Fantastisches · Kurzgeschichten · Experimentelles

Von:    hexy      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 12. Mai 2004
Bei Webstories eingestellt: 12. Mai 2004
Anzahl gesehen: 1835
Seiten: 4

Two of us oder von der Schwierigkeit, eine passenden Kerl zu finden



„Das ist nicht dein Ernst!“ Petra warf mit einer schnellen Handbewegung ihre kupferrote Mähne über die rechte Schulter, während sie sich Mühe gab, den dritten Gang des kleinen schwarzen Minis einzulegen. Ihre blauen Augen funkelten hinter der schmalen, dunkelgetönten Sonnenbrille und sie bedachte mich kurz mit einem erstaunten Blick.

„Na klar ist das mein Ernst“, ich lächelte mir im kleinen Spiegel der Sonnenblende zu, zwinkerte mit ebensolchen blauen Augen und kontrollierte mein Make up. Perfekt. „Immerhin ist heute unser zweites Date.“ Zufrieden klappte ich die Blende zurück und warf einen Blick aus dem Fenster des schnittigen, blauen, japanischen Coupés.

„Naja, zweites Date hin oder her, Saskia“, Petra warf mir einen musternden Blick aus leuchtend grünen Augen zu, die wunderbar mit ihren kurzen blonden Haaren kontrastierten. Sie war bildhübsch und ich stolz auf sie. „Aber du hast doch nicht wirklich vor ...“

„Doch, habe ich!“ Warum sonst hätte ich das gesagt?

„Das kannst du nicht machen!“ Ihre Stimme klang ein wenig gereizt, während ich Gas gab, um eine Kolonne Autos zu überholen.

„Stell dich nicht so an, Süße.“ Ich kuppelte ein wenig ruckartig ein, und der Mercedes machte einen Satz nach vorne.

„Pass doch auf!“ Sie knurrte mich an. Mit einem raschen Handgriff schob sie das Schiebedach des kleinen, quietschgrünen Fiats auf. „Musst du so langsam fahren, wir kommen ja nie an!“

„Meckermecker.“ Warum mussten ältere Schwestern ihre jüngeren Geschwister immer quälen? War das ein genetischer Defekt? Ich verwarf den Gedanken und schloss kurz die Augen. Wie ich Cabrios liebte! Auf uns brannte die Sonne herab und ich fühlte direkt, wie sich Sommersprossen auf meiner Nase bildeten. Wunderbar, zusammen mit roten Locken ergab ich eine klassische, irische Schönheit, die in einem dunkelgrünen MG unterwegs war. Wie stilvoll!

„Achtung!“ Ihre Stimme klang quietschig, während sie hektisch den roten Dreier-BMW durch die Kurven lenkte.

„Ich weiß doch!“ Missmutig rubbelte ich mir durch die kurzen, schwarzen Haare und schaltete einen Gang runter, was den dunkelgrauen Porsche zu einem Rumoren veranlasste.
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Musste sie immer auf mir herumhacken, nur weil ich einmal einen Unfall gehabt hatte? „Also“, kam ich auf das ursprüngliche Thema zurück, „was hast du denn dagegen?“

„Was ich dagegen habe?“ Ihre graublauen Augen blickten mich weitaufgerissen an, wobei ich zum Glück nur die Hälfte davon sah, weil die andere Hälfte unter einem langen, braunen Pony mit blondierten Spitzen verschwand. Ich mochte diese achtziger Jahre Frisur. Die gab ihr so etwas Flippiges.

„Ja, sag doch,“ ich nickte bekräftigend und mein schwarzer Pagenschnitt wippte mit, „ich glaube, dieses Mal ist es der Richtige.“

„Pfff, das hast du schon oft geglaubt.“ Petra schnitt einen Mercedes und der große Achtzylinder des Geländewagens brummelte vergnügt vor sich hin, während der Fahrer hinter uns obszöne Gesten machte.

„Tja.“

„Tja.“

Ich hielt an der Ampel und überlegte kurz, ob ich nun rechts oder links abbiegen musste. Dann klickte ich den Blinker ein und im Takt der Musik aus der Stereoanlage des Ford-Ka summten wir für einen Moment versonnen vor uns hin.

„Saskia, du weißt, es wird nicht gut gehen.“ Petra seufzte verhalten und stemmte einen Fuß auf das ausladende Cockpit des Siebeneinhalbtonners. Sie fasste ihre honigfarbenen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen wobei ihre tiefblauen Augen mich betrübt anblickten. „Das ist uns nicht vergönnt.“

„Nicht vergönnt?“ Grollend streckte ich ihr meine Zunge raus. „Warum nicht?“

„Warum nicht?“ Petra gab Gas und die Automatik der gelben Corvette schaltete sanft in den nächsten Gang. Die Amerikaner wussten einfach, was cruisen bedeutet.

„Guck dir uns doch mal an.“ Mit einem knappen Handwedeln deutete sie auf sich und mich.

Ich guckte. Was sollte ich anderes sehen, wie immer? In den Schaufenstern, die an uns vorüberflogen, sah ich zwei junge Frauen in einem gediegenen, silbernen Audi-Cabrio, deren lange, weißblonde Haare hinter ihnen herwehten. Nun gut, die fast durchsichtigen Flügel ließen uns etwas merkwürdig aussehen, doch wer nicht so genau hinsah, konnte sie beinahe übersehen. „Und wenn schon.“ Ich zuckte mit den Schultern.

„Und wenn schon?“ Petra schnaubte und klickerte mit ihren Zungenpiercing gegen die Zähne.
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„Ja! Immerhin waren er und ich schon einmal miteinander aus.“ Beleidigt ließ ich den Sitz des alten Saabs ein Stück nach hinten rattern.

„Wahrscheinlich dachte er, er hätte letztens einen zu viel getrunken und wollte dich noch einmal nüchtern sehen.“ Sie kicherte hämisch.

„Aber mal im Ernst“, ich bremste den grünen Polo am Seitenstreifen ab und hielt an. „Wie sollen wir sonst überhaupt zu einem Mann kommen, hä?“

Sie warf mir einen überheblichen Blick zu. „Sollen wir das denn?“ Am liebsten hätte ich ihr an den roten Zöpfen gezogen, die mit einem Band in der Farbe ihrer braunen Augen zusammengebunden waren. Richtig feste.

„Keine Ahnung, ob wir sollen, ich will zumindest.“ Und ob. Energisch strich ich mir die krausen, braunen Haare aus dem Gesicht. Und ob!

„Und du glaubst im Ernst, er ist der Richtige dafür?“ Ihre blauen Glubschaugen zwinkerten mich ungläubig an. Ich reichte ihr eine großzügig geschnittene Sonnenbrille, die mich vor solchen Blicken bewahren sollte. Da wurde ja die Milch sauer. Sie blickte einmal über ihre linke Schulter und fädelte den schnittigen, weißen Jaguar XJS geschickt in den fließenden Verkehr ein.

„Ja, ich glaube das.“ Natürlich glaubte ich das.

„Warum?“ Konnte jemand so naiv sein? Sie konnte. „Ich versteh dich nicht, Saskia.“

„Du meine Güte, Schwesterchen. Welchen anderen Mann kennst du noch, der besser zu einer von uns passen würde?“ Ich trat so heftig auf die Bremse, dass die schwere, schwarze Limousine schlingerte.

„Armleuchter!“ Petra zeigte dem erschrockenen Fahrer des Wagens, der uns grade die Vorfahrt hatte nehmen wollen, einen Stinkefinger.

„Nunja.“ Sie rückte ihren Ausschnitt zurecht und ordnete das graue Haar, das sich in kleinen Löckchen um ihren Kopf schmiegte. „Du sagst, er heißt Nikolaus?“

„Mhm.“ Ich nickte und beobachtete dabei, wie die Tachonadel des amerikanischen Pickups sich zügig nach rechts bewegte, während Petras Blick auf die Straße geheftet blieb.

„Und es rieseln tatsächlich die ganze Zeit Schneeflocken auf ihn herab?“

Das war das einzig Unangenehme an ihm. Ich meine, wer will schon immer im Kalten stehen? „Jep.
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„Und du bist dir sicher, dass du ihn lieber magst, wie diesen Kerl mit den bunten Eiern?“

Ich erstarrte. „Das war kein Kerl, Petra, das war ein Hase.“

Sie kaute auf ihren Lippen, während ihr fatzenglattes, braunes Haare wie Dinkelspagetti in die Stirn fiel. „Stimmt.“ Sie sah mich an und in ihren fast farblosen, wasserhellen Augen spiegelte sich meine kurze, rote Wuschelpracht. „Mir hätte das nichts ausgemacht.“

„Was? Dass er ein Felldings auf dem Hinterteil hatte?“

„Ich fand's puschelig.“ Sie seufzte resigniert. Wie immer hatte es nicht geklappt.

Gleich würden wir ankommen. „Da vorne ist es.“

Petra lugte neugierig aus dem Fenster des pompösen Rolls Royce. „Na gut, auf deine Verantwortung.“ Sie parkte den Ferrari elegant zwischen einen BMW und einen Aston Martin ein.

Meine Knie waren weich.

„Warte!“ Petra hielt mich auf, küsste mir liebevoll auf die Stirn und ordnete meine Flügel neu. „So, jetzt ist es gut. Ich drück' dir die Daumen.“

Ich atmete tief ein, lächelte ihr zu und machte die Türe auf.

„Vielleicht hat er ja einen Bruder?“ Ihre Stimme klang geradezu sehnsüchtig.

Ja, vielleicht. Wer wusste das schon so genau?
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Kommentare zur Story:

  Hahaha! Sehr originell, gut geschrieben! Find ich echt toll!!!!  
Eden  -  12.05.04 19:12

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Interessante Kommentare

Kommentar von "weltuntergang" zu "Abschied nehmen"

Schweres und schönes Gedicht. Gefällt mir sehr total. Ganz liebe Grüße

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