen in Gesines verwursteltem Blondhaar, und auch George hatte komische Fellbüschel an seiner Kleidung. Eben noch erschöpft überfiel Margrit heftige Freude. Die beiden waren ihr bestimmt dankbar und bewunderten sie, wie sie diese schwierige Situation gemeistert hatte. Sie reckte sich stolz in die Höhe, knöpfte sich ihre Bluse zu und sah sie mit leuchtenden Augen erwartungsfroh an.

„Na-ah? Wie habe ich das gemacht?“ fragte sie.

Doch Gesine verzog ihr verweintes Gesicht ziemlich missmutig, ja sie wirkte sogar wütend und vorwurfsvoll. Margrit blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen, denn auch George schien enttäuscht und ihr böse zu sein.

„Du ... du bist eine ganz dämliche Zicke!“ zischelte Gesine zornig, während sie hintereinander erst an den Minipalmen und dann zwischen den riesigen Farnen den Weg zurück zum Jambo nahmen. „Wie du dich an Munjafkurin herangeschmissen hast, das war ja nicht mit anzusehen.“ Sie schob dabei eines der löffelartigen, geleeähnliches Gebilde mit der bloßen Hand zur Seite. „Richtig festgebissen hattest du dich an ihm zum Abschied.“ Und nun kamen sie wieder an den geschuppten Baumstämmen vorbei. „Dabei weißt du ganz genau“, Gesine heulte plötzlich hemmungslos los und George, der vor ihr lief, suchte deshalb in seinen Taschen nach einem weiteren Tüchlein, „dass Munjafkurin meiner ist“, schniefte sie und gab dabei den kleinen Blütenbüschen, die wie mit Schnee beschüttet waren, einen Tritt. „Und du machst dich einfach an ihn heran, das hätte ich nie von dir gedacht!“ Sie schnäuzte sich jetzt endlich in Georges Taschentuch die Nase aus und dadurch war ihr Wortschwall für einen Moment unterbrochen. Diesen Umstand nutzte, noch ehe Margrit etwas sagen konnte, George für sich aus.

„Also, ich muss Gesine Recht geben!“ keuchte er aufgebracht, während er eines der langen, dünnen Blätter des blauen Fächergewächses zurück bog um sich nach Margrit umzusehen. Er schaute erzürnt auf ihre falsch zugeknöpfte Bluse. „Gehst du wirklich Morgen nach Zarakuma? " fragte er verwirrt.
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Nun wurde auch Margrit wütend, blieb stehen und stemmte ihre Hände auf die Hüften. „Jetzt wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!“ fauchte sie. „Ich setze mich hier auf die Gefahr hin, dass ich nach Zarakuma verschleppt werde, für Munjafkurin ein und ihr kommt mir als Dank mit wüsten Beschimpfungen! Natürlich gehe ich nicht nach Zarakuma! Haltet ihr mich denn für so lossi ... äh ... dämlich?“ Die beiden senkten betreten ihre Köpfe und liefen dann weiter los. „Ja, macht nur!“ forderte Margrit. „Denn ich will endlich meine Kinder in die Arme schließen, die sich noch freuen können, dass wir alle leben!“

Da fiel George mit Entsetzen ein, dass ja Eberhardt nicht mehr unter ihnen weilte und große Traurigkeit umschloss deshalb abermals sein Herz. Sollte er das den beiden mitteilen? He, womöglich wusste ja Gesine etwas darüber, war sogar dabei gewesen? Eine mächtiger Zorn auf Eberhardts Mörder erfasste ihn plötzlich.

„Gesine?“ begann er, während sie weiter liefen und dann fragte er sie aus. Margrit hörte überrascht dabei zu. Doch Gesine war nicht minder überrascht und auch sehr traurig, als dann George über Eberhardts schreckliches Ende berichtete. Zwar räumte sie ein, mit ihm um Danox gekämpft zu haben, aber sie hätte sich letztendlich von ihm losreißen können und dann war er ihr einfach nicht mehr hinterher gekommen.

„Wahrscheinlich wird er längst zu Humus zerfallen sein!“ beendete George dann das grausige Thema. „Wir werden morgen eine kleine Gedenkfeier für ihn halten!“

Die letzte Strecke liefen die Drei dann schweigend und mit gesenkten Häuptern zurück.



#



Julchen und Tobias war die lange Warterei zwar unheimlich vorgekommen, aber sie hatten es diesmal nicht gewagt, den Jambo zu verlassen und so freuten sie sich, dass endlich Margrit und Gesine gesund und wohlbehalten bei ihnen im Jambo saßen und dass es nun nach Hause ging. George hatte Eberhardts riesigen Jambuto übernommen.

Nur, dass jetzt alle ziemlich humorlos und ungesprächig waren, fiel den Kindern auf. Und dann vermissten sie Munk. Wo war Munk?

Gerade als sie deshalb nachhaken wollten, knallte es hinter ihnen. Es war ein unwahrscheinlich lauter, berstender Knall, der von der Ostseite Zarakumas kam.
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Er übertönte völlig die Motorgeräusche des Jambos und des Jambutos, die gerade dabei waren, die letzten Kolonien der sonderbaren Pflanzenwelt Zarakumas hinter sich zu lassen.

Julchen und Tobias hielten sich sofort die Ohren zu. George bremste kurz, nahm sein Fernrohr und schaute sich um. Aber er konnte nur züngelnde Flammen hinter Doska Jigon sehen. Immer wieder knallte es, flog irgendetwas in die Luft und jetzt sah er plötzlich einen der schneeweißen Türme umstürzen! Offensichtlich waren die Antigravitationskräfte an einigen Stellen Zarakumas zerstört worden. Gigantische, kohlschwarze Rauchwolken verdunkelten allmählich den blauen Frühlingshimmel. Ganze Scharen von Vögeln waren aufgeflogen und zogen verwirrt ihre Kreise und gleichzeitig hörte man Alarmsirenen. Hajeptische Jäger waren in der Ferne zu erkennen, die im Eiltempo heimwärts flogen. Einige Trestine kreisten bereits über Zarakuma und über deren Umgebung, um nach dem Feind zu suchen, der die Katastrophe verursacht hatte. Schon hörte man die typischen Geräusche hajeptischer Lais und Molkats, die in großen Kolonnen Zarakuma verlassen hatten, um die Attentäter aufzustöbern.

„Wir müssen sofort von hier weg!“ brüllte George herüber. „Sonst hält man noch uns für diese Rebellen.“

„Das waren bestimmt Loteken!“ keuchte Gesine und der Fahrtwind peitschte ihr dabei das Haar ins Gesicht.

Margrit presste sich vor Entsetzten die Hand auf den Mund. “Oh Gott, wir Menschen werden doch hoffentlich nicht mit in diesen Krieg hinein gerissen werden?“



#



Munk hatte gerade etwas sehr Schönes in der Mitte des dünnen, löffelartigen Gewächses entdeckt, in welches er hinein geklettert war, um zu sehen, was da eigentlich so ausgesprochen lecker summte. Ach, das war ja solch ein appetitliches, rotes Quietschebällchen und wie niedlich es mit den dünnen Haut umspannten Flügelchen in dieser Blüte umher sauste, in welche Munk gerade seinen dicken, schwarzen Kopf hinein gesteckt hatte. Nun ja, das kleine Ding war wohl ein wenig wirr, wohl auch, da es nicht mehr an Munk vorbei ins Freie sausen konnte!

Doch der ´Ogaschi` hatte heute schon einmal etwas recht unangenehmes erlebt und darum sammelte der Winzsaurier sich diesmal, pumpte sein ganzes Gift, das er besaß, in die spitze, mit winzigen Zähnen und vor allem mit einer stachelartigen Zunge ausgerüstete Schnauze.
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Munk ahnte jedoch von alledem nichts, duckte sich nur noch mehr - er war ein wenig wackelig auf diesen dürren, geleeartigen Halmen - beleckte sich die Schnauze, den Schwanz hatte er hoch erhoben und da ... wurde er plötzlich von hinten gepackt!

„Mensch, Munk!“ schimpfte George, der den schwarzen Schwanz inmitten der Pflanzen wedeln gesehen und daher sofort gehalten hatte. Er war aus dem Jambuto gesprungen, hatte sich den Kater gepackt und diesen gleich an die Kinder im Jambo weiter gereicht.

„Munk!“ kreischten Julchen und Tobias selig und dann wurde der Verstörte gleich von vier stürmischen Kinderärmchen umhalst. Munk ließ die Schnurhaare hängen. Schöne Geschichte, er hatte einen leeren Magen und alles freute sich darüber. Ach, ach, nie, wirklich niiiee begriffen Zweibeiner, worauf es im Leben ankam!





#







So, meine Lieben,

nun ist leider wieder mal Schluss! Aber keine Angst, Dannaeh, Oworlotep, Diguindi, Chiunatra, Nireneska, Gulmur und all die anderen lauern schon auf euch, hehe! Die nächsten sieben Kapitel vom zweiten Band ´Zarakuma` stelle ich ganz bestimmt wieder bei ´Webstories` ins Netz, denn eure Begeisterung für diese Geschichte hat mir großen Spaß gemacht. Danke für`s zahlreiche lesen! Dabei möchte ich mich ganz besonders bei all jenen bedanken, die mir die tollen Bewertungen gegeben haben und noch mehr bei denen, die mir sogar Kommentare geschrieben haben. So lohnt sich die Mühe für diesen langen und aufwendigen Roman. Habt jetzt wieder für ein Weilchen Geduld und bleibt mir treu!

´Twacha Usomi`, ganz liebe Grüße an euch alle und bis zum nächsten Mal

Eure Doska *Ach, ich wünsche uns endlich sonnigeres Wetter, kontriglus!*
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Kommentare zur Story:

  Huh, das war ja mal wieder was... Die arme Margrit, da steht sie so tapfer für Gesine ein und muss sich dann auch noch Vorwürfe anhören...
Und dann auch noch der Angriff der Loteken!
Aber das es jetzt wieder vorbei ist - gerade wo ich wieder mehr freie Zeit habe - ist doch sehr traurig. Was soll ich denn jetzt in meiner Freizeit machen? Kannst du mich nicht wenigstens mit ein paar weiteren Kapiteln von Alconia und dem "Schwert der Wahrheit" über die Pause hinwegtrösten? *ganz lieb bettel* Ich will doch auch wissen, wie es dort weitergeht!!!
So, und nun schreib schön fleißig weiter!
Deine  
Conva  -  05.04.05 22:15

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  Och schade, mein heißgeliebter Oworlotep ist noch nicht wieder aufgetaucht. Da hilft wohl nur Geduld, bis du wieder weitere Kapitel geschrieben hast ;)
Aber die Szene mit Margrit, Munjafkurin und den anderen Hajeps zum Schluss war köstlich, ganz zu schweigen vom dramatischen Ende dieses Kapitels.
Liebe Grüße!  
ISA  -  08.03.05 20:45

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  liebe doska
es ist schade das die geschichte hier erstmal aufhört, was soll ich denn jetzt im i-caffee machen :)
die beschreibung der landschaft um zarakuma fand ich genial, es war solch ein plastisches bild. na unsere doska halt..
schreibe fleissig weiter, ich bin so gespannt wie es weiter geht...
liebe grüsse von mcgue  
mcgue  -  08.03.05 18:54

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  Schade! Schon wieder warten bis es weitergeht! :-(
Und dabei is das alles doch so spannend.
*traurigbin*

Schreib schneller weiter, ich kanns kaum erwarten!

LG Bianca  
bianca  -  08.03.05 13:36

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Interessante Kommentare

Kommentar von "Unbekannt" zu "Violett"

schöö :-)

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