Imhotep, der Junge aus Heliopolis - Kapitel 8   0

Romane/Serien · Spannendes

Von:    Francis Dille      Mehr vom Autor?

Erstveröffentlichung: 4. Oktober 2020
Bei Webstories eingestellt: 4. Oktober 2020
Anzahl gesehen: 1749
Kapitel: 0, Seiten: 0

Diese Story ist die Beschreibung und Inhaltsverzeichnis einer Reihe.

Verfügbarkeit:    Die Einzelteile der Reihe werden nach und nach bei Webstories veröffentlicht.

Kapitel 8 – Aufbruch in das Land





Noch in derselben Nacht wurden die königliche Barke und drei weitere Transportschiffe, die zusätzlich mit Segelmasten ausgestattet waren, im Hafen Peru-nefer verladen. Die Arbeiten hierfür dauerten bis in die frühe Morgenstunde an.

Peru-nefer war der bedeutendste und größte Hafen des altägyptischen Reichs und diente zugleich als die wichtigste Militärbasis. Der Hafen lag nur wenige Meilen nördlich von Memphis entfernt und jedes ausländische Handelsschiff, welches weiter nach Süden fahren wollte, musste dort zunächst ankern, um die Flussgebühren und Handelssteuer aufzubringen. Zudem wurden verdächtige Schiffe von der Miliz vorsorglich kontrolliert, bevor diese weiter nach Oberägypten ziehen durften. Segelschiffe aus aller Herren Länder ankerten an den Piers. Sogar Händler und Entdecker aus dem fernen Asien waren wagemutig monatelang, manche von ihnen gar jahrelang gesegelt, um das gelobte Ägypten zu erreichen, von dem behauptet wurde, dass die mächtigsten Götter der Welt dieses Land behüteten.

Der Schiffsrumpf der königlichen Barke maß zwar beachtliche sechzig Meter in der Länge, trotzdem waren weitere Schiffe notwendig, um die vielen Opferbeigaben, die in den Tempelsilos verteilt werden sollten, zu verladen. Die Königsbarke war ein religiöses Schiff und wurde auch Sonnenschiff oder Sonnenbarke genannt, daher war es unbewaffnet und wurde, statt von einem Feldherrn, von einem ranghohen Staatsbeamten kommandiert. Die Sonnenbarke diente ausschließlich dafür, die Königsfamilie über den Nil zu chauffieren. Nahe am bananenförmigen Heck befand sich die prunkvolle, rot vertäfelte Kabine, die das Gotteshaus repräsentierte und mit dem Königspalast gleichgestellt war. Auf der Außenwand waren Textformeln in vergoldeten Hieroglyphenschriften eingraviert, die das Herrscherpaar vor Unheil beschützen sollten, ebenso wie die unzähligen, aus Elfenbein gearbeiteten Anubisköpfe, die rundherum aus dem Kabinensims in jede Himmelsrichtung blickten. Anubis war nicht nur der Gott der Totenriten sondern zugleich der Schutzgott des Militärs.

Die Sonnenbarke wurde vom Oberaufseher von Peru-nefer persönlich kommandiert. Der Hafenmeister war überdies für die Instandhaltung und Pflege der Königsbarke verantwortlich.
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Dieses ehrenvolle Amt übte der Oberaufseher von Peru-nefer bereits seit der Regierungszeit des Pharao Echnaton aus. Weil aber nun der Wesir der offizielle Vormund von Tutanchamun war, beanspruchte Eje ebenso regelmäßig die königliche Barke, wenn es notwendig war, nach Oberägypten in die Stadt Theben chauffiert zu werden. Normalerweise war es ausschließlich dem Pharao gestattet, mit dem heiligen Sonnenschiff zu reisen, aber wer konnte Eje schon an seinem Vorhaben hindern, wenn er eine versiegelte Papyrusrolle in seinen Händen hielt, auf der eine Befugnis geschrieben stand, die ihn rechtens dazu legitimierte? Tutanchamun unterzeichnete Ejes Vollmachten stets zusätzlich mit seinem Thronnamen: Neb-cheperu-Re, was übersetzt bedeutet: Herr an Gestalten, ein Re (Sonnengott).

Etwa 1300 Jahre zuvor, als Pharao Chufu (Cheops), der Herrscher der 4. Dynastie das Alte Reich regiert hatte, wäre solch eine Genehmigung undenkbar gewesen. Die Priesterschaft hätte sich gegen solch einen Beschluss aufgelehnt und das Volk wäre empört gewesen. Zu jener frühen Bronzezeit wurde Re (Ra, der Sonnengott, nicht mit Aton gleichgestellt) im Alten Reich als der Reichsgott verherrlicht und die altägyptische Legende besagte, dass der Sonnengott Ra tagsüber mit einer Barke über den Himmel führe und nachts das Gewässer der Unterwelt (Duat: Jenseits) durchquere. Nur ein lebender Gott und seine Gefolgen durfte demnach mit der Sonnenbarke reisen, also ausschließlich der Pharao. Aber nachdem mit der 6. Dynastie das Alte Reich untergegangen war – somit auch der Reichsgott Ra –, Ägypten zwischenzeitlich sogar jahrhundertlang von feindlichen Ländern besiegt und immer wieder von fremden Herrschern besetzt wurde, gelang es erst der 18. Dynastie, unter der Herrschaft von Pharao Thutmosis II, gemeinsam mit seiner Großen königlichen Gemahlin Hatschepsut durch erbitternde Kriege Kemet endgültig zurückzugewinnen. Das Neue Reich war schließlich entstanden und somit wurde der vorher unbeachtete Gott Amun geboren, der nun über die Gesellschaft und über das ganze Leben der alten Ägypter zukünftig entschied.



Das Hafengebiet von Peru-nefer glich einer kleinen Stadt, die von dem Oberaufseher verwaltet wurde. Mit dem fettleibigen Hafenmeister war nicht zu spaßen.
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Ihm wurde nachgesagt, dass er äußerst durchtrieben und rücksichtslos wäre. Er wirtschafte mitunter die eine oder andere Hafengebühr gerne in die eigene Tasche. Seine Untergebenen hatten es unter seinen Fittichen nicht immer einfach; täglich unterjochte er sie, benutzte allzu schnell die Peitsche, um die Sklaven gefügig zu halten und drohte seinen Werftarbeitern rasch mit Lohnabzug. Insbesondere triezte er die Schiffsbauer auf der Werft, damit die Übergabetermine der bestellten Boote und Segelschiffe eingehalten werden konnten, denn andernfalls würde man seine Prämien kürzen. Geschah dies, ließ der Oberaufseher die verantwortlichen Werftarbeiter gnadenlos auspeitschen und letztendlich hinauswerfen.

Peru-nefer war sein persönliches Reich. Dort mussten die Hafenarbeiter sowie alle Händler und Entdecker sich seinem Regime unterordnen. Insbesondere hatte es der Oberaufseher des Hafens auf die Handelsschiffe abgesehen. Bevor er die Zollbeamten beauftragte, das Handelsgut zu kontrollieren, stöberte er zuallererst selbst in den Frachträumen herum und kassierte seinen rechtmäßigen Anteil, wie er es immer zu nennen pflegte. Es war sinnlos gegen seine Machenschaften zu protestieren, eher ratsam sich zu beugen, andernfalls konnte man seinen Anker sogleich wieder lichten und schnurstracks dem Mittelmeer entgegen segeln. Im Hafengebiet weilte und handelte der skrupellose Oberaufseher willkürlich wie ein Pharao. Dies jedenfalls glaubte er tun zu dürfen und privilegiert zu sein, weshalb seine Manieren des Öfteren zu wünschen übrig ließen. Nichtsdestotrotz wusste der Hafenmeister ganz genau, wie er mit den Großen des Landes umzugehen hatte, war mit ihren Gebräuchen wohl vertraut und verhielt sich in deren Anwesenheit demnach makellos. Er hatte bereits dem Pharao Echnaton und der Großen königlichen Gemahlin Nofretete gedient und erinnerte sich noch vage an Prinz und Prinzessin Tut-anch-Aton und Anches-en-pa-Aton, wie die hochwohlgeborenen Geschwister damals noch geheißen hatten.

Der Hafenmeister atmete erleichtert auf. Die merkwürdige Erscheinung des herrischen, zugleich allzu argwöhnischen Pharao Echnaton, der sich nicht einmal von Vertrauten in die Karten hatte blicken lassen, und seine arrogante, dennoch atemberaubend schöne Gemahlin Nofretete, waren dank den Göttern nicht mehr, weshalb er optimistisch einer entspannten Nilreise entgegensah.
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Der Pharao und die Königin, das wusste der dreiundfünfzigjährige Hafenmeister schließlich, waren noch sehr jung und würden demnach noch keine Allüren an den Tag legen. Der Oberaufseher war davon überzeugt, dass Pharao Tutanchamun leicht zu beeindrucken wäre. Mit etwas scheinheiligem Getue und spannendem Seemannsgarn würde er das Vertrauen Seiner Majestät bestimmt im Nu gewinnen, dachte er sich. Ein breites Grinsen verzierte sein bulliges Doppelkinngesicht, wobei er verheißungsvoll seine Hände rieb, sich in einer Silberschale betrachtete und sein helles Kopftuch richtete. Die geplante Nilreise bis tief in den Süden zur Grenze nach Nubien dauerte, wenn man die häufigen Aufenthalte und langen Reisen bis hin zu allen heiligen Stätten berücksichtigte, erfahrungsgemäß etwa über ein ganzes Jahr. Während dieser langen Zeit würde es dem Kommandanten der Sonnenbarke sicherlich gelingen, sich eines Tages als einen Vertrauten des Pharaos bezeichnen zu dürfen, was zugleich bedeutete, dass sich sein Ansehen in der Gesellschaft um einiges steigern würde, und damit ebenso die Kostbarkeiten in seiner privaten Schatzkammer.



Die Ruderer standen in einer starren militärischen Haltung an ihren Plätzen und bildeten eine Gasse. Der Oberaufseher stolzierte mit einer aufgewickelten Peitsche in seinen Händen umher und verbesserte die Haltung einiger Männer. Schließlich befanden sie sich nicht auf einem schäbigen Fischkutter, dies war das Schiff eines lebenden Gottes.

Die meisten Ruderer waren entweder Landstreicher oder ungebildete Bauern, die weit im Landesinneren lebten und nach der Erntezeit praktisch monatelang arbeitslos waren, aber eine Familie ernähren mussten. Zwar wurde niemand wie ein Sklave dazu gezwungen, das Ruder in die Hand zu nehmen, denn die Leute wurden für diesen Dienst angemessen bezahlt, aber sobald ein Anwärter sich für diese harte Arbeit hatte anheuern lassen, war er unwiderruflich zum Dienst verpflichtet. Aber wehe demjenigen, der sich unterwegs anderweitig entschloss und nach einer Woche meinte, das Kopftuch werfen zu müssen, weil ihm der Rücken oder sonst irgendein Glied zu sehr schmerzte, dann sollte die Peitsche den Widerspenstigen davon überzeugen, dass Rückenschmerzen auch auf andere Art und Weise entstehen konnten.
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Der Kommandeur stand auf dem Bugdeck der Sonnenbarke, der Lederschurz war bis zu seinen Knien heruntergelassen, wobei jedermann seinen speckigen Hintern sehen konnte. Er stützte dabei eine Hand auf seiner beleibten Hüfte ab, und mit seiner anderen Hand hielt er sein wertvollstes Stück, während er in hohem Bogen in den Fluss pinkelte. Ein weiterer Beamter, drei Papyrusrollen in seinen Händen haltend, stieg die Treppenstufen zum Bugdeck hinauf und verneigte sich vor dem urinierenden Kommandeur. Dann rollte er eine Schriftrolle auf, räusperte sich und las ihm die aufgelisteten Opferbeigaben laut vor, die im Frachtraum der königlichen Barke verladen wurden. Hierbei handelte es sich um Güter, die aus der privaten Schatzkammer des Pharaos stammten. Hauptsächlich Gold, Silber und Kupfer, Edelsteine, wertvolle Messingstatuen aus fremden Ländern. Außerdem Elfenbein, zweihundert Säcke randvoll mit Weihrauchharz und Schlafmohn jeweils in der feinsten Qualität, unzählige Kisten Ampullen gefüllt mit duftenden Ölen und dutzendweise Kisten mit Weinamphoren. In den Frachträumen der Transportschiffe verstaute man enorme Mengen an Weizen, Getreide und Gerste, Flachs, Zuckerrüben, eine Schafherde sowie Antilopen und Ziegen. Sogar ein paar Rinder und Stiere zählten, neben dem Proviant für die Besatzung zur Ladung sowie eine beachtliche Anzahl Honigtöpfe und mit Salz abgefüllte Säcke. Salz war ebenso wertvoll, weil es hauptsächlich für Mumifizierungen benötigt wurde.

„Sprich, Schreiber. Wie viele Amphoren Wein wurden verladen?“, fragte der Kommandeur, woraufhin seine Augen glänzten und ihm ein kurzer Lacher entwich, während er weiterhin in den Nil pisste. Der Schreiber erstarrte und zwinkerte nervös mit seinen geschminkten Augenliedern. Konzentriert wanderte sein Finger über die Hieroglyphen, bis er fündig wurde.

„Zweitausendfünfhundert Weinamphoren wurden verladen, Herr“, sagte der Schreiber und richtete seine Perücke.

Der Pinkelstrahl des Kommandeurs brach abrupt ab. Während er seinen Schurz wieder verschnürte, watschelte der fettleibige Mann auf ihn zu und blickte ihn mit seinen geschminkten Augenlidern dabei finster an.

„Ich meinte nicht den Weinbestand des Pharao, sondern meinen eigenen, privaten Wein.
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Du nichtsnutziger Tölpel!“, brüllte er.

Der Schreiber zuckte mit der Wange, ließ die Papyrusrolle wieder zusammengleiten und breitete die andere Schriftrolle auseinander, welche die Verladung aller Transportschiffe dokumentierte. Er schluckte.

„Fünfhundert Amphoren feinster Wein wurden verfrachtet, wie Herr befohlen hat.“

Einen Augenblick glotzte der Kommandeur ihn nur belämmert an.

„Sag, wagst du es zu scherzen? Du hast du meinen Weinbestand in der Tat auf eines der Transportschiffe verladen lassen?“

„A-aber Herr“, stotterte der Schreiber, „Eure privaten Habseligkeiten dürfen doch nicht nebst des königlichen Eigentums verstaut werden. So besagen es doch die Vorschriften.“

Der Kommandeur hob seine Hand und gab ihm mit zornverzerrtem Gesicht eine wuchtige Ohrfeige, woraufhin der schmächtige Schreiber rücklings gegen die Reling schmetterte.

„Das ist eine veraltete Regelung des längst zu Osiris emporgestiegenen Ketzers Echnaton. Der Große Pharao Tutanchamun wird gewiss nichts dagegen einzuwenden haben, wenn ich, der Oberaufseher von Peru-nefer und Kommandeur der königlichen Barke, meine Kostbarkeiten hier im Frachtraum der Sonnenbarke lagere. Was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun, wenn es mich unterwegs dürstet? Verlangst du von mir etwa, dass ich dann in den Fluss hopse und hinüber zum Transportschiff schwimme?“, schrie der Kommandant ihn wütend an. Der Schreiber rieb sich seine Backe und schüttelte sogleich energisch mit dem Kopf.

„Nein Herr, gewiss nicht, hoher Herr.“

„Klug geantwortet, Schreiber. Weil, du wirst es tun. Verlasse dich darauf und bete zu Sobek, damit die Götter gnädig sind, falls dir dann die Krokodile nachstellen sollten!“



Plötzlich ertönte eine Fanfare. Die königliche Karawane rückte an das Pier heran. Schwarzhäutige Kuschiten trugen die schleierumhüllte Sänfte, in der Tutanchamun und Anchesenamun mit ihren Bäuchen auf einem wolligen Teppich lagen und begeistert hinausschauten. Ihre Beine baumelten dabei hin und her, während sie das riesige Hafengelände überblickten und dabei die vielen Segelschiffe bestaunten. Sogleich legten die Hafenarbeiter ihre Arbeit nieder und rannten zum Wegesrand, jubelten und winkten dem Königspaar zu.
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Die weißen Vorhänge gaben dem Volksmenschen lediglich verschleierte Konturen des Königspaares preis, aber es war genau zu erkennen, wie das Herrscherpaar ihre Hände hoben und allen Umherstehenden zuwinkten.

Tutanchamun und Anchesenamun staunten als die Sklaven ihre Sänfte vorsichtig vor der Anlegestelle niederlegten. Das schalenförmige Heck der Königsbarke ragte über fünf Meter in die Höhe. Die vergoldeten Verzierungen an der königlichen Kabine blitzten im Sonnenschein auf. Die etlichen Kisten und Truhen wurden auf Holzpaletten abgelegt. An den vier Enden waren straffe Flachsseile gespannt und mithilfe eines Kranes, der aus massiven Holzstämmen angefertigt worden war und an einer übergroßen Waage ähnelte, wurde eine Holzpalette nach der anderen von einer Hafenarbeiterschar hinaufgewuchtet. Nun konnte das königliche Eigentum ordentlich im Frachtraum verstaut werden.

Tutanchamun war diesbezüglich relativ anspruchslos. Was sollte er schon Großartiges mitnehmen außer seine Gewänder, seinen Papagei, seinen Kompositbogen und ausreichend Pfeile, ein Senet-Brettspiel und seine zwei treu ergebenen, nubischen Leibwächter, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgten? Diese Angelegenheit überließ er Anchesenamun, die es schon verstand, all die vielzähligen Truhen und Kisten mit Klamotten und Gegenständen zu füllen, die eventuell auf einer Reise benötigt wurden. Ihre Vierzimmerkabine musste zudem ausgiebig mit Götterstatuen, Wolldecken, Teppichen und vor allem mit der einzigartigen Büste, die das Antlitz von Anchesenamuns Mutter Nofretete darstellte, dekoriert werden. Tutanchamun trug einen Schurz, aus einem Tigerfell angefertigt, und sein Kopf war mit dem Nemes-Kopftuch bedeckt. Das blau-goldgestreifte Nemes-Kopftuch war mit der Doppelkrone gleichgestellt. Die Farben Blau und Gold trug ausschließlich der Pharao. Anchesenamun war wie immer in ein weißes Gewand gekleidet. An ihren Handgelenken hafteten Alabasterarmreifen und um ihren Nacken lag eine mit Lapislazuli bestückte Kragenkette. Ihre pechschwarze Haarmähne glänzte im Sonnenschein als sie aus der Sänfte stieg und freudenstrahlend hoch hinauf auf das Bootsdeck schaute.

„Ohhh Tut, schau doch nur, wie wunderschön unser Boot ist.
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Und wie groß es ist“, raunte die Königin begeistert.

„Ähm … Es ist eine Barke und keineswegs ein Boot, geliebte Schwester“, stellte Tutanchamun daraufhin klar. Anchesenamun neigte ihren Kopf seitlich, schaute ihren Halbbruder sowie Gemahl lächelnd an und antwortete: „Aber das habe ich doch gesagt.“

Anchesenamun reiste mit beachtlichem Gepäck. Fünfunddreißig Truhen und zahlreiche kleine Schreine wurden verschifft. Absolut unentbehrlich für die Königin aber war, dass sie ihre fünf Vertrauten, die Zofen Bürsa, Neferu, Menhabne, Nelitites und Chenut sowie ihre zehn Lieblingskatzen, die verängstigt in ihren Käfigen kauerten, begleiteten. Die Hofdamen waren, bis auf Bürsa und die blutjunge Nelitites, etwa im gleichen Alter wie Anchesenamun, durften trotz der königlichen Gegenwart offen und ungefragt ihre Meinung äußern und hatten es zu unterlassen, der Königin scheinheilige Komplimente zu machen, wenn diese nicht den Tatsachen entsprachen. Anchesenamun schätzte ihre wirkliche Meinung und folgte sogar ihren Ratschlägen, wenn sie gemeinsam über die angesagten Schönheitsideale diskutierten.



Als das Königspaar das Bootsdeck betrat, kniete die Besatzung und verbeugte sich vor ihnen, bis ihre Stirn die Dielen des Bootsdecks berührten. Anmutig stolzierten Tutanchamun und Anchesenamun durch die Gasse, die ihnen ihre Untertanen bildeten, und gingen zielstrebig dem Bugdeck entgegen.

Seine Arme ausgebreitet sowie breit grinsend, schritt der Kommandant den Hoheiten selbstbewusst entgegen. Der Oberaufseher wagte es, als er direkt vor dem Königspaar stand, den Pharao zu mustern. „Groß geworden ist der Bengel“, zuckte es durch seine Gedanken. Tutanchamun blickte ihn ausdruckslos an. Der Kommandeur überkreuzte seine Arme und nickte kurz, schließlich war er der Oberaufseher von Peru-nefer und eine demütige Verbeugung sei demnach nicht notwendig sowie angebracht, dachte er.

„Ich grüße dich, Pharao, und die Große königliche Gemahlin recht herzlich an Bord der heiligen Sonnenbarke. Mein Großer König, darf ich Euch …“

Plötzlich trat Anchesenamun hervor und unterbrach seine Rede mit einer energischen Handbewegung, woraufhin er sich sofort tief vor ihr verbeugte. Der Kommandeur ahnte sogleich, dass die Königin ein anderes Kaliber war als der junge Pharaonenbursche.
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Die einstige Prinzessin Anchesenpaaton, seine jetzige Königin, war beinahe eine ebenso atemberaubende Schönheit wie es einst ihre Mutter gewesen war. Besonders gefielen ihm ihre weiblichen Rundungen, zwischen ihren strammen Schenkeln er sehr gerne seinen Phallus stecken würde. Diesen respektlosen Gedanken hegte er jedenfalls, bevor sie ihn gemaßregelt hatte, bevor ihm klar wurde, dass mit der Königin ebenso wenig gut Kirschen essen war, wie damals mit ihrer atemberaubend schönen Mutter.

„Dein Name, Kommandeur?“, fragte Anchesenamun spitz und es klang nicht unbedingt so, als würde sie ihn der Freundlichkeit wegen auffordern, sich vorzustellen. Er kniete noch tiefer vor ihr nieder, bis seine Stirn das Bootsdeck berührte.

„Rahotep, Herrin. Oberaufseher von Peru-nefer und Kommandeur der königlichen Barke, Große königliche Gemahlin. Erkennt Ihr mich nicht wieder? Ich trug Euch einst auf meinem Arm“, antwortete er ungeschickt.

Anchesenamun hob ihr Kinn und blickte verächtlich auf ihn herab.

„Du wagst es in der Tat, deinen Pharao nicht angemessen zu huldigen und ihn stattdessen anzustarren?“

„Das war gewiss nicht meine Absicht, Herrin“, winselte Rahotep. Er krabbelte auf allen Vieren vor Tutanchamuns Beine und küsste seine nackten Füße, die in Sandalen steckten. Rahotep hatte wahrlich genug Erfahrung im Umgang mit Hochwohlgeborenen gesammelt, um zu wissen, dass jetzt jeder Versuch sich zu rechtfertigen, töricht wäre, weil er somit ihre Auffassung anzweifeln und die Majestäten damit beleidigen würde. Die ohnehin brenzlige Situation würde also mit unbedachten Kommentaren nur weiter angeheizt werden und wer nicht sonderlich erpicht war, mit Krokodilen um die Wette zu schwimmen, verhielt sich in solchen Momenten besonders demütig.

„Verzeiht mir vielmals, mein Großer Pharao. Ich war lediglich überwältigt, wie groß und stark Ihr geworden seid. Ich bin untröstlich. Wie kann ich Euer Herz nur wieder erquicken, damit Ihr mir vergebt, Großer Pharao?“

Tutanchamun blickte die Königin verärgert an, packte ihr Handgelenk und zerrte sie wortlos an allen Ruderern vorbei, die nach dieser Maßregelung längst unaufgefordert flach auf dem Bootsdeck lagen, und führte sie zielstrebig in das Gotteshaus, in ihre Kabine hinein.
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Als das Herrscherpaar die Suite betrat, klatschte Bürsa sogleich in ihre Hände, woraufhin die kichernden Zofen von den Katzen abließen und augenblicklich verschwanden.

Bürsa lächelte niemals in der Gegenwart einer Dienerin. Sie gab sich ihnen gegenüber immer überaus eisern. Ihre großen, dunklen Augen blickten stechend drein und manchmal wirkten ihre strengen Gesichtszüge sogar furchteinflößend. Die korpulente Frau strahlte Autorität und zugleich eine gewisse Sicherheit aus. Wenn es so etwas wie eine Oberaufseherin der Zofen geben würde, wäre Bürsa diese Frau gewesen. Sie sorgte dafür, dass im Königspalast alles geregelt ablief und passte auf, dass die Zofen keine Dummheiten anstellten. Mit ihrer herrischen Art setzte sie sich jahrzehntelang konsequent durch. Alle Zofen und sogar die Pagen, Diener sowie der Küchenmeister des Hofes gehorchten ihr. Niemand war eigentlich gezwungen der Zofe, die sich als die Vertraute der Königin bezeichnen durfte, uneingeschränkt Folge zu leisten, dennoch war dies ratsam. Nur ein einziges Wort genügte und die Königin würde ohne jegliche Anhörung handeln. Bürsa war daher nicht bei jedem aus der Dienerschaft beliebt und manche fürchteten sie sogar, weil sie über eine gewisse Macht verfügte. Dabei war Bürsa aber eine herzensgute Frau, die nur darauf bedacht war, dass niemandem die Peitsche drohte.

„Anches, was soll das wieder?“, fuhr der Pharao sie an und rüttelte sie wütend. „Wir trafen eine Abmachung und zwar diese, dass wir uns nicht wie Tyrannen benehmen. Rahotep begegnete uns freundlich. Und du? Er ist immerhin der Oberaufseher von Peru-nefer und verrichtet seine Arbeit seit der Regierungszeit unseres Vaters vorbildlich!“, schnauzte er sie zornig an.

Anchesenamun löste ihr Handgelenk aus seinem festen Griff und blickte ihm liebevoll in die Augen. Keinesfalls hatte sie vor, ihren Gemahl vor allen Leuten zu blamieren, sondern meinte es nur gut. Sie erhob ihr Kinn als er scheinbar nichts weiter einzuwenden hatte und sprach.

„Tut, so geht das nicht weiter. Tyrannei und Gehorsamkeit sind zweierlei Ansichten. Du bist der Pharao, der König von Ägypten, und sie müssen dich verehren und müssen dich achten.
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Sie meinen sonst, wir seien nur ahnungslose Kinder und man könne auf unseren Köpfen herumtanzen, wie es ihnen beliebt.“

Tutanchamun blickte verstohlen auf Bürsa, die ihn wie gewohnt streng anschaute und der Königin mit verschränkten Armen nickend zustimmte. Auch er schätzte ihre Meinung, weil er genau wusste, Bürsa war vertrauenswürdig und sie würde, falls Gefahr drohte, ohne zu zögern ihr Leben für beide opfern.

Tutanchamun schaute missmutig beiseite. Seine Halbschwester hatte vielleicht wiedermal Recht. Aber es fuchste ihn. Er wollte doch endlich ein wahrer König sein, ein Pharao, wie seine Vorahnen, dem man niemals zu widersprechen wagte. Anchesenamun lächelte, stellte sich auf ihre Fußspitzen, richtete sein Nemes-Kopftuch und küsste ihm auf die Stirn.

„Lass uns nicht streiten, geliebter Bruder. Mein Großer Pharao … Hihi“, lenkte die Königin kichernd ein. „Erfreuen wir uns doch an dieser Reise und dass wir unser Volk begrüßen werden. Erfreuen wir uns, dass die Götter uns lieben und dass sie uns eines Tages in einer leidenschaftlichen Nacht, einen Sohn bescheren mögen.“

Tutanchamun atmete schwermütig auf und stützte seine Stirn auf ihre Schulter ab. Anchesenamun war sein Rückgrat, ohne sie war es für ihn undenkbar, ein Pharao zu sein. Wie sollte er ihr es bloß schonend beibringen, dass er beabsichtigt, eine Nebenfrau zu heiraten?
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Kommentar von "Nathanahel Compte de Lampeé" zu "Manchesmal"

... welch ein wunderschöner text ! lg nathan

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