Mit dem Auto ins Büro - oder warum ich zu spät komme   33

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten

Von:    Ralf Seybold      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 3. Mai 2004
Bei Webstories eingestellt: 3. Mai 2004
Anzahl gesehen: 1989
Seiten: 3

Meine Frau und ich besitzen einen schwarzen Kleinwagen, der mich sicher in fünf Minuten zum Büro geleitet. Trotzdem komme ich meist zu spät. Meine Frau fährt mit der Bahn in ihre Arbeit, aber schließlich ist ihr Weg auch viel weiter als meiner und sie will sich nicht dem Stress des Staustehens aussetzen. Ich denke, sie hat da ganz Recht, denn was ich bereits auf diesen 4 Kilometern zum Büro erlebe, möchte ich nicht auf den Anfahrtsweg meiner Frau hochrechnen müssen. Es geht schon los, wenn ich aus unserer Hofeinfahrt fahre.



In unmittelbarer Nähe unserer Wohnung ist ein großer Fuhrparkplatz der Deutschen Post. Je nachdem zu welcher Uhrzeit ich morgens unsere Einfahrt verlassen möchte, muss ich versuchen, zwischen circa zwanzig Postfahrzeugen einen kleinen Platz zu erhaschen oder Minuten später hinterherzufahren.

Aber sind Sie schon einmal in einer Postparade gefahren und waren das einzige schwarze Auto unter den vielen gelben Bienen? Sie kommen sich nicht nur komisch vor und warten darauf, dass eine innere Stimme zu Ihnen sagt „Ich bin der Willy“, sondern sind als Fremdkörper in einer Parade auch stark gefährdet.

Mein Vordermann rast auf die nächste Vorfahrtsstraße zu und bremst abrupt, während mein Hintermann ständig versucht, mit seiner Stoßstange zu MEINEM Vordermann aufzuschließen. Wenigstens bezahlt die Post so wenig, dass die Angestellten zügig fahren müssen. So ist auch das Abbiegen auf eine stärker befahrene Straße kein Problem. Aber mit welchen Schwierigkeiten andere Autofahrer zu kämpfen haben, wenn sie sich auf eine zweispurige Hauptstraße einreihen sollen, müssen Sie selber erlebt haben, damit Sie es glauben.



In meine gewünschte Fahrtrichtung gibt es auf der Hauptstrasse zwei Spuren. Reiht man sich auf die linke Spur ein, geht der Weg nur geradeaus in einen Kreisverkehr. Die rechte Spur, die ich auswählen muss, bereitet den Fahrer sicher auf ein Abbiegen nach rechts, zur Innenstadtumgehung, vor. Muss sich vor mir eine Hausfrau oder ältere Person entscheiden, welcher Weg richtig ist, ist ein ansteigen meines Adrenalinspiegels vorprogrammiert.



Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich kenne eine Menge Frauen, die nicht nur mit Bussen und Bahn besser fahren. Auch kenne ich eine Menge älterer Herrschaften, die sehr wohl noch erstklassig und unauffällig ein Fahrzeug steuern können.
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Aber leider gibt es viel zu viele Personen, die Klischees bestätigen. Erst neulich wieder musste ich einen älteren Herrn an einer Straßenkreuzung überholen, weil er sich nicht entscheiden konnte, diese zu befahren. Solche Leute kosten mich viel Zeit, die ich auf dem Weg ins Büro nicht habe, denn ich frühstücke sehr ausgiebig und komme allein deshalb oft schon zu spät.



Abgesehen von den Gefahrenmomenten die entstehen, wenn ich diese Personen überholen muss, kennen solche Fahrer meist auch die Vorfahrtsregeln nicht und sind der Überzeugung, dass in geschlossenen Ortschaften mit 20 Stundenkilometern gefahren werden muss. Leider gibt es aber in den angesprochenen geschlossenen Ortschaften sehr selten die notwendigen Überholmöglichkeiten, um diesen Problemen aus dem Weg zu gehen.



Weitere sichere Garanten dafür, zu spät ins Büro zu kommen, sind definitiv Ampeln. Manchmal denke ich, die Ampeln haben ein Eigenleben. Irgendwie erkennen sie mich. Vielleicht reflektiert meine hohe Stirn die morgendliche Sonne? Auf alle Fälle halte ich an jeder Ampel. Nicht aus Prinzip, wie dies manche eben schon angesprochene Autofahrer tun, sondern weil mir immer ein rotes Licht entgegenleuchtet. Meistens sind dann die Rotphasen länger als sonst üblich und lassen mich noch später an meiner Arbeitsstätte ankommen.



Besonders „hilfreich“ sind auch die oft aufgebauten mobilen Fotostationen, mit der sich unsere Stadt eine goldene Nase verdient. Besonders toll, wenn sich mein Vordermann (oder –frau) beim Anblick dieser tarnfarbenen, quaderförmigen einäugigen Banditen sofort wieder daran erinnert, mit dem „Gasfuß“ auf das Bremspedal zu treten und somit seine (oder ihre) Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometer auf etwas unter 20 Stundenkilometer zu reduzieren. Dabei schleicht man sich bedächtig und in ständiger Verbeugung, die Fußmatte als Gebetsteppich verwendend, mit großem Respekt an den sich freuenden Priestern dieser bulläugigen Gottheiten vorbei. In sicherer Entfernung wird dann die Geschwindigkeit in blasphemischer Weise gerade zum Trotz auf über 60 Stundenkilometer erhöht.



Wenigstens geht es dann schneller voran.
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Aber ein spezieller Freund begegnet mir auf jeder Fahrt: ein roter Mercedes, dessen Anblick für mich einem roten Tuch gleichkommt. Ich weiß, dass ich dieses Fahrzeug unbedingt überholen muss, um wenigstens drei bis fünf Minuten einsparen zu können. Meistens gibt es keine Gelegenheit diesen täglichen Gelegenheitsfahrer (übrigens schon wieder ein älterer Herr) hinter mich zu bekommen. Dieser Vorfahrer (da er meist vor mir fährt, bezeichne ich ihn so) kennt sich besonders gut im Straßenverkehr aus. So kann er das Straßenschild für „Vorsicht“ nicht von einem für „Vorfahrt achten“ unterscheiden. Und er kennt sich erstklassig mit Vorfahrtsregeln aus: Generell hat jeder vor ihm Vorfahrt, weswegen ich lieber vor ihm fahre. Deswegen ist für Pünktlichkeit unbedingt wichtig, sich vor dem roten Mercedes in den Verkehr einzureihen.
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Kommentare zur Story:

  Hallo Ralf, kenne leider solche Situationen zu genüge. Der rote Smilie paßt doch voll zu den Wutausbrüchen hinter solchen Lahmärschen.
Tipp von mir, leg dir ein schnelleres Auto zu, dann kannst Du auch mal überholen. Kleinwagen ??, Sportwagen mit agressiver Schwarz-gelben Lackierung !!!  
ralf  -  28.05.04 08:39

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  Hi Eden. Die Geschichte gehört in einen Kontext von kabarettistischen Kurzgeschichten. Also eigentlich Teil 2 sozusagen. Teil 1: Frühstück vs. Streß ist auch online, Teil 3 (Arbeitsalltag) noch nicht.
Die Geschichten sind kurze, erlebte Episoden und Gedankengänge. Die Pointe in der vorliegenden Story ist der rote Mercedes, der echt ziemlich nervt und die Grundaussage: "Egal was du tust, tu es VOR dem Mercedes" Ich hoffe, das klärt die Sache etwas auf.  
RalfSeybold  -  05.05.04 13:43

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  Das ist ja genz witzig, aber ich versteh nicht was du eigentlich damit sagen willst. Und das Ende ist schon ein bisschen abrupt.  
Eden  -  04.05.04 21:37

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