Nachdenkliches · Kurzgeschichten

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Erstveröffentlichung: 28. Oktober 2004
Bei Webstories eingestellt: 28. Oktober 2004
Anzahl gesehen: 1248
Seiten: 5

An seinen Engel muss man nicht glauben – es reicht, wenn er an Dich glaubt.



„Gott, bitte lass mich nicht sein Engel sein“, flüsterte sie in die Stille der Nacht. „Das schaff ich nicht, dass ist eine Nummer zu groß für mich“. Sie zündete sich eine Zigarette an und zog den heissen Qualm tief in ihre Lungen. Am Himmel war ein leichtes Grollen wahrzunehmen – es schien so, als würde von weit her ein Gewitter aufziehen. Aber es war nur dieses eine dumpfe Grollen. „Ja, ja, ich weis schon“ grummelte sie zurück, gönnte sich aber dennoch einen weitere tiefen Zug. „Ich muss nachdenken“, sprach sie sanft Richtung Himmel. „Ohne deine Hilfe kann ich es nicht schaffen, verdammt“ sie wusste, sie sollte sich Zügeln – Gott sah es nicht gern, wenn sie in Gesprächen mit ihm fluchte. Im wahren Leben, dass war ihm egal, dass zählte nicht, aber er bestand doch immer wieder drauf, dass sie wenigstens ihm gegenüber einen vernünftigen Ton anschlug.



Plötzlich klingelte das Telefon und er war dran: „Sie ist wech“, nur dieser eine Satz kam ihm über seine Lippen. Sie lächelte und in Gedanken murmelte sie noch: „Danke, das ging schnell“ „Hä, was sagst du??“, fragte er verwirrt. „Nüx, ich meinte nur, dass das ja absehbar war“, erklärte sie mit sanfter Stimme. Es war klar, dass sie eines Tages ging, zu unglücklich war Miriam in dieser Beziehung gewesen. Sie suchte die Liebe und sah nicht mehr, dass sie das Beste, was ihr passieren konnte, bereits vor sich hatte. Aber dieses „Gefühl“ zwischen ihnen war schon lange Tot. Vielleicht auch, weil er niemals in der Lage dazu war, sie so nah an sein Herz zu lassen und Miriam war enttäuscht. Sie konnte nicht mehr. Und jetzt, da sie meinte, dieses Gefühl bei einem anderen Menschen gefunden zu haben, packte sie ihre 7 Sachen und hatte ihn verlassen. Er klang nicht traurig, nein er war irgendwie erleichterte. Fragte sich allenfalls, woher am nächsten Tag das Abendbrot kommen sollte. „Hm, da musst du jetzt wohl selber kochen??“, höhnte sie ein wenig. „Ja, ganz klasse, ich geh auch 16 Stunden arbeiten und dann koch ich mir noch was, oder wie???“ Sie lachte, ja so war er, sowas bereitete ihm Kummer, aber die wirklichen Probleme versuchte er zu verdrängen. „Du, ich mach jetzt Schluss, wir sehen uns morgen, es ist schon spät!“ sprach sie sanft ins Telefon und sie beendeten das Telefonat.
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Sie machte sich bettfertig, sprach noch einmal zu dem Wesen, dass über uns allen wacht und sagte: „Danke Gott, dass war schon mal extrem hilfreich, jetzt komm ich erst mal allein weiter klar!!“



Am nächsten Morgen stand sie früh auf, sie hatte einen weiten Weg zurück zu legen, kurz vor seiner Haustür hielt sie noch einmal an und besorgte Brötchen. „Hm, ob er wohl Butter im Haus hat?? Marmelade??“ sprach sie mehr mit sich selbst als zu der Verkäuferin in dem kleinen Laden. Kurzerhand suchte sie noch nach ein paar Dingen, die als Belag dienten, verstaute ihren Einkauf und fuhr weiter. So, so – hier wohnt er also?! - überrascht war sie. So schön hatte sie es sich nicht vorgestellt, sie wusste zwar das er eine große Wohnung hatte, aber na ja, wie schön mag eine große Wohnung in einer großen Stadt sein?? Aber es gefiel ihr, es war relativ zentral gelegen und doch war es eine ruhige Gegend. Sie parkte ihr Auto direkt vor seiner Haustür, ohne dass sie Gott um einen Parkplatz bitten musste, denn es war genügend frei.



Sie stieg aus, atmete tief durch, schaute auf die Uhr und lächelte 8.30 Uhr – eine gute Frühstückszeit. Nach kurzer Überlegung fand sie sein Klingelschild. „Menno, diese Alterssenilität“ lachte sie über sich selbst. Er dauerte eine Weile, bis sie das Brummen des Türöffners wahr nahm und ins Treppenhaus eintreten konnte. „Nüx zu sehen??“ sprach sie gedankenverloren zu sich selbst und stiefelte erst mal hoch. Eine der Türen war angelehnt, das wird wohl die Richtige sein.

Sie klopfte noch einmal kurz gegen die halb geöffnete Tür und trat dann ein. Dann stand er vor ihr, er rieb sich grad die müden Augen und sagte: „Wer um Himmels Willen klingelt mich so früh aus dem Schlaf??? Ähhm - Lena????“ Man sah förmlich, wie er einen Moment völligst verwirrt war und irgendwas in seinem Kopf arbeitete. Sie lachte: „Ja, schaut so, was??“ „Du bist echt komplett Irre!“ stammelte er immer noch ein wenig zerstreut vor sich hin. „Üch?? Nö, eingentlich bin ich ein Engel,“ erwiederte sie schon so lässig, als wenn sie sich schon 1000 mal gegenüber gestanden hätten. „Ja, sicher und ich bin Millionär“ unkte er.
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Sie ging zielsicher Richtung Küche durch und packte ihren Einkauf aus. Sie sah die Kaffeemaschine, stellte fest, dass diese nur noch eingeschaltet werden musste und sie grinste und hatte schon das nächste bissige Kommentar auf Lager: „Na, das ist aber nett von Miriam, hat sie sogar noch dran gedacht, dir deinen ersten „einsamen“ Kaffee vorzubereiten!!“ Er grinste: „Na dann, ist doch alles Bestens!“ Sie sah wie sehr er sich freute, dass sie Frühstück mitgebracht hatte und vermutlich war es wohl auch richtig gewesen, an Butter und Marmelade zu denken. „Perfekt“ murmelte er. Sie lächelte und sagt: „Perfekt wärs gewesen, wenn ich dir dein Brötchen aufschneide und es für dich schmiere – aber so blöd bin ich dann auch nicht“ Er grinste, ja sie kannte ihn genau und deshalb versuchte er extrem lässig rüber zu bringen: „Das krieg ich eventuell doch noch alleine hin!?“ Sie plauderten, als wenn sie täglich so beisammen sitzen.



Schliesslich erwähnte er, dass es ihm furchtbar leid täte, aber er müsse heute noch arbeiten. Sie grinste und sagte: „Ich weis, aber das macht nix, ich hab auch noch viel zu tun!!“ „Was hast du denn noch zu tun?“ wollte er wissen. „Hm, z.B. deinen Papierkram in Ordnung zu bringen??“ und es klang aus ihrem Mund wieder mal mehr als eine Feststellung, als eine Frage. „Ja, klar Du! Sicher! Ähm, warum willst du das tun???“ fragte er nun doch ein wenig fassungslos. Sie Antwortete nur mit: „Darum, weil ich das heut tu“. „Heute?? Ja ne, ist schon klar, du bringst an einem einzigen Tag in Ordnung, was ich in den letzten Jahren versaubeutelt hab, oder wie darf ich mir das vorstellen??“ „Schaun wir mal!“ grinste sie. Es bedurfte dann doch noch einer längeren Grundsatzdiskussion dadrüber, dass man vor den Dingen nicht wegrennen darf, dass das Leben schneller ist und manche Dinge einen schneller einholen, als einem lieb ist. Dadrüber, dass sie anfangen wird, seine finanziellen Dinge in die Hand zu nehmen und sich dadrum kümmern wird, egal obs ihm passt oder nicht. Irgendwann gab er jeglichen Widerstand auf, er führte sie ins Wohnzimmer, drückte sie auf die Coach und öffnete eine Tür des Wohnzimmerschrankes. Sie holte tief Luft, einiges hatte sie erwartet, aber das verschlug ihr nun doch die Sprache. Er drückte ihr ca. 50 Briefe in die Hand, welche noch ungeöffnet waren, legte auf den Wohnzimmertisch einen weiteren Stapel mit bereits geöffneter Post, bei der aber jegliche Ordnung fehlte, die noch beiliegenden Überweisungsträger liessen übelstes vermuten.
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Zu guter letzt folgte ein Schuhkarton voll mit gesammelten Kontoauszügen. Sie versuchte tapfer zu lächeln, er nahm gleich diesen Anflug von Skepsis in ihr ihrem Blick wahr und sagte: „Siehst du, ich hab dir ja gesagt, es ist Hoffnungslos!!!“ „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte sie schon wieder optimistischer und mit völliger Überzeugung. „Du siehst immer alles positiv, oder?? Unfassbar!!! Ich würd ja gern mal wissen, woher du immer diese Kraft und diesen Glauben nimmst!“ seufzte er. Er schaute auf die kleine Uhr im Wohnzimmer und erschrak. „Verdammt ich muss los!!! Kann ich dich hier wirklich allein lassen?? Du musst das nicht tun!!“ sagte er schuldbewusst. Doch sie lächelte ihn nur an und erwiderte, dass alles okay ist, er müsse sich keine Gedanken mehr machen. „Na dann, ist ja alles Bestens!“ meinte er ironisch. Er zog sich eine Jacke an und setzte sich die Sonnenbrille auf. „Duhu, Lena .....“ er fing einen Satz an, aber suchte noch nach den passenden Worten. „Ist schon okay“, sagte sie, „ich freu mich auch, dass ich endlich bei dir bin, bis heute Abend dann, ich weis Bescheid!“ „Ja klar, kennst dich ja aus“, lachte er.



Ja, sie hatte seine Wohnung schon oft gesehen, wenn auch nur auf Bildern. Sie wusste auch, dass er erst spät Heim kommen würde – er arbeitete viel und hart. Er ging zur Haustür und murmelte noch ein: „Danke für alles“ und schon war er weg. Nun saß sie allein in dieser großen Wohnung und es war still geworden um sie herum. Sie schaute auf den Tisch und sie murmelte vor sich hin: „Prima Engel, ganz Klasse – Hexe hät ich werden sollen, damit wär sicher vieles einfacher - also dann an die Arbeit“. Als erstes machte sie sich über den großen Stapel her und fing an ihn zu sortieren. „Hm, muss ich wohl Mahnung 1 und 2 aufheben, wenn ich hier schon die 3. finde??“ fragte sie sich selbst – beschloss dann, das 1 und 2 getrost in den Müll können. Sie sortierte erst alles in kleine Grüppchen und schliesslich diese Stapel wider chronologisch, öffnete die ungelesen Briefe und sortierte sie an den entsprechenden Stellen wider ein.
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Dann Griff sie zum Telefon und machte sich dran, bei allen Firmen, Versicherungen und Banken anzurufen, wo die „letzte Frist“ bereits verstrichen war und um eine Fristverlängerung zu bitten, bzw. um eine Stundung. Zeit Gewinnen musste sie erst mal, sie musste schneller sein, als die Dinge, die ihn aufzufressen drohten. Dann nahm sie sich ein Blatt Papier und notierte die einzelnen Summen, die bezahlt werden mussten, mit den entsprechenden Fristen und schrieb gleich die Telefonnummern mit auf. Das ersparte müssiges Suchen nach den Telefonnummern, wenn man doch noch mal dringend anrufen musste. Zu guter letzt machte sie sich an den Karton mit den Kontoauszügen, begann diese chronologisch zu sortieren, schüttelte den Kopf, sortierte weiter und beschloss irgendwann, dass sie eine Pause braucht.



Sie schaute wieder auf die Uhr. 16.30 Uhr war es mittlerweile geworden. Sie trat hinaus auf den Balkon und zündete sich eine Zigarette an. „Die hab ich mir aber wirklich verdient“ flüsterte sie gen Himmel. Sie dachte kurz nach, beschloss dann, dass sie noch einkaufen gehen wird, um das Abendessen vorzubereiten. Sie brauchte ohnehin noch einige Ordner, in denen der ganze Kram abgeheftet werden musste. „Das ich noch mal für nen Mann kochen werde, das hät ich mir auch nicht träumen lassen“, murmelte sie ironisch vor sich hin. Eigentlich hatte sie mal den Entschluss gefasst, dass sie diese ganze „Koch-Geschichte“ für völligst überflüssig hält und sich das nicht mehr antun muss. Aber egal, dieses eine Mal kann sie wohl über ihren Schatten springen und ihm eine Freude machen. Sie schnappte sich ihre Tasche und zog die Haustür hinter sich zu..........
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